3. November 2015

Katrin Göring-Eckardt zu Flüchtlingspolitik, Rechtsextremismus, Abgasaffäre, DFB

Flüchtlingspolitik:
Wir erleben im Moment eine Bundesregierung, die miteinander streitet, die desorientiert ist. Wir erleben eine Bundesregierung, die nicht Vertrauen schafft, sondern weiter für Verunsicherung sorgt. Die Menschen, die schon verunsichert werden, bekommen keine Orientierung. 
Diejenigen, die verunsichern wollen, bekommen Wasser auf ihre Mühlen. Ich halte das nicht für verantwortungsvolle Politik. Es ginge jetzt darum, das was beschlossen ist, umzusetzen und den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen, wie die nächsten Schritte sind. Es geht darum, die Beschleunigung der Verfahren im Bundesamt für Migration und Flucht umzusetzen; die Gesundheitskarte umzusetzen; die Bereitstellung von Unterkünften seitens des Bundes für die Länder und für die Kommunen umzusetzen. 

Stattdessen erleben wir eine unselige Diskussion über Transit- und Einreisezonen. Bei den Transit- wie bei den Einreisezonen, sage ich sehr deutlich: Es kommt darauf an, dass wir keine Schnellverfahren bekommen, die rechtsstaatlich nicht gründlich sind und nicht nachvollziehbar sind. Und ich sehe auch nicht, wie es praktisch umsetzbar sein soll angesichts der Tatsache, dass wir im Moment schon nicht genügend Personal beim BAMF haben, da fehlen ja immer noch Tausende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich sehe nicht, wie es jetzt gehen soll, dass das in Transitzonen mit dem Personal und auch noch schneller geschehen soll.

Die Beschleunigung der Verfahren ist zentral, damit die Leute wissen, woran sie sind, ob sie zurückkehren müssen oder ob sie hier integriert werden. Aber es macht wenig Sinn, mit zu wenig Personal jetzt an bestimmten Stellen für solche Zentren sorgen zu wollen, die nichts weiter sind als ein Versuch, bestimmte Leute in der Union zu beruhigen.
Einreisezentren, in denen registriert wird, in denen die Leute Aufklärung bekommen, sind eine gute Sache. Aber sie sollten in den Ländern sein und nicht in Grenznähe.
Ich bin nach wie vor sehr entsetzt darüber, dass ausgerechnet die beiden Unionsparteien sich darauf geeinigt haben, dass der Familiennachzug beschränkt werden soll. Familie ist ja eigentlich gerade in der Union, gerade bei den Parteien mit dem C ein Wert an sich. Das trägt man als großes Schild immer vor sich her. Wenn es dann drauf ankommt, dann macht man genau an dieser Stelle eine Verschlechterung. 

Und ich kann nicht verstehen, dass der Ladenhüter wieder rausgeholt wird, dass die Integrationsmaßnahmen von der Grundversorgung abgezogen werden sollen, also nach dem Motto: Man kann ja ein bisschen weniger essen, damit man mehr Deutsch lernen kann. Das ist eine absurde Idee, und die sollten die Unionisten ganz schnell wieder einpacken.

Rechtsextremismus:
Bei der Frage der Flüchtlinge kommt ein weiteres Thema auf den Tisch, nämlich die drastische Zunahme von rechtsextrem motivierten Straftaten. Das sind inzwischen 600, und wir müssen uns große Sorgen darum machen, dass es nicht nur mehr Straftaten werden, sondern wir brauchen endlich ein abgestimmtes Lagebild darüber, ob diese Straftaten von Tätern begangen werden, die miteinander verbunden sind. 
Wir wissen, es gibt über Facebook sehr viele Kontakte untereinander. Wir müssen wissen, ob es eine Verbindung zu Pegida, zu rechtspopulistischen Parteien, zu deren Ablegern gibt. Und wir müssen wissen, inwieweit diese Straftäter in der Ermittlung bei der Aufklärung zur Verantwortung gezogen werden. Es gibt immer wieder Berichte darüber, dass die Aufklärungsquote sehr gering ist. Deswegen haben wir mit einer Anfrage an die Bundesregierung dafür gesorgt, dass diese Zahlen auf den Tisch kommen und dass die Frage nach der Verbindung zwischen den Tätern endlich geklärt wird.

Wir müssen dringend aus dem NSU-Skandal lernen. Wir müssen aus den Verbrechen, aus den organisierten Verbrechen des NSU lernen und können es uns nicht leisten, an dieser Stelle die gleichen Fehler zu wiederholen. Und deswegen dringe ich sehr darauf, dass wir ein solches Lagebild der Sicherheitsbehörden bekommen und dass klar ist, welche Verbindungen herrschen – und übrigens auch wie die realen Zahlen sind. Wir erleben nämlich, dass die offiziellen BKA-Zahlen zum Beispiel bei den Brandanschlägen deutlich niedriger sind als beispielsweise die der Antonio-Amadeu-Stiftung. Auch das ist nicht gerade vertrauensbildend.

VW:
Es ist schon erstaunlich, dass Herr Dobrindt mit großem Tamtam eine Kommission einsetzt, sich als Chefaufklärer generiert und am Schluss ist es wieder die amerikanische Umweltbehörde, die weitere Skandale im Zusammenhang mit VW aufdeckt. Ich verlange von der Bundesregierung, dass sie ernst nimmt, dass es hier um eine strategisch sehr wichtige Frage für den Erfolg der deutschen Wirtschaft geht.
Im Moment ist Made in Germany nicht mehr ein Gütesiegel, sondern sowas wie ein Warnsignal. Das kann uns nicht egal sein. Und ich erwarte von Herrn Dobrindt, dass er wirklich mit dafür sorgt, dass seine Kommission nicht nur dasitzt und sich miteinander unterhält, sondern dass da tatsächlich Aufklärung passiert. Dass es geht, sehen wir daran, dass die Umweltbehörde der Vereinigten Staaten das tut. Wir haben es hier mit einem drastischen Versagen des Verkehrsministers zu tun. Und ich frage mich natürlich auch, warum der Wirtschaftsminister sich nicht dahinterklemmt, denn es geht hier ja tatsächlich um einen sehr großen Industriezweig, und wir wissen, dass das, was bei VW passiert, sich auch auf den Rest der Automobilindustrie auswirkt und das eine große Vertrauensfrage ist.

DFB:
Beim DFB muss man sagen, wenn man sich die alten Männer des DFB anschaut, dann ist ihnen nicht gelungen, tatsächlich zur Aufklärung beizutragen. Herr Niersbach hat sich hinter mehreren Anwälten versteckt. Der DFB ist dem Sportausschuss ferngeblieben. Wir hatten Herrn Niersbach ja dorthin eingeladen mit der Bitte um Aufklärung. Das ist nicht geschehen. Und offensichtlich steht sich der DFB da eher selbst im Weg, als dass er zur Aufklärung beiträgt. Wir brauchen eine personelle Neuaufstellung und eine strukturelle Neuaufstellung beim DFB. Aber es muss auch eine Aufklärung geben, inklusive eines Beitrags der Bundesregierung, weil wir ja wissen, dass auch das Ministerium beteiligt war bei der Frage der Vorauswahl, bei der Frage, wie sollen die WM-Stätten eigentlich aussehen. Und insofern ist hier tatsächlich ein Zusammenwirken aller Kräfte angesagt. Das haben die Fans nicht verdient, das haben die Sportlerinnen und Sportler nicht verdient, dass der deutsche Sport jetzt in Zusammenhang gestellt wird mit Korruption und Hinterzimmerpolitik.


BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

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