29. März 2017

Deutsche Umwelthilfe stellt bei Winter-Abgastests von Euro 6 Diesel-Pkw auf der Straße bis zu 17,2-fache Überschreitungen der Stickoxid-Grenzwerte fest


Berlin (ots) - Euro 6 Diesel-Pkw im Winter deutlich schmutziger als Euro 4 Diesel - Negative Spitzenreiter aus deutscher Produktion sind die Mercedes B-Klasse, Opel Zafira Tourer sowie die Mercedes C-Klasse - Vier der getesteten Diesel-Pkw erreichen nicht einmal den Euro 1 Grenzwert von 1992: Fiat 500x, Renault Captur, Volvo S90 sowie Mercedes B-Klasse - Zwei Fahrzeuge halten den Grenzwert ein und zeigen damit die Machbarkeit einer wirksamen Abgasreinigung - DUH begrüßt die im März eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungen gegen Renault in Frankreich und Daimler in Deutschland - DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch wirft der Bundesregierung rechtswidrige Absprachen mit den Autokonzernen vor

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) stellt ihre Winter-Abgasuntersuchung von 16 neuen Diesel-Pkw im realen Straßenbetrieb vor. Anders als die im September 2016 präsentierten Sommer-Messungen fanden die Tests bei zwischen September und März typischen niedrigen Außentemperaturen statt. Das Ergebnis ist alarmierend: Lagen die Stickoxidemissionen (NOx)bei den Messungen im Sommerhalbjahr maximal 9,2-fach über dem Grenzwert von Euro 6, so stiegen sie bei den Wintermessungen bis zum 17,2-fachen an. Die Winter-Abgasmessungen der DUH zeigen für die untersuchten Euro 6 Diesel-Pkw, dass deren giftige NOx-Emissionen auf der Straße sogar noch höher sind als die von Euro 4 Diesel-Pkw. "Damit sind die generellen Ausnahmen von den Fahrverboten für Euro 6 Diesel-Pkw vom Tisch", so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Die DUH enthüllte im Januar 2016 erstmals die rechtswidrige Abschaltung einer ordnungsgemäßen Abgasreinigung bei Mercedes, und mittlerweile bei allen untersuchten Herstellern von Diesel-Pkw. Fiat/Chrysler deaktiviert bereits unter +19 Grad Celsius, Opel, Daimler (Mercedes A-/B-Klasse), Porsche und Renault bei unter +17 Grad Celsius und Daimler (ab C-Klasse) bei unter + 10 Grad Celsius. Hierbei handelt es sich eindeutig um illegale Abschalteinrichtungen.

Die Messungen der DUH im Rahmen ihres Emissions-Kontroll-Instituts (EKI) fanden daher bei Außentemperaturen zwischen -5 Grad Celsius und maximal +16 Grad Celsius statt. Untersucht wurden 15 Diesel-Pkw der Abgasnorm Euro 6 sowie ein Euro 5-Fahrzeug.

Zwei der drei schmutzigsten Fahrzeuge aus deutscher Produktion stammen aus dem Haus Daimler: Negativer Spitzenreiter in dieser Gruppe ist der Mercedes B 180 d (1.039 mg NOx/km) mit 13-facher Grenzwertüberschreitung. Der Opel Zafira Tourer 1,6 CDTi (995 mg NOx/km) mit 12,4-facher und schließlich der Mercedes C 220 d (770 mg NOx/km) mit 9,6-facher Überschreitung.

Die vier insgesamt schmutzigsten Diesel-Fahrzeuge halten nicht einmal den 1992 gültigen Euro 1-Grenzwert ein. Negativer Gesamt-Rekordhalter ist der Fiat 500X 2.0 Cross 4x4 mit einem Wert von 1.380 mg NOx/km und damit einer 17,2-fachen Überschreitung des gesetzlich vorgeschriebenen EU-Grenzwerts von 80 mg NOx/km. Darauf folgen Renault Captur 1.5 dCi 110 mit 1.316 mg NOx/km (16,5-fache Überschreitung des EU-Grenzwerts), Volvo S90 4D mit 1.076 mg NOx/km (13,4-fache Überschreitung), Mercedes B 180 d mit 1.039 mg NOx/km (13-fache Überschreitung).

Zwei Fahrzeuge halten den EU-Grenzwert ein und zeigen damit, dass eine wirksame Abgasreinigung auch bei winterlichen Temperaturen technisch machbar ist: Die Mercedes E-Klasse 200d der neuen Motorgeneration (654) mit 43 mg NOx/km sowie der Audi A5 2.0 TDI mit 40 mg NOx/km.

"Während die Bundesregierung eine Aufarbeitung des Diesel-Abgasskandals weiterhin aktiv behindert, ermitteln die französischen und amerikanischen Behörden sowie seit vergangener Woche die Stuttgarter Staatsanwaltschaft nun offiziell gegen Renault bzw. Daimler. Die von der DUH aufgedeckte Abschaltung der ordnungsgemäßen Abgasreinigung im Winterhalbjahr wird von diesen ebenso als illegal angesehen wie das Verschweigen dieses kriminellen Akts gegenüber den Kunden in der Werbung für Diesel-Fahrzeuge", sagt Jürgen Resch.

Die DUH hat seit Oktober 2015 bis heute unter anderem den amerikanischen, französischen und deutschen Behörden sowie der Stuttgarter und Frankfurter Staatsanwaltschaft kontinuierlich Untersuchungsergebnisse zur Verfügung gestellt. Während Bundesverkehrsminister Dobrindt für sich und sein Ministerium seit nunmehr 18 Monaten jegliche offiziellen Gespräche mit der DUH verweigert und sich ausschließlich mit der Automobilindustrie abspricht, haben die französischen und amerikanischen Behörden sowie die Stuttgarter Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren gegen die entsprechenden Hersteller eingeleitet. Gespannt wartet die DUH auf die noch ausstehende Entscheidung der Frankfurter Staatsanwaltschaft zur DUH-Strafanzeige gegen Opel-Chef Neumann wegen Abgasbetrugs.

"Die Technik zur Einhaltung der Grenzwerte auch bei niedrigen Umgebungstemperaturen ist vorhanden. Nur um Geld zu Lasten der Gesundheit der Menschen und der Umwelt zu sparen, bauen die meisten Hersteller schlechte Abgasreinigungstechnik in die Autos ein. Entweder halten die Diesel-Pkw die Abgasgrenzwerte auf der Straße ein oder der Diesel-Motor hat in Pkw keine Zukunft", so der internationale Verkehrsexperte Axel Friedrich.

Hintergrund:

Die EU-Zulassungsvorschrift 692/2008 verlangt unmissverständlich die volle Funktionstüchtigkeit der Abgasminderung auch im Winterhalbjahr bei Außentemperaturen von bis zu -15 Grad Celsius. Zitat: "Der Hersteller muss gewährleisten, dass das Emissionsminderungssystem unter allen auf dem Gebiet der Europäischen Union regelmäßig anzutreffenden Umgebungsbedingungen und insbesondere bei niedrigen Umgebungstemperaturen seine Emissionsminderungsfunktion erfüllt." Für die Temperatur von -15 Grad Celsius schreibt die Verordnung sogar spezielle Tests vor und schließt, dass eben auch bei dieser niedrigen Temperatur "das Emissionsminderungssystem ordnungsgemäß arbeiten kann".

Links:

Zu den Messergebnissen: http://l.duh.de/p170329 

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