Nach
dem Offenbarungseid der Bundesregierung beim Klimaschutzplan gerade im
Verkehrsbereich sind drastisch verschärfte Grenzwerte für den
Spritverbrauch
und damit den CO2-Ausstoß von Neufahrzeugen unverzichtbar – DUH fordert
Bundeskanzlerin Merkel auf, ihre Richtlinienkompetenz endlich für Klima
und Menschen und nicht länger zur Profitsteigerung der Autokonzerne
auszuüben – Scheitern der Klimaschutzvorgaben
für den Verkehrssektor birgt enormes Kostenrisiko in Milliardenhöhe
durch Ausgleichszahlungen
Berlin, 21.6.2018
Vor dem am 25. Juni 2018 stattfindenden Treffen der europäischen
Umweltminister zur Fortschreibung der CO2-Flottengrenzwerte
bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen nach 2021 muss sich die
Bundesregierung auf eine gemeinsame Haltung einigen und ambitionierte
Grenzwerte gegen den Widerstand der Autokonzerne durchsetzen. Die
Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert die sich gerne als Autokanzlerin
gerierende Angela Merkel sowie die Bundesminister Andreas Scheuer und
Peter Altmaier auf, sich in Brüssel für eine an den verbindlichen
Klimaschutzzielen orientierte Weiterentwicklung der Flottengrenzwerte
einzusetzen. Dazu sind nach Ansicht des Umwelt- und
Verbraucherschutzverbandes die Festsetzung absoluter Grenzwerte
anstelle prozentualer Reduktionsziele sowie eine Kontrolle der
Einhaltung der Emissionen im realen Fahrbetrieb unerlässlich.
Ein
Viertel der europäischen Treibhausgasemissionen stammt aus dem
Verkehrssektor. In Deutschland stiegen 2017 die Emissionen sogar an. So
gestand Umweltministerin Svenja Schulze nicht nur ein,
dass Deutschland das nationale CO2-Einsparziel von 40 Prozent bis 2020
um acht Prozent verfehlen wird. Diese Woche bestätigte die Ministerin
zudem Berechnungen der Umweltverbände, dass die realen Zahlen noch viel
schlechter ausfallen werden, da im aktuellen
Klimaschutzplan von unrealistischen Annahmen ausgegangen wurde.
Die
deutsche Umweltministerkonferenz forderte am 8. Juni 2018 die
Bundesregierung auf, sich für die Ausgestaltung ambitionierter
CO2-Flottengrenzwerte für Pkw in Brüssel einzusetzen. Umweltministerin
Schulze hatte vorgeschlagen, den CO2-Ausstoß für Neuwagen um 50 Prozent
bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 2021 zu reduzieren. Sie geht damit
über den Vorschlag der EU-Kommission von einer Minderung um nur 30
Prozent hinaus. Den Vorschlag des federführenden
Bundesumweltministeriums lehnt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer
jedoch ab und spricht von „politisch-ideologischen“ Grenzwerten. Auch
aus dem Bundeswirtschaftsministerium fehlt bislang die Unterstützung
dieser nach Ansicht der DUH nicht ausreichenden
Forderung des BMU. Die DUH fordert ein Minderung des Flottengrenzwerts
um 60 bis 70 Prozent bis 2030.
„Eine
ambitionierte Weiterentwicklung der Flottengrenzwerte brauchen wir
nicht nur, um das Pariser Klimaschutzabkommen sowie den nationalen
Klimaschutzplan 2050 einzuhalten“, betont
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH.
Der Verkehrssektor muss wie andere Sektoren, die nicht in den
Emissionshandel (ETS) eingebunden sind, im Rahmen des sogenannten
Effort-Sharing-Beschlusses verbindliche CO2-Reduktionsziele
bis 2030 vorweisen. „Ohne wirksame Flottengrenzwerte für die Jahre
2025 und 2030 werden wir dieses Reduktionsziel nicht einhalten können.
In der Konsequenz muss Deutschland zulasten des Steuerzahlers
Emissionsrechte von anderen EU-Ländern erwerben. Damit
ist der Verbraucher hierzulande doppelt geschädigt: einmal durch
anhaltend hohe Verbrauchswerte auch moderner Fahrzeuge, zum anderen
durch erhöhte Steuerlast, die das Nichtstun der Industrie ausgleichen
muss. Die Minister für Verkehr und Wirtschaft, die heute
mit kurzsichtigem Protektionismus ihre Hand über die Hersteller halten,
werden dies verantworten müssen“, so Metz weiter.
Der
deutsche Projektionsbericht 2017 im Auftrag des
Bundesumweltministeriums prognostiziert für den Zeitraum 2021 bis 2030,
dass in den Sektoren Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfall
(Nicht-ETS-Sektoren)
bis zu 300 Millionen Tonnen CO2 zu wenig eingespart werden. Für die
dafür zu erwerbenden Emissionsrechte ab 2021 werden die Preise im
europäischen Binnenmarkt ansteigen, so dass die Bundesregierung mit
Kosten in Milliardenhöhe rechnen muss.
Die
DUH sieht derzeit außerdem nicht einmal die effektive Umsetzung der
geltenden Flottengrenzwerte als gegeben. Eine am 9. April 2018
veröffentlichte Studie des Verbands
Transport and Environment (T&E) zeigte erneut, dass die
CO2-Emissionen von Neufahrzeugen in der EU real nicht sinken, sondern im
Durchschnitt um 42 Prozent höher ausfallen, als die offiziellen
Herstellerangaben glauben machen. Die Autohersteller werden daher
den für 2021 festgelegten EU-Flottengrenzwert für Pkw nur auf dem
Papier erreichen. Der Hauptgrund für diese Abweichung: Gegenwärtig gibt
es in Deutschland oder anderen europäischen Staaten keine konsequente
Überwachung der Spritverbrauchsangaben durch die
zuständigen Behörden oder unabhängige Prüfeinrichtungen.
Die
DUH und andere Umweltverbände fordern daher für das Jahr 2030 einen
absoluten Grenzwert von 40 g CO2/km im realen Betrieb. Dies entspricht
einer CO2-Minderung um 60 bis 70 Prozent. Dieser
Wert ist Voraussetzung für den Pfad in Richtung vollständiger
Dekarbonisierung des gesamten Pkw-Bestandes bis zum Jahr 2050 - einer
der zentralen Voraussetzungen zur Einhaltung des Pariser
Klimaabkommens.
Neben
einer Nachschärfung des Vorschlags muss die EU-Kommission
schnellstmöglich ein Testverfahren für die Ermittlung der CO2-Emissionen
auf der Straße entwickeln. Dieses Verfahren soll ab 2024
in das Zulassungsverfahren für neue Pkw-Typen einfließen. Für dieses
Jahr schlägt die EU-Kommission eine Überprüfung der neuen CO2-Verordnung
vor. Nur Straßentests zusammen mit einer wirksamen Marktüberwachung
können die Einhaltung der Werte und damit eine
faktische Minderung von CO2-Emissionen im Realbetrieb sicherstellen.
Links:
·
Studie T&E „CO2 emissions from cars: The facts”:
https://www.transportenvironment.org/publications/co2-emissions-cars-facts
·
Positionspapier CO2-Grenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge:
https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Projektinformation/Verkehr/CO2-Minderung/2018-04-13_CO2-Grenzwerte_Positionspapier_final.pdf
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