• Umwelt- und Sozialstandards der Bank enthalten massive Schlupflöcher
• AIIB schließt Finanzierung klimaschädlicher Kohleprojekte nicht aus
• Gründungsmitglied Deutschland sollte stärkere Richtlinien einfordern zur Transparenz und zum Beschwerdemechanismus
Mumbai, 21.6.2018
Am kommenden Montag und Dienstag wird die Asiatische
Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) ihre Jahrestagung im indischen
Mumbai abhalten. Sie ist die erste multilaterale Bank unter chinesischer
Führung, an der westliche Staaten beteiligt sind. Seit ihrer Gründung
Anfang 2016 steht sie in der Kritik von Umwelt- und
Menschenrechtsgruppen wegen der drohenden Missachtung fundamentaler
Schutzkriterien bei den von ihr finanzierten Projekten. Zu Gast sein
werden in Mumbai neben Vertreter*innen von Regierungen auch solche aus
der Finanzwirtschaft und von Nichtregierungsorganisationen wie urgewald.
Die deutsche Bundesregierung vertritt bei der Tagung auch die
Interessen der Mitglieder aus der Eurozone innerhalb der AIIB.
Dr. Korinna Horta, Expertin für multilaterale Banken, ist für urgewald als kritische Beobachterin vor Ort. Sie kommentiert:
„Das Bundesfinanzministerium rechtfertigte Deutschlands Rolle als
Gründungsmitglied der AIIB damit, nur so für die Einhaltung
höchstmöglicher Standards für Menschen und Umwelt bei Projekten der AIIB
sorgen zu können. Doch nun zeigt sich, dass die chinesische Führung
wenig Interesse an Transparenzvorschriften hat, die für die Einhaltung
von Schutzstandards von fundamentaler Wichtigkeit sind. Es ist höchste
Zeit für die Bundesregierung sich dafür einzusetzen, dass das
AIIB-Management detaillierte Projektinformationen öffentlich zugänglich
macht.“
Die
Mission der AIIB ist es in große Infrastrukturprojekte in Asien, aber
auch außerhalb Asiens zu investieren. Solche Investitionen, die Bergbau,
Pipelines, Transportkorridore und große Staudämme einschließen, haben
nach bisherigen Erfahrungen immer wieder schwerwiegende und oft
irreversible Umwelt- und Sozialauswirkungen. Beispiele sind die
rücksichtslose Vertreibung oder erzwungene Umsiedlung ganzer Dörfer, die
Abholzung von Wäldern, Betrug und Korruption. Im Januar 2016 hat die
Bank daher Umwelt- und Sozialrichtlinien erlassen, etwa für die Prüfung
der Folgen für indigene Bevölkerungsgruppen, die besonders verletzlich
sind und besonderen Schutz genießen.
Die
Schlupflöcher bei diesen Richtlinien sind jedoch riesengroß. Ein
zentrales Problem ist, dass die AIIB auch die Anwendung von Regeln der
Nehmerländer zulassen will – wobei noch überhaupt nicht klar ist, wie
sie sicherstellen will, dass für betroffene Menschen und Umwelt hier
vergleichbare Schutzstandards wie bei der AIIB gelten. „Durch
das Outsourcing von Verantwortung will die AIIB neue Kunden gewinnen,
gleichzeitig missachtet sie den Anspruch von Menschen in betroffenen
Regionen gehört zu werden. Wollen sich Betroffene etwa gegen fehlende
Entschädigung oder Zwangsumsiedlung für einen Staudamm wehren, sind sie
von den oft korrupten und nicht funktionierenden Regierungsapparaten
abhängig“, so Horta. Hinzu kommen große Klima- und
Gesundheitsgefahren: Die Energiestrategie der AIIB schließt die
Finanzierung von Kohleprojekten, anders als etwa bei der Weltbank, nicht
aus.
Auch
die vor Kurzem vorgestellten Entwürfe für eine Transparenzrichtlinie
und einen Beschwerdemechanismus stellen Betroffene vor riesige Hürden.
Wollen sich betroffene Menschen beschweren, liegt die Beweispflicht
dafür, dass der Schaden bei einem Projekt aus fehlender Beachtung der
AIIB-Vorgaben entstanden ist, bei ihnen. Das setzt detaillierte Kenntnis
und eine gewisse juristische Interpretation der AIIB-Politikrichtlinien
voraus, außerdem sehr gute Englischkenntnisse, da die AIIB-Richtlinien
nur auf Englisch veröffentlicht sind. „Dies ist eine
unangemessene Bürde für betroffene Gemeinschaften, die oft in
abgelegenen ländlichen Regionen oder in marginalisierten Umständen
leben“, kritisiert Horta. „Es sollte genügen, dass sie den
Schaden oder den möglichen Schaden beschreiben und den Zusammenhang mit
einem von der AIIB finanzierten Projekt herstellen.“
Laut
der Transparenzrichtlinie soll AIIB-Präsident Jin Liqun viel
Entscheidungsmacht erhalten. Anfragen zur Veröffentlichung von
Dokumenten sollen zum Beispiel in einem vom Präsidenten zu bestimmenden
Zeitrahmen beantwortet werden. Der Präsident soll zum Teil auch
bestimmen können, wann Dokumente und welche Art von Dokumenten
öffentlich zugänglich gemacht werden. „Die Projekte der AIIB
könnten ganze Regionen wirtschaftlich prägen. Gerade deshalb muss die
Bank die Menschen vor Ort einbinden und sie frühzeitig sowie umfassend
über die von ihr finanzierten Projekte informieren.“
Horta
fordert eine klare Strategie von Deutschland und alliierten Staaten, um
solche Tendenzen innerhalb der AIIB zu verhindern: „Es wird für
Deutschland und die anderen Mitgliedsländer ein ständiger Kampf sein
sicherzustellen, dass die AIIB nicht zum Instrument für den Export einer
neuen Weltordnung wird, in der grundlegende Menschenrechte, die
Meinungs- und Versammlungsfreiheit und andere demokratische Werte
beiseitegeschoben werden.“
Weitere Informationen:Analyse der AIIB-Richtlinienvorschläge für Transparenz und für den Beschwerdemechanismus
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