28. September 2016

Jahresbericht Deutsche Einheit: Der Besorgnis müssen Taten folgen

Zum heute vorgestellten Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit erklären Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus, und Stephan Kühn, Berichterstatter für den Aufbau Ost:
 
Nach dem Sommer 2015, der besonders in Sachsen durch die massive Zunahme an rechter Gewalt in Erinnerung geblieben ist, stellt der Schwerpunkt Rechtsextremismus im Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit ein wichtiges Signal dar. Das öffentliche Benennen von gesellschaftlichem Rassismus ist ein erster Schritt, um die Spirale der Gewalt gegen Geflüchtete und andere Minderheiten zu stoppen. Dresden, Heidenau und Freital sind Symbole einer Gesellschaft, in der Rassismus in weiten Teilen akzeptiert wird. Der von der Bundesregierung in diesem Zusammenhang verwendete Begriff „Fremdenhass“ führt jedoch in die Irre, weil er den Betroffenen eine Fremdheit zuschreibt, die von Rechtsextremen und Populisten häufig zur Legitimation von Diskriminierung oder Übergriffen genutzt wird. Rassismus ist als solcher zu benennen. Es darf jedoch nicht bei der Benennung bleiben.
 
Bei den Protesten gegen die Aufnahme von Flüchtlingen sei deutlich geworden, dass die Grenzen zwischen bürgerlichen Protesten und rechtsextremistischen Agitationsformen zunehmend verschwömmen. Es ist gut, dass die Bundesregierung dies endlich zur Kenntnis nimmt. Die Bundesregierung spricht von „besorgniserregenden Entwicklungen“, die das Potenzial hätten, „den gesellschaftlichen Frieden in Ostdeutschland zu gefährden“. Daher muss sie nun handeln. Eine schwache Zivilgesellschaft, die von Bund und einigen Ländern jahrelang allein gelassen wurde, sowie die vor allem im ländlichen Raum zum Teil katastrophale Situation der Infrastruktur gehören zu den Ursachen des Problems.
 
Die Wirtschaftsförderung für die ostdeutschen Länder mit dem Auslaufen des Solidarpakts II in ein gesamtdeutsches System für strukturschwache Regionen zu überführen, ist richtig. Bisher ist es aber bei der Ankündigung im Koalitionsvertrag geblieben. Die Zeit drängt, die neue Förderkulisse muss bis zum Ende der Legislaturperiode stehen. Die Neugestaltung der Daseinsvorsorge mit Blick auf das Ziel „gleichwertiger Lebensverhältnisse“ lässt sich nämlich nicht durch Pilotprojekte und Modellvorhaben lösen. Die Kanzlerin steht im Wort, die im Koalitionsvertrag festgehaltene Vereinbarung umzusetzen und endlich die notwendigen Schritte für die vollständige Angleichung der Renten zwischen Ost und West einzuleiten und ein verbindliches Datum für die Umsetzung festzulegen.
 


BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

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