26. Februar 2015

Deutsche Umwelthilfe: Staat muss Spritverbrauchsangaben kontrollieren



Angaben zum Kraftstoffverbrauch weichen durchschnittlich um rund 38 Prozent ab – Dem Staat fehlen so jährlich etwa 1,4 Milliarden Euro an Kfz-Steuereinnahmen – In den USA wurden Mercedes-Benz und BMW zur Korrektur der Verbrauchswerte gezwungen

Berlin, 26.2.2015: Seitdem der CO2-Ausstoß mit über die Höhe der Kfz-Steuer entscheidet, ist zu beobachten, dass Autohersteller immer unrealistischere Verbrauchswerte an die Zulassungsbehörden melden. Das belastet den Geldbeutel der Käufer, führt zu hohen Kfz-Steuerausfällen und untergräbt die Klimaschutzbemühungen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert deshalb von der Bundesregierung, die Spritverbrauchsangaben umgehend staatlich nachkontrollieren zu lassen.

Der ehemalige Umweltminister Kaliforniens James Strock hat in den USA die rechtlichen Grundlagen für die Durchsetzung von Umweltstandards mitentwickelt. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der DUH erklärte er heute in Berlin, mit welchen Mitteln die USA dafür sorgen, dass Verbraucher korrekt über den Spritverbrauch bei Pkw informiert werden. Seit 2012 kontrolliert die Washingtoner Umweltbehörde „Environmental Protection Agency“ (EPA) durch eigene Tests die Angaben der Autohersteller. Bei festgestellten Verstößen werden die Werte korrigiert und Strafen gegen die Hersteller verhängt. Außerdem hilft die EPA betroffenen Autofahrern, ihre Schadensansprüche gegenüber der Industrie durchzusetzen.

Die EPA überprüft jährlich 15 bis 20 Prozent der Modellzulassungen per Zufallsauswahl und geht Hinweisen der US-Staaten, betroffenen Autohalter oder Verbraucherverbände nach. In den letzten drei Jahren wurden die Verbrauchswerte von fünf Herstellern und mehr als 1,4 Millionen betroffenen Fahrzeugen korrigiert: Kia, Hyundai, Ford, BMW und Mercedes mussten die offiziellen Verbrauchswerte um bis zu 18 Prozent ändern und insgesamt eine dreistellige Millionenstrafe zahlen.

„Dank dieser Nachkontrollen betrugen 2014 die aktuellen Abweichungen des Realverbrauchs der TOP 10 der amerikanischen Zulassungsstatistik gegenüber dem Normverbrauch nur zwei Prozent. Bei den zehn meistverkauften deutschen Pkw waren es hingegen 38  Prozent, Tendenz weiter steigend“, erläuterte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Die DUH hat im Februar 2015 die Verbrauchsangaben auf Spritverbrauchsportalen in Deutschland und den USA miteinander verglichen. „Die aktuelle Bundesregierung hat – wie auch die Regierungen vor ihr – ein großes Herz für die Automobilindustrie. Millionen Autofahrer, die von Falschangaben betroffen sind, werden alleine gelassen und erfahren – anders als in den USA – keinerlei Unterstützung.“

Um Autohalter zu unterstützen, die ihre Rechte bislang in kostspieligen Einzelklagen durchsetzen müssen, begleitet die DUH derzeit mehrere Zivilklagen. „Die Rechtsprechung ist klar: Der Bundesgerichtshof hält Abweichungen von mehr als zehn Prozent für nicht hinnehmbar. Zugleich existieren in den betreffenden EU-Verordnungen seit langem die gesetzlichen Grundlagen, die Nachkontrollen von Fahrzeugen bereits jetzt ermöglichen und Sanktionen erlauben“, sagte Rechtsanwalt Remo Klinger. Es sei nicht hinnehmbar, dass das für die Kontrollen zuständige Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) derart eklatanten Rechtsverstößen seit Jahren keine Beachtung schenke. Für Nachsicht mit den Automobilherstellern gebe es keinen Grund, so Klinger weiter.

Bislang werden Autos in Deutschland nur auf dem Papier sparsamer und emissionsärmer. Nach offiziellen Angaben des KBA ging der CO2-Ausstoß der Neuwagenflotte zwischen 2009 und 2013 von 154 auf 136 g CO2/km zurück. Korrigiert man diese offiziellen Werte allerdings mit den Daten, die vom International Council on Clean Transportation (ICCT) ermittelt wurden, kommt man zu einem anderen Ergebnis: Die DUH hat daraus errechnet, dass der CO2-Ausstoß durch die zunehmenden Abweichungen von Norm- zu Realverbrauch zwischen 2009 (184 g CO2/km) und 2013 (188 g CO2/km) sogar leicht angestiegen ist. Mitverantwortlich dafür sind immer leistungsstärkere Motoren und der Trend zu schweren SUVs.

Nach Meinung des internationalen Verkehrsberaters Axel Friedrich tricksen die Hersteller bei der Durchführung der Verbrauchstests im vorgeschriebenen Fahrzyklus immer dreister: „Während die Abweichungen vor zehn Jahren knapp zehn Prozent betrugen, liefern sich die Hersteller heute einen regelrechten Wettbewerb, mit immer neuen Tricks die Testverbräuche schönzurechnen. Im Test die Lichtmaschine abzuschalten, wie es beispielsweise ein süddeutscher Autohersteller tut, würde im realen Leben dazu führen, dass das Auto schnell stehen bleibt.“ Auf das gesamte Autoleben gerechnet, bedeute jeder Liter Mehrverbrauch für den Autohalter circa 3.000 Euro Mehrkosten. Dem Bundesfinanzminister seien allein im Jahr 2014 etwa 1,4 Milliarden Euro an Kfz-Steuereinnahmen entgangen.

Nach Ansicht der DUH wird auch der neue, weltweit einheitliche Fahrzyklus „Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedures“ (WLTP), der Ende des Jahrzehnts voraussichtlich eingeführt wird, daran nichts ändern. Ohne eine offizielle Nachprüfung und die Garantie, dass die Normverbräuche auch der Realität entsprechen, wird jeder andere Prüfzyklus falsche Werte produzieren. Eine offizielle staatliche Stelle, die Herstellerangaben stichprobenartig überprüft und konkreten Beschwerden von Autohaltern nachgeht, ist deshalb zwingend notwendig.

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