Tausende weitere Risse in belgischen Atomkraftwerken
Greenpeace: Sämtliche Reaktoren weltweit müssen überprüft werden
Hamburg/ Brüssel, 17. 2.
2015 – Tausende neu festgestellte Risse in den Reaktordruckbehältern
der beiden belgischen Atomreaktoren Doel 3 und Tihange 2 haben
möglicherweise schwerwiegende Konsequenzen für sämtliche Atomkraftwerke
weltweit. Zwei renommierte Materialwissenschaftler warnten am Freitag
nach ihrer Neubewertung der Funde davor, die Risse könnten durch ein
bisher unbekanntes Phänomen der Materialermüdung entstanden sein. Davon
könnten auch die deutschen Atomkraftwerke betroffen sein. Greenpeace
fordert, sämtliche 439 Reaktoren weltweit genau zu überprüfen. „Wie so
oft bei Atomkraftwerken wurde die Tragweite des Problems offensichtlich
verkannt“, sagt Heinz Smital, Kernphysiker und Atomexperte von
Greenpeace. „Es ist dringend notwendig, die Risse im Metall ernster zu
nehmen als bisher und weltweit umfangreiche Untersuchungen
durchzuführen.“
Atomaufsicht verweigert Greenpeace die Untersuchungsberichte
Als ein mögliches
„globales Problem der Atomkraftwerke“ bezeichnete der Leiter der
belgischen Atomaufsicht FANC (Federal Agency for Nuclear Control), Jan
Bens, die
Risse in den Druckbehältern. Bens empfiehlt ebenfalls eine globale
Untersuchung der Atomanlagen. Greenpeace hat in Belgien auf Herausgabe
aller Untersuchungsdokumente geklagt und dieses Verfahren im Januar auch
gewonnen. Die belgische Atomaufsicht verweigert jedoch bisher die
Übergabe mit der Begründung, die Papiere zunächst auf etwaige
Verschlusssachen überprüfen zu müssen.
Bereits im Sommer
2012 wurden bei der Revision des belgischen Reaktors Doel 3 mit
Ultraschalluntersuchungen unerwartete feine Risse im Stahl des
Reaktordruckbehälters festgestellt. Wenig später entdeckten Inspekteure
ähnliche Risse im Druckbehälter des Reaktors Tihange 2. Experten
deuteten die Risse als sogenannte Wasserstoffflocken, Fehleinschlüsse
bei der Herstellung des Reaktors. Daher wurden hauptsächlich alte
Herstellungsunterlagen gesichtet. Eine komplette und genaue Untersuchung
der Reaktordruckbehälter blieb aus. Herstellungsfehler konnten jedoch
nicht belegt werden. Die Atomaufsicht ordnete weitere Tests an und
veröffentlichte im Dezember 2014, dass dabei weitere Tausende Risse in
den Druckbehältern gefunden worden waren, deutlich mehr als erwartet.
Insgesamt wurden 13.047 Risse im Reaktor Doel 3 und 3149 Risse im
Druckbehälter von Tihange 2 entdeckt.
Der Druckbehälter
ist das Herzstück eines Atomreaktors, er beinhaltet unter anderem die
hochradioaktiven Brennelemente, hier findet die nukleare Kettenreaktion
statt. Ein plötzliches Versagen des Druckbehälters ist in den
Auslegungen der Atomreaktoren nicht vorgesehen und könnte zu
katastrophalen Freisetzungen radioaktiver Strahlung führen.

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