Zur
Ankündigung eines staatlichen Tierwohllabels durch
Landwirtschaftsminister Schmidt nach der aktuellen Berichterstattung zu
Missständen in Tierställen erklären Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik, und Nicole Maisch, Sprecherin für Tierschutzpolitik:
Der
Landwirtschaftsminister ist unter Zugzwang. Dass jetzt Funktionsträger
der deutschen Fleischindustrie mit Bildern dahinsiechender Tiere aus
eigenen Ställen konfrontiert werden, fällt auch auf ihn zurück. Der
Bauernverband hatte im Landwirtschaftsminister stets einen Verbündeten,
wenn es darum ging, möglichst wenig am bisherigen, rücksichtlosen
Agrarsystem zu ändern. Die aktuelle Berichterstattung zu Missständen in
Tierställen macht es sichtbar: Schweine und Puten mit offenen Wunden,
Tiere, die nicht mehr laufen oder aufstehen können und tote Tiere, die
nicht entsorgt werden. Dieses offensichtliche Leid in der
hochrationierten und auf Effizienz getrimmten Tierhaltung ist
erschütternd – daran kommt der Landwirtschaftsminister nicht vorbei.
Doch
weitere substanzlose Schachzüge zum Leidwesen der Tiere kann sich der
Minister nicht erlauben - das gesellschaftliche Interesse am Geschehen
in deutschen Ställen und Schlachthöfen wächst. Wir brauchen kein
Wohlfülh-Label, sondern eine klare Herkunftskennzeichnung. So
entscheiden die Verbraucher mit, wie sich die Tierhaltung in Deutschland
entwickeln soll. Für eindeutige Missstände müssen Gesetze verschärft
werden. Wir brauchen eine Abkehr von Betonspaltenböden, Kükenschreddern
und Qualzucht. Selbst die versammelte wissenschaftliche Kompetenz in
Form des wissenschaftlichen Beirats des Landwirtschaftsministeriums
bescheinigt der aktuellen Tierhaltung keine Zukunftsfähigkeit. Wir
brauchen ein konsequentes Konzept für den lange aufgeschobenen Wandel in
der Tierhaltung. Von Minister Schmidt wird es nicht kommen. Er steht
vor dem Scherbenhaufen seiner Politik.
Jahrelang
hat er wertvolle Zeit vergeudet und die Interessen der Fleischlobby
aufgenommen. „Kompetenzkreis Tierwohl“, „freiwillige
Selbstverpflichtungen“ und ein ominöses Grünbuch sind Beispiele für
hilfloses Navigieren. Die gerne verwendete Ausrede, schwarze Schafe des
Berufsstandes seien für tierquälerische Haltungsbedingungen
verantwortlich, funktioniert nicht mehr. Wenn in den Ställen eines
Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, dem
Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes und dem Vorstand der
Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands grausame
Tierqual-Bilder entstehen, muss ein Landwirtschaftsminister endlich
begreifen: Die Tiere leiden nicht trotz der modernen industriellen
Tierhaltung, sondern wegen der modernen industriellen Tierhaltung. Wir
brauchen eine klare Strategie, wie wir die industrielle Tierhaltung
umbauen und den Neustart einer artgerechten Tierhaltung gestalten
können.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
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