- 120 Unternehmen verschärfen mit ihrem Geschäft den Klimawandel
- Massive Neubaupläne für Kohlekraftwerke in 33 Ländern
- Zukunftsorientierte Datenbank für klimabewusste Investoren
Berlin, 29.6.2017 Heute enthüllen urgewald und Partnerorganisationen, welche Unternehmen am stärksten für die weltweite Kohlekraftwerksexpansion verantwortlich sind. Die Veröffentlichung knüpft an frühere urgewald-Studien an, die maßgeblich zum umfangreichen Kohle-Ausstieg des Norwegischen Pensionsfonds und des Versicherungskonzerns Allianz beigetragen haben.
Derzeit sind mehr als 1.600 neue Kohlekraftwerke bzw. –kraftwerksblöcke in 62 Ländern geplant oder in der Entwicklung [1]. Damit würde die derzeitige Kapazität von Kohlekraftwerken um mehr als 840.000 Megawatt (MW) oder rund 42,8 Prozent zunehmen. „Die verantwortlichen Unternehmen sind eine Bedrohung für die Menschheit, da sie uns alle Chancen nehmen, die Erderwärmung deutlich unter der wichtigen Schwelle von 2 Grad zu halten“, sagt Heffa Schücking, Geschäftsführerin von urgewald. „Als wir unsere Recherche begannen, stellten wir fest, dass die meisten Banken und Investoren nicht wissen, welche Unternehmen hinter diesen gewaltigen Kohle-Expansionsplänen stecken. Unsere neue Datenbank schließt diese Lücke, indem sie die Größten und Wichtigsten darunter auflistet. Es ist ein zukunftsorientiertes Werkzeug für Banken und Investoren, um solche Kohlefirmen von weiteren Geschäften auszuschließen. Wir hoffen, dass es breit angewandt wird.“
urgewald hat die Datenbank auf der neuen Website www.coalexit.org veröffentlicht und listet dort die 120 größten und wichtigsten Kohlekraftwerks-Entwickler auf. Diese sind für rund zwei Drittel der weltweit geplanten neuen Kohlekraftwerke verantwortlich. Alles in allem möchten diese Firmen die Kohle-Kapazität um mehr als 550.000 MW erhöhen – dies entspricht etwa dem 2 ½-fachen des gesamten indischen Kohlekraftwerksparks.
ZENTRALE ERGEBNISSE DER RECHERCHE
Neue Kohle-Abhängigkeit für zahlreiche Länder
Es ist besonders besorgniserregend, dass viele neue Kohlekraftwerke in Ländern geplant sind, die bisher keine oder kaum Kohlekraftwerke betreiben. Damit droht ihnen eine jahrzehntelange Abhängigkeit von kohlebasierter Energieerzeugung. „Ägypten hat derzeit kein einziges Kohlekraftwerk, doch wenn Unternehmen wie Shanghai Electric, ACWA Power und Orascom ihre Pläne in die Tat umsetzen, werden mehr als 17.000 MW neuer Kohlekraftwerkskapazität in dem Land installiert“, sagt Schücking. Pakistans Kohlekapazität soll von 190 MW auf fast 15.300 MW ansteigen. In Bangladesch würde der Ausbau die Kohle-Stromerzeugung von derzeit 250 MW auf knapp 16.000 MW nach oben katapultieren, in Myanmar von 160 MW auf 5.100 MW.
Insgesamt wollen Entwickler von Kohlekraftwerken ihre Anlagen in 14 Ländern errichten, die ihren Strom bisher komplett kohlefrei erzeugen. In 19 weiteren Ländern soll die Kapazität um mehr als 100 Prozent wachsen. „In den meisten dieser Länder gibt es massiven Widerstand gegen die Pläne“, sagt Lidy Nacpil, Koordinatorin der Allianz Asian People’s Movement on Debt and Development (APMDD). „Banken und Investoren dürfen keine Unternehmen mehr finanzieren, die immer weitere Länder in eine gefährliche Spirale der Kohleabhängigkeit stürzen wollen.“
Vollständige Liste von Kohle-Expansionsplänen in Ländern, die keine oder kaum Kohlekraftwerke betreiben, als pdf: Download
Größte Unternehmen hinter der Kohlekraftwerks-Expansion
Das größte Unternehmen auf der von urgewald recherchierten Liste ist die National Thermal Power Corporation (NTPC) mit Sitz in Indien. NTPC plant einen Ausbau der Kohlestromerzeugung in Höhe von über 38.000 MW in Indien und Bangladesch.
