Stuttgarter
Verwaltungsgericht setzt Landesregierung eine Zwei-Wochen-Frist, dem
Gericht mitzuteilen, dass die Diesel-Fahrverbote für
das Stuttgarter Stadtgebiet keine generellen Ausnahmen für die Anwohner
enthält und auch Diesel-Fahrzeuge der Abgasstufe Euro 5 umfassen werden
– Für den Fall, dass diese Punkte nicht nachgebessert werden, hat das
Gericht deutlich gemacht, das von der DUH
beantragte Vollstreckungsverfahren einzuleiten und der Landesregierung
ein erstes Zwangsgeld anzudrohen
–
Richter Kern ordnete Akteneinsicht in alle Protokolle, E-Mails und
rechtlichen Bewertungen des Leipziger Urteils durch den Landesanwalt
sowie Schriftwechsel mit den zuständigen Behörden
an und warnte davor, diese Unterlagen zu verändern oder unvollständig
zu übersenden
Stuttgart/Berlin, 29.6.2018:
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat gestern über den Antrag der
Deutschen Umwelthilfe (DUH) auf Zwangsvollstreckung
des rechtskräftigen Urteils vom 19. Juli 2017 zu Diesel-Fahrverboten in
der Landeshauptstadt nicht öffentlich verhandelt (AZ:13 K 3813/18).
Richter
Wolfgang Kern hat in großer Klarheit deutlich gemacht, dass die aktuell
durch die Landesregierung geplanten „Mini-Diesel-Fahrverbote“ nicht
ausreichend sind, um das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
(BVerwG) Leipzig vom 27.2.2018 umzusetzen.
Die
von der Landesregierung offensichtlich vorgesehenen pauschalen
Ausnahmen von Fahrverboten für alle Stadtbewohner Stuttgarts seien, so
das Gericht, mit dem höchstrichterlichen Urteil nach der
in der Anhörung mitgeteilten Würdigung des Gerichts unvereinbar. Umso
mehr gilt dies für den beabsichtigten Ausschluss von Euro-5-Fahrzeugen
von Fahrverboten.
Die
Landesregierung hat nun zwei Wochen Zeit, den aktuellen Entwurf des
Luftreinhalteplans nachzubessern und dem Gericht mitzuteilen, dass die
Diesel-Fahrverbote
für das Stuttgarter Stadtgebiet keine generellen Ausnahmen für die
Anwohner enthalten und zudem auch Diesel-Fahrzeuge der Abgasstufe Euro 5
umfassen. Für den Fall, dass diese Punkte nicht nachgebessert werden,
hat das Gericht deutlich gemacht, das von der
DUH beantragte Vollstreckungsverfahren einzuleiten und der
Landesregierung ein erstes Zwangsgeld anzudrohen.
Dies wäre
dann der Beweis dafür, dass die Landesregierung trotz eindeutiger
Hinweise des Verwaltungsgerichts nicht gewillt ist, ihren
rechtsstaatlichen Verpflichtungen zur Umsetzung von Urteilen
nachzukommen.
Rechtsanwalt
Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt: „Niemand
kann nach der gestrigen mündlichen Erörterung mehr sagen, man hätte
nicht gewusst, was zur Umsetzung des Urteils zu tun ist.“
Das
Gericht zeigte sich über die fortgesetzte Verzögerungstaktik bei der
Luftreinhaltung massiv verärgert und wies die Landesregierung darauf
hin, dass
die Behörden für den Schutz aller Menschen da seien, nicht nur für den
Schutz der Autofahrer. „Wir werden vielleicht das erste
Verwaltungsgericht sein, das über eine Zwangshaft für politische
Mandatsträger oder Behördenleiter beschließt“, sagte
Richter
Kern bei dem gestrigen Erörterungstermin. Das Gericht ordnete zudem
Akteneinsicht in alle Protokolle, E-Mails und rechtlichen Bewertungen
des Leipziger Urteils durch den Landesanwalt sowie dessen Schriftwechsel
mit den zuständigen Behörden an und warnte davor, diese Unterlagen zu
verändern oder unvollständig zu übersenden.
„Die
geplante Herausnahme gerade der schmutzigsten Diesel der Abgasstufe
Euro 5 aus den Fahrverboten zeigt die unveränderte Fernsteuerung dieser
Landesregierung aus den Konzernzentralen der
Autohersteller. Warum kämpft das grün-schwarze Landeskabinett so
verbissen gegen wirksame Maßnahmen für die Saubere Luft in Stuttgart
an?“, so
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
DUH
beantragt wegen der offensichtlichen Fernsteuerung der Landesregierung
Akteneinsicht über alle Kontakte des Staatsministeriums beziehungsweise
des Verkehrsministeriums zur Automobilindustrie
seit dem Urteil des BVerwG in Leipzig vom 27.2.2017.
Die
internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth hatte das
Revisionsverfahren am Bundesverwaltungsgericht Leipzig unterstützt.
Ugo Taddei, Rechtsanwalt von ClientEarth sagt:
„Baden-Württemberg zeigt trotz einer Vielzahl von
Verwaltungsgerichtsverfahren und einer eindeutigen Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts einen beeindruckenden Widerwillen, gegen die
illegale Luftverschmutzung vorzugehen. Die Landesregierung
ignoriert die Menschen, deren Gesundheit Tag für Tag durch das
Dieselabgasgift gefährdet ist. Das Gericht hat nun ein klares Ultimatum
gestellt: Die Behörden müssen alles Notwendige tun, um die
Luftverschmutzung zu bekämpfen, oder es wird Sanktionen geben.“
Hintergrund:
Das
BVerwG hat am 27. Februar 2018 entschieden, dass zonen- und
streckenbezogene Diesel-Fahrverbote zulässig sind, um die
Luftschadstoffwerte für Stickstoffdioxid (NO2) einzuhalten. Ebenso hat
es festgestellt, dass nach den tatsächlichen Feststellungen des
verwaltungsgerichtlichen Urteils in Stuttgart keine andere Maßnahme zur
Hand ist, mit der der Grenzwert ebenso schnell eingehalten werden kann
wie mit den zulässigen Fahrverboten.
Am
26. März 2018 hat die DUH den Antrag auf Zwangsvollstreckung gegen das
Land Baden-Württemberg gestellt. Ziel ist die Umsetzung des von der DUH
erstrittenen Urteils für „Saubere Luft“ des Verwaltungsgerichts
Stuttgarts vom 19. Juli 2017, das nunmehr durch die Entscheidung des
BVerwG rechtskräftig ist.
Die
DUH hatte am 17. November 2015 Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart
eingereicht. Am 19. Juli 2017 hat das VG Stuttgart der Klage der DUH
stattgegeben und den vorliegenden Entwurf des Luftreinhalteplans
für unwirksam erklärt.
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