28. Juni 2016

BND wird offiziell zur Massenüberwachungsmaschine

Zum Kabinettsbeschluss eines BND-Gesetzentwurfs erklären Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Obmann im NSA/BND-Untersuchungsausschuss, und Hans-Christian Ströbele, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium:
 
Vor drei Jahren erschütterten von Edward Snowden geleakte NSA-Akten die Welt. Deutlich wurde im Zuge der Aufklärung durch das Parlament, dass der Bundesnachrichtendienst sehr weitgehend und ohne ausreichende Rechtsgrundlage mit der NSA und anderen Diensten kooperiert.
Statt die notwendigen, wiederholt angemahnten rechtsstaatlichen Konsequenzen zu ziehen und die Massenüberwachung sowie die Verletzungen von EU-Grundrechtecharta und Grundrechten zu stoppen, sollen die hoch umstrittenen BND-Praktiken nun legalisiert werden.
 
Mit der Erfindung eines neuen „Unabhängigen Gremiums“ aus Bundesrichtern und Bundesanwälten dokumentiert die Bundesregierung ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Bundestag und der parlamentarischen Kontrolle durch die G-10-Kommission, nur weil diese nicht bereit war, alle Zumutungen des BND hinzunehmen und mitzumachen. Aber auch dieses neue Gremium, das nur alle drei Monate tagt, soll die Grundrechtseingriffe nicht vorher prüfen können, sondern wird von den getroffenen Anordnungen durch das Kanzleramt unterrichtet.
 
Mit ihrem Vorgehen dokumentiert die Bundesregierung noch vor Ende der Aufklärung des Untersuchungsausschusses ihre offenkundige Gleichgültigkeit gegenüber den Menschenrechten auf Kommunikationsfreiheit und Privatheit, der EU-Grundrechtecharta und dem Grundgesetz. Dass der Gesetzentwurf einer verfassungsrechtlichen Prüfung Stand halten wird, bezweifeln wir.
 
Glasfasern stellen heute das digitale Rückgrat moderner Demokratien dar, auf denen unterschiedslos alle Arten von Informationen verfügbar sind. Folglich greift die vom BND praktizierte Überwachung von Glasfasern am intensivsten in Grundrechte vieler Kommunikationsteilnehmer ein. Daher wäre eine Abkehr von dieser anlaslossen Massenüberwachung überfällig. Stattdessen aber forciert und verschleiert der Entwurf dieses Vorgehen nahezu vollständig, obwohl dies verfassungsrechtlich zwingend präzise zu regeln wäre. Auch und gerade vor dem Hintergrund der Ergebnisse des Untersuchungsausschusses hätten wir eine grundsätzliche Reform des Artikel 10-Gesetzes erwartet.
 
Glasklare gesetzliche Vorgaben wären geboten. Stattdessen lagert die Bundesregierung Regelungen zur Durchführung und technischen Umsetzung in geheime Verwaltungsvorschriften aus. Geheim bleiben sollen auch die Ziele und Verfahren der Datenanalyse in den geschaffenen Datenbanken. Zudem sieht der Entwurf Speicherzeiten von satten sechs Monaten für Verkehrsdaten vor. Die Voraussetzungen für den Einsatz von Glasfaserabgriffen und die anschließende Rasterfahndung sind uferlos und unbestimmt; selbst Einrichtungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten dürfen danach weiterhin überwacht werden. Ein „Abhören unter Freunden“ wird dem BND somit explizit erlaubt. Gänzlich ungeregelt bleiben die Zugriffe des BND im Ausland.
 
Der Entwurf verbessert nicht die Datenschutzstandards für Ausländer und verschlechtert sogar die für Deutsche gemäß dem geltenden G 10-Gesetz. Dieses Gesetz wäre nur gewahrt, wenn deutsche Grundrechtsträger sicher vor einer Erfassung herausgefiltert werden könnten. Im Untersuchungsausschuss wurde aber deutlich, dass der BND mangels funktionierender Filter millionenfach auch Grundrechtsträger erfasst und speichert.
 

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

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