Als nächstgrößte Unternehmen folgen die chinesischen Firmen SPIC (Kohleexpansion rd. 31.600 MW), China Datang (28.900 MW), Shenhua (26.000 MW), China Huadian (25.800 MW), China Huaneng (20.800 MW) und China Guodian (17.300 MW). Insgesamt stehen chinesische Firmen hinter 43 Prozent der Projekte in der urgewald-Datenbank. Deren Kohlekraftwerke sollen jedoch zu rund einem Sechstel außerhalb Chinas gebaut werden. „Wenn die chinesische Regierung tatsächlich ein globaler Anführer beim Klimaschutz werden will, muss sie dringend bei staatlich kontrollierten Unternehmen eingreifen, die die Welt mit neuen Kohlekraftwerken fluten wollen“, sagt Trusha Reddy, Koordinatorin des zivilgesellschaftlichen Netzwerks International Coal Network.
Unternehmen aus anderen asiatischen Ländern wie Südkorea und Japan spielen ebenfalls eine prominente Rolle beim Ausbau von Kohlekraftwerken. Marubeni aus Japan liegt auf Rang 26 der weltweit größten Firmen auf der urgewald-Liste und ist an verschiedenen Joint Ventures beteiligt, die an über 13.000 MW neuer Kohlekapazität in 9 Ländern arbeiten. Dazu gehören zahlreiche Ländern mit wenig bis keiner existierenden Kohle-Stromerzeugung wie Ägypten, Botswana, Mongolei und Myanmar.
Das größte Expansionsunternehmen für Kohlekraftwerke in Afrika ist Eskom mit Hauptsitz in Südafrika, auf Position 15 im internationalen Ranking. Das größte europäische Unternehmen ist PGE aus Polen, in der Datenbank auf Rang 30. Als deutsche Firmen listet die Datenbank die Energiekonzerne RWE und Uniper auf.
Globale Investitionen in neue Kohlekraftwerke und ihre Betreiber
„Auch wenn die meisten Entwickler neuer Kohlekraftwerke ihren Sitz in Asien haben, spielen internationale Banken sowie Investoren aus Europa, Nordamerika und Australien eine zentrale Rolle bei der Finanzierung dieses schmutzigen Geschäfts“, sagt Schücking. Anleihen und Aktien von Kohle-Unternehmen wie NTPC, KEPCO, Marubeni, Adani oder China Resources finden sich regelmäßig in den Portfolios großer Investoren und Banken. [2]
Sogar Institutionen, die Kohle bereits zum Teil in ihrem Geschäft ausgeschlossen haben – etwa Axa, Allianz oder CalSTRS – investieren noch immer in Kohlekraftwerks-Entwickler. „Wir haben bei unserer Recherche erkannt, dass neu eingeführte Kohle-Schwellenwerte viele dieser Firmen nicht betreffen“, so Schücking. Nur ein Drittel der größten und wichtigsten Entwickler von Kohlekraftwerken hat einen Umsatzanteil bei Kohle von über 30 Prozent. Dies ist der Schwellenwert, ab dem die Allianz sowie Norwegens Pensionsfonds Kohlefirmen ausschließen.
Die übrigen zwei Drittel sind Firmen, die entweder stark diversifiziert sind wie Marubeni oder aus anderen Sektoren kommen wie die vietnamesische Ölfirma PetroVietnam oder ToyoInk aus Malaysia. ToyoInk ist ein besonders bizarrer Fall. Das Unternehmen stellt derzeit in erster Linie Druckfarben für die malaysische Verpackungsindustrie her, hat sich allerdings für eine Zukunft im Kohlekraftwerkssektor entschieden.
„Dies verdeutlicht gut, warum wir die neue Datenbank recherchiert haben“, sagt Schücking. „Viele der Firmen darin sind keine klassischen Kohlefirmen und werden ohne tiefergehende Analyse als solche von der Finanzindustrie nicht erkannt. Unsere Liste benennt erstmals die Unternehmen, deren Kohle-Expansionspläne den Weg in den Klimakollaps bahnen.“
Finanzinstitutionen, die „Ja“ zum Pariser Klimaschutzziel sagen, müssen „Nein“ zu Entwicklern neuer Kohlekraftwerke sagen.
WEITERE INFORMATIONEN
Vollständige Datenbank, Infografiken und weitere Details auf: www.coalexit.org
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