(BUP) Mehr Mittel für wirksame Naturschutzleistungen („dunkelgrüne“
Agrarumweltmaßnahmen) und eine professionelle gesamtbetriebliche
Naturschutzberatung für Landwirte forderte Prof. Beate Jessel,
Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), heute beim
Grünlandkolloquium in Oberelsbach (Kreis Rhön-Grabfeld).
Um den
Rückgang der Biodiversität tatsächlich aufzuhalten, müssen die zur
Verfügung stehenden Mittel in deutlich größerem Umfang für
Naturschutzleistungen der Landwirte eingesetzt werden. Mit sogenannten
„dunkelgrünen Maßnahmen“ können vor allem Maßnahmen für die
Biodiversität gefördert werden, wie beispielsweise die extensive Nutzung
von besonders artenreichem Grünland oder das Anlegen von Saumstreifen
später gemähter Grünlandflächen. „Darüber hinaus muss die Teilnahme an
Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (AUKM) für die Landwirtschaft
attraktiver werden“, sagte die BfN-Präsidentin. Dies müsse über eine
langfristige Verlässlichkeit sowie angemessene Prämien erreicht werden.
„Auch der gesamtbetrieblichen Naturschutzberatung für Landwirte muss
mehr Bedeutung zugemessen werden“, forderte Prof. Jessel. Damit ließen
sich nicht nur die ökologische Wirksamkeit der Maßnahmen steigern,
sondern auch größere Transparenz und damit Akzeptanz erreichen.
Die
BfN-Präsidentin begrüßte in diesem Zusammenhang eine Klarstellung der
EU-Kommission, nach der Flächen, auf denen AUKM stattfinden, nach Ablauf
der Verpflichtungsdauer wieder in den Ausgangszustand gebracht werden
dürfen und daher zum Beispiel auch entsprechende Ackerflächen ihren
Ackerstatus behalten und ohne eine verpflichtende Genehmigung nach
Ablauf der Agrarumweltmaßnahme weiter als Acker genutzt werden können.
Gegenteilige Befürchtungen, wie sie zuletzt auch vom Deutschen
Bauernverband (DBV) geäußert wurden, sind damit unbegründet und
Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen genießen weiterhin
Vertrauensschutz. Damit ist der erfolgreiche Weg des kooperativen
Naturschutzes weiterhin weit offen. „Es ist gut“, so Jessel weiter,
„dass die EU-Kommission noch einmal deutlich gemacht hat, dass
Landwirtinnen und Landwirte, die an Agrarumweltmaßnahmen teilnehmen,
keine Nachteile befürchten müssen. Dies würde auch dem Ziel der EU, die
GAP ökologischer zu machen, entgegenstehen.“
Als besonders
besorgniserregend ist aber die Tatsache zu werten, dass der Anteil des
Grünlands an der landwirtschaftlichen Fläche seit 2003 um rund fünf
Prozent gesunken ist. Entscheidende Faktoren für die Umwandlung in
Ackerflächen und damit für den wachsenden Druck auf das verbleibende
Grünland seien die Förderpolitik bei den erneuerbaren Energien im
Bereich der Biomasse (Energiewende) gewesen sowie die anhaltende
Intensivierung der Milchproduktion, die mit dem Wegfallen der Milchquote
in Teilen sogar noch zunehmen dürfte. Die Lage für das Grünland und in
der Folge auch für die Artenvielfalt wird somit immer prekärer. Dass
beim Grünland dabei nicht nur quantitativ, d.h. in der Fläche, sondern
auch in der Qualität gravierende Verschlechterungen zu verzeichnen
sind, zeigt unter anderem der so genannte High Nature Value
Farmland-Indikator. Die Daten belegen, dass das Grünland mit hohem
Naturwert alleine zwischen 2009 und 2013 um 7,4 Prozent abgenommen hat,
obwohl auf mehr als einem Drittel der landwirtschaftlich genutzten
Flächen Agrarumweltmaßnahmen gefördert wurden. „Diese Entwicklung ist
aus Sicht des Naturschutzes dramatisch“, sagte Prof. Jessel. „Umso
wichtiger ist es, das Instrument der Agrarumweltförderung im Sinne eines
tatsächlich wirksamen Schutzes des Grünlands und seiner typischen
Biodiversität auszugestalten und zu stärken.“
Hintergrund: Grünland und Biodiversität
Zum
Grünland gehören gedüngte und ungedüngte Wiesen und Weiden zur
Futtergewinnung, aber auch Mähwiesen zur Biomasse- und
Einstreugewinnung, sowie Naturschutzflächen wie Feuchtgrünland,
Magerrasen und Streuobstwiesen. Über ein Drittel aller heimischen Farn-
und Blütenpflanzen haben ihr Hauptvorkommen im Grünland (1.250 von 2.997
bzgl. Zugehörigkeit zu einer Vegetationseinheit und der Gefährdung
bewerteten Arten). Von den in Deutschland gefährdeten Arten der Farn-
und Blütenpflanzen haben sogar rund 40 % (das entspricht 822 Arten) ihr
Hauptvorkommen im Grünland. Die meisten Vogelarten, die auf Wiesen und
Weiden brüten, gehen wegen der hohen Intensität der landwirtschaftlichen
Nutzung deutlich im Bestand zurück. Bei den vorwiegend in Feuchtwiesen
am Boden brütenden Arten wie Kiebitz und Uferschnepfe setzen sich die
Bestandsverluste seit Jahrzehnten fort: Die Bestände des Kiebitz sind in
den letzten 20 Jahren auf ein Viertel geschrumpft, bei der Uferschnepfe
haben sie sich halbiert.
Mit dem Grünlandrückgang verlieren
insbesondere auch die auf ein reiches Blüten- und Nektarangebot
angewiesenen Insekten wie Bienen und Schmetterlinge ihre
Nahrungsgrundlage und ihren Lebensraum. In der aktuellen Roten Liste
zeigt sich, dass sich der negative Bestandstrend insbesondere der auf
Magerrasen und Trockenrasen vorkommenden Tagfalter-Arten und der in
Mähwiesen, Magerrasen und Heiden vorkommenden Bienen, fortgesetzt hat.
Die Ameisenbläulinge der Feuchtwiesen (z.B. Dunkler
Wiesenknopf-Ameisenbläuling, Maculinea nausithous) weisen einen starken
Rückgang auf. Anlass zur Sorge gibt dabei nicht nur der quantitative
Rückgang des Grünlands, der sich allein zwischen 1990 und 2009 auf
875.000 ha belief, sondern auch die qualitative Verschlechterung: Durch
Intensivierung der Landwirtschaft nehmen Intensivwiesen und Mähweiden
gegenüber biologisch vielfältigeren Grünlandflächen immer höhere
Flächenanteile ein. Im kürzlich veröffentlichten nationalen Bericht zur
FFH-Richtlinie, der den Erhaltungszu-stand der für den Naturschutz
wichtigen Lebensräume bewertet, steht bei den Grünlandlebensräumen im
kontinentalen und atlantischen Bereich bei keinem einzigen die Ampel auf
„Grün“, was einen guten Erhaltungszustand anzeigen würde.
Quelle: bfn.de
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