30. Mai 2017

Frankreich: Anti-Terror-Gesetze führen zu massiver Einschränkung der Versammlungsfreiheit


Der Notstand gehört auf den Prüfstand: Neuer Amnesty-Bericht dokumentiert unverhältnismäßiges Vorgehen französischer Sicherheitsbehörden  


BERLIN, 30.05.2017 – Mit dem neuen Bericht „A right, not a threat“ kritisiert Amnesty International, dass die Versammlungsfreiheit wegen des seit November 2015 geltenden Notstands unverhältnismäßig eingeschränkt wird. „Zwischen November 2015 und Mai 2017 haben die Behörden 155 Erlasse gegen öffentliche Versammlungen verfügt. Darüber hinaus wurde 574 Menschen die Teilnahme an Demonstrationen gegen die Arbeitsmarktreform der Regierung verboten“, sagt Maria Scharlau, Völkerrechtsexpertin bei Amnesty International in Deutschland.

„Als Reaktion auf die menschenverachtenden Anschläge von Paris im November 2015 hat die französische Regierung den Notstand ausgerufen und seitdem fünf Mal verlängert. In dieser Zeit haben die französischen Behörden das Recht auf Versammlungsfreiheit völlig unverhältnismäßig eingeschränkt und friedliches zivilgesellschaftliches Engagement unterdrückt“, erklärt Scharlau. „Französische Sicherheitsbehörden sind teilweise mit unangemessener Härte gegen einzelne Demonstranten vorgegangen: So verlor zum Beispiel im April 2016 ein 20-jähriger Student in Rennes während einer Protestaktion gegen die Arbeitsmarktreform durch ein Gummigeschoss sein linkes Auge.“ Nach Einschätzung der Street Medics, einer informellen Bewegung von Sanitätskräften, wurden während der Proteste gegen die Arbeitsmarktreform insgesamt rund 1000 Demonstranten durch die Polizei verletzt.

„Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Behörden die rechtlichen Möglichkeiten des Notstands ausnutzen, um lästige Proteste zurückzudrängen“, sagt Scharlau. „Emmanuel Macron hat im Wahlkampf damit geworben, er wolle das Versammlungsrecht in Frankreich schützen. Nun ist der neu gewählte Präsident gefragt, dieses Versprechen auch einzulösen“, so Scharlau. „Macron muss den Missbrauch von Anti-Terror-Maßnahmen stoppen. Der Notstand muss auf den Prüfstand – er darf nicht zum Dauerzustand werden."  

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