Die
Aufkündigung des mühsam erarbeiteten Friedensprozesses durch Präsident
Erdoğan ist unverantwortlich und ein schwerer Rückschlag für die
demokratische Türkei. Jetzt wird glasklar, dass es der Regierung in
Ankara in erster Linie nicht darum geht den IS zu bekämpfen, sondern vor
allem darum die Kurden zu schwächen. Erdoğan verfolgt mit seinem Krieg
jeder gegen jeden eine Kamikazestrategie, um bei Neuwahlen die er
offensichtlich anstrebt, die verhasste HDP aus dem Parlament zu drängen.
Der Mann der eigentlich Präsident aller Bürger in der Türkei ist,
spaltet wo er einen sollte und verfolgt damit vor allem seine eigenen
Allmachtsphantasien weiter.
Diese
Kehrtwende in der Kurdenpolitik kann dramatische innenpolitische Folgen
in der Türkei haben und sich auch auf Deutschland und andere Länder
auswirken. Die Anschläge der PKK verurteilen wir aufs Schärfste. Doch
die Antwort auf Gewalt kann nicht noch mehr Gewalt sein, sondern nur die
Rückkehr zum Verhandlungstisch.
Mit
viel Hoffnung verfolgten Türken, Kurden und Menschen überall auf der
Welt den von Erdoğan selber angestoßenen türkisch-kurdischen
Friedensprozess. Jetzt drohen alle Träume von einem friedlichen
Miteinander in der Türkei in Flammen aufzugehen. Der Eindruck drängt
sich auf, dass Erdoğan den Friedensprozess nur begonnen hat, um die
Stimmen der Kurden zu bekommen. Da diese nun aber in einer
demokratischen Wahl, wie viele andere Nichtkurden, die für eine offene,
demokratisch und europäische Türkei eintreten, eine andere Partei
gewählt haben, kehrt Erdoğan zurück zu militärischer Gewalt und
Polarisierung um seine egoistischen Ziele zu erreichen.
Durch
den Einzug der links ausgerichteten Minderheitenpartei HDP ins
türkische Parlament bei den Wahlen im Mai hat die AKP von Präsident
Erdoğan nicht nur ihre absolute Mehrheit verloren, sondern auch die
angestrebte Zweidrittelmehrheit verpasst. Mit dieser sollte die
Verfassung der Türkei zu einem Präsidialsystem umgebaut werden, das
einzig und allein auf Erdoğan zugeschnitten sein soll. Bei
wahrscheinlichen Neuwahlen hofft Erdoğan jetzt die HDP wieder aus dem
Parlament drängen zu können, indem er die Kurden diskreditiert und
kriminalisiert.
Deutschland
und die NATO dürfen diese Strategie Erdoğans auf keinen Fall mittragen.
Wir erwarten heute beim NATO-Gipfel scharfe Kritik der Bündnispartner
und politischen Druck auf die Türkei, damit diese endlich eine
konstruktive Rolle bei den zahlreichen Konflikten der Region übernimmt.
Bündnis 90/Die Grünen Bundestag
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen