Anlässlich des 5. Jahrestages der Aufdeckung des NSU erklären Irene Mihalic, Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss, und Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender:
Auch
fünf Jahre nach Aufdeckung des beispiellosen NSU-Terrors läuft die
notwendige politische Aufklärungsarbeit weiter auf Hochtouren. Sieben
Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern gehen aktuell den vielen
noch immer offenen Fragen auf den Grund. Leider wird die ohnehin
schwierige Aufklärungsarbeit durch die Blockadehaltung gerade des
Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) noch immer erheblich erschwert.
Wir haben daher aus heutiger Perspektive erhebliche Zweifel, ob der
Untersuchungsausschuss des Bundestages seine Arbeit in dieser
Legislaturperiode tatsächlich wird zufriedenstellend abschließen können.
Von der durch Kanzlerin Merkel gegenüber den Opferfamilien
versprochenen „lückenlosen Aufklärung“ sind wir noch weit entfernt.
Solange
zentrale Fragen ungeklärt bleiben, werden wir die parlamentarische
Aufklärung weiter entschlossen vorantreiben. Dies sind wir nicht nur den
Opfern schuldig. Die Aufklärung bleibt auch notwendig, um verloren
gegangenes Vertrauen in die Arbeit bundesdeutscher Sicherheitsbehörden
wieder herzustellen. Das BfV leistet bis heute keinen ausreichenden
Beitrag, um dieses Vertrauen wieder herzustellen: Akten werden entweder
gar nicht, unvollständig oder in chaotischer Anordnung geliefert.
Zentrale Zeugen des BfV können nicht vernommen werden. Wichtige
Informationen über möglicherweise NSU-relevante Vorgänge werden dem
Untersuchungsausschuss so lange verschwiegen, wie es opportun erscheint.
So war es bei der Panzerschrank-Affäre, als fast ein Jahr die
Information zurückgehalten wurde, dass neue Handys und SIM-Karten des
verstorbenen V-Manns Corelli gefunden wurden und auch in der Causa
Lingen, in der BfV und Generalbundesanwaltschaft (GBA) verschwiegen,
dass Lingen im Gegensatz zu seinen Aussagen vor dem
Untersuchungsausschuss längst gegenüber der GBA eingeräumt hat,
V-Mann-Akten vorsätzlich vernichtet zu haben. Erst der
Untersuchungsausschuss konnte diese in den Akten versteckte Aussage
Lingens ans Licht bringen.
Die
Rolle des BfV und seiner V-Leute bleibt zentral. Den zahlreichen
Anhaltspunkten, dass mehrere V-Leute zwar nah am NSU-Trio dran waren,
dass Morden jedoch nicht gestoppt wurde, muss zwingend weiter
nachgegangen werden. Aus heutiger Perspektive scheint es so, dass
V-Leute staatliches Wissen, staatlichen Schutz und staatliche Gelder für
die Zwecke der Nazi-Szene im Allgemeinen sowie des NSU-Trios im
Speziellen einsetzen. Wenn sich dieser Verdacht weiter erhärtet, müsste
die von der Großen Koalition legitimierte V-Leute-Praxis umgehend
gestoppt werden.
Wir
schulden den Opfern des NSU und ihren Familien, dass wir weiter
entschlossen aufklären, so lange es Aufklärungsbedarf gibt. Angesichts
deutlicher Anzeichen, dass sich rechte Terrorstrukturen im Windschatten
von PEGIDA und AfD neu formieren und bewaffnen, müssen wir
sicherstellen, dass Terror und Gewalt nicht - wenn auch ungewollt –
staatlicherseits begünstigt werden. Wir fordern daher vor allem das
Bundesamt für Verfassungsschutz auf, sich endlich proaktiv an der
Aufarbeitung zu beteiligen, die die Bundeskanzlerin nach Bekanntwerden
der NSU-Morde versprochen hat.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
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