Nichtregierungsorganisationen: BASF, Bayer &
Co. höhlen mit zweifelhaften Methoden Verbraucher- und
Umweltschutz aus / Lobbyisten verweigern Preisannahme
Brüssel, 3.11.2016.
LobbyControl, Corporate Europe Observatory (CEO), Friends of
the Earth Europe (FoEE) und WeMove.eu haben die European
Crop Protection Association (ECPA) und Crop Life America
(CLA) heute in Brüssel mit dem Negativpreis „Democracy for
Sale Award“ ausgezeichnet. Begründung: Die Pestizid-Lobby
nutzt die Verhandlungen zum EU-US Handelsabkommen TTIP, um
Regeln bei hormonell wirksamen Chemikalien,
Pestizid-Rückständen in Lebensmitteln und bienenschädlichen
Insektiziden zu verwässern. Dabei greift sie auf Methoden
zurück, die man von der Tabak- oder Ölindustrie kennt. ECPA
verweigerte die Annahme des Preises.
44.381 EuropäerInnen hatten
an einer Online-Abstimmung teilgenommen und dabei ECPA und
CLA, welche die Interessen von Konzernen wie BASF, Bayer
CropScience, Monsanto und Syngenta vertreten, zu den
„schlimmsten TTIP-Lobbyisten“ gewählt. Auf Platz 2 landeten
Lobbyverbände der Arbeitgeber, auf Platz 3 die Pharmalobby.
ECPA verweigerte heute die Annahme des Preises und begründete
dies mit dem Verweis auf die Demokratie und dem allgemein
positiven Nutzen von Pestiziden.
Die
NGOs dokumentieren in dem Hintergrundpapier
"Kumpel mit der Pestizidindustrie", wie ECPA und CLA
Regeln zum Schutz vor Pestiziden hinter verschlossenen Türen
aushebeln oder verzögern wollen. Geleakte Dokumente belegen,
wie dies der Pestizid-Lobby zum Beispiel bei hormonell
wirksamen Chemikalien (endokrine Disruptoren) bereits gelungen
ist.
„Der Ausverkauf der
Demokratie durch TTIP hat
schon begonnen, lange vor einer etwaigen Unterzeichnung des
Abkommens. Um sich des Vorsorgeprinzips endgültig zu
entledigen, verfolgt die Pestizid-Lobby eine Strategie des
„Zweifelsäens“ gegen den wissenschaftlichen Konsens, die man
von der Tabak-, Öl- und Kohleindustrie kennt. Durch TTIP
will sie zudem den Zugang zu Informationen blockieren, die für
die wissenschaftliche Forschung zu ungiftigen
Pestizid-Alternativen notwendig sind“, sagt Annette Sawatzki von
LobbyControl. „ECPAs Weigerung, den Preis anzunehmen und
sich dabei auf die Demokratie zu berufen, spricht Bände. Zur
Demokratie gehören transparente Entscheidungsprozesse, die
möglichst viele Akteure einbeziehen. Bei TTIP sehen wir
leider genau das Gegenteil.“
Lora Verheeke, Handelsexpertin bei CEO, kritisiert: „Immer mehr Bürger in der EU und den USA sorgen sich, dass sie gefährlichen Pestiziden ausgesetzt sind. Dennoch arbeiten die großen Pestizidkonzerne und
die Europäische Kommission Hand in Hand, um TTIP und laschere Regeln bei Pestiziden voranzubringen.“
Fabian
Flues, Handelsexperte bei FoEE: „Der Democracy for Sale Award
zeigt, warum Handelsabkommen wie CETA und TTIP gestoppt werden
müssen. Sie sind so konzipiert, dass multinationale Konzerne
davon profitieren – auf Kosten von Mensch und Umwelt.“
Julia
Krzyszkowska von WeMove.eu: „Knapp 45.000 Menschen aus 32
Ländern haben ihre unbeliebteste Lobbygruppe gewählt. Sie
kritisieren damit auf ironische Weise ein reales Problem: den
exzessiven Konzerneinfluss auf die Politik, der uns alle
betrifft.“
Hintergrund
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Die Pestizid-Lobby setzt sich dafür ein, das europäische Vorsorgeprinzip durch das US-amerikanische Nachsorgeprinzip zu ersetzen. Dies hätte negative Auswirkungen für Verbraucher und Umwelt, wie ein Vergleich der aktuellen Praxis auf beiden Seiten des Atlantiks zeigt. So sind 82 in der EU verbotene Pestizide in den USA zugelassen, darunter neun krebserregende Stoffe, sowie sechs von der WHO als „extremely hazardous“ eingestufte Substanzen.
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Endokrine Disruptoren sind synthetische Stoffe, die in Plastik, Kosmetika oder Pestiziden vorkommen und ähnlich wie körpereigene Hormone wirken.Die von der WHO als „globale Bedrohung“ klassifizierten Stoffe stehen in Verdacht, schwere Gesundheitsschäden wie Intelligenzverlust, verminderte Spermienqualität oder Missbildungen der Geschlechtsorgane bei männlichen Neugeborenen zu verursachen. Eine jüngste Studie schätzt die damit verbundenen Gesundheitskosten auf europaweit mehr als 150 Milliarden Euro jährlich.
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Die Pestizid-Lobby hat es geschafft, enge persönliche Verbindungen in die Politik zu etablieren. So arbeiten mehrere Angestellte der EU, darunter auch zwei Ex-Mitglieder der Kommission, inzwischen bei ECPA.
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ECPA hat einen besonders privilegierten und frühzeitigen Einfluss auf die TTIP-Verhandlungen genommen. Bereits bei der Eröffnung der TTIP-Gespräche 2012 schrieb die Generaldirektion Handel der EU-Kommission in einer E-mail an ECPA: „Die Europäische Pestizidindustrie ist einer der Schlüsselsektoren, an den wir uns wenden würden, wenn es um die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geht.“
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Weitere Hintergründe zum „Democracy for Sale Award“ und den anderen nominierten Lobbyakteuren finden sich unter https://www.democracyforsale.eu/de
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LobbyControl hat bereits im März 2016 aufgezeigt, wie groß der Lobbyeinfluss von Konzernen auf die TTIP-Verhandlungen ist.
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