(BUP) Rund eine halbe Million Europäerinnen und Europäer haben sich in
einer von der EU-Kommission initiierten Befragung gegen die Aufweichung
des Naturschutzes in der EU ausgesprochen. Nie zuvor verzeichnete eine
EU-Konsultation eine solche Resonanz. Dies ist vor allem auf die
Mobilisierungsaktion von 120 Umweltorganisationen in den 28
Mitgliedstaaten zurückzuführen, bei der bislang 469.236 (Stand 23. Juli,
12.00 Uhr) Menschen für eine Beibehaltung der bisherigen
Naturschutzrichtlinien stimmten. Die Konsultation endet am Freitag, den
24. Juli um Mitternacht.
Unter dem Motto "Nature Alert.eu“ hatten
auch hierzulande der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
(BUND), Naturschutzbund Deutschland (NABU), WWF Deutschland sowie der
Dachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) Bürgerinnen und Bürger
aufgerufen, sich an der Konsultation zur Zukunft der
EU-Naturschutzrichtlinien zu beteiligen. Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker habe mit der Befragung den Weg für ein
Naturschutzrecht ebnen wollen, das sich stärker an den Interessen der
Wirtschaft orientiert, so der Vorwurf der Umweltschützer. Es zeichnet
sich jedoch ab, dass eine überwältigende Mehrheit der teilnehmenden
Bürgerinnen und Bürger Junckers Plänen zur Änderung des
Naturschutzrechts eine klare Absage erteilt hat. Anfang 2016 will die
EU-Kommission beschließen, ob sie die Rechtsvorschriften ändern wird
oder von den EU-Ländern eine bessere Durchsetzung der Regeln und mehr
Finanzmittel einfordert.
Sollte Junckers Initiative Erfolg haben,
befürchten die Umweltorganisationen eine massive Schwächung der
Vorschriften zum Schutz von Arten, Lebensräumen und Schutzgebieten.
Konkret geht es um die EU-Vogelschutzrichtlinie, die
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und das weltgrößte Schutzgebietsnetzwerk
Natura 2000. Die Umweltschützer verweisen auf eine Vielzahl von Studien,
wonach die Richtlinien bereits zur Rettung bedrohter Tierarten
beigetragen haben. Seeadler, Kranich, Wildkatze und Biber gehe es dank
ihnen heute wieder deutlich besser. Millionen Zugvögel wären ohne sie
auf ihrer Route in den Süden zum Abschuss freigegeben. Auch wären
deutlich mehr Moore und Feuchtgebiete trockengelegt, die letzten
unberührten Küstenabschnitte bebaut und viele Fledermausquartiere
zerstört worden. Dass die Artenvielfalt insgesamt dennoch schwindet,
liege vor allem an der naturzerstörerischen EU-Agrarpolitik sowie
unzureichender Finanzierung durch EU-Haushalt und die Mitgliedstaaten,
Personalmangel und zu laxer Durchsetzung der Richtlinien in den Ländern,
kritisieren die Umweltverbände.
Olaf Tschimpke, NABU-Präsident:
"Die Naturschutzrichtlinien der EU haben schon Millionen von Zugvögeln
das Leben gerettet und unzählige Naturschätze vor der Zerstörung
bewahrt. Jean-Claude Juncker sollte nicht funktionierende Gesetze
aufbohren, sondern die Agrarpolitik reformieren, deren
Subventionsmilliarden einen maßgeblichen Anteil am Schwund der
Artenvielfalt haben."
Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND:
"Proteste aus allen EU-Ländern haben in den vergangenen Wochen
eindrucksvoll gezeigt, dass die Menschen von den Politikern in Europa
aktive Hilfe beim Schutz des gemeinsamen Naturerbes erwarten. Was sie
nicht wollen, ist das Herumzerren an Gesetzestexten, um kurzfristige
Profitinteressen zu bedienen. Kommissionspräsident Juncker muss nun
dafür sorgen, dass die bewährten Naturschutzrichtlinien der EU besser
umgesetzt werden. Die ausreichende Finanzierung, auch in den deutschen
Bundesländern, ist dabei ein unverzichtbarer Baustein, praktische Hilfe
bei der Lösung von Konflikten ein anderer."
Leif Miller,
Vizepräsident des DNR: „Die EU-Kommission muss endlich begreifen, dass
fast 90 Prozent der Menschen in Europa den Verlust von Tier- und
Pflanzenarten für ein Problem halten. Dies haben knapp eine halbe
Millionen Europäerinnen und Europäer in nur zehn Wochen eindrucksvoll
unterstrichen, indem sie sich an der Kampagne beteiligt haben.
Europäische Deregulierungsbemühungen im Umwelt- und Naturschutz werden
nur den Europaskeptizismus verstärken.“
Christoph Heinrich,
Vorstand Naturschutz des WWF Deutschland: "Schutzgebiete sind eine
lohnende Investition. Die Natura-2000-Gebiete der EU erfordern jährlich
sechs Milliarden Euro, erbringen aber im gleichen Zeitraum
Umweltleistungen im Wert von bis zu 300 Milliarden Euro, zum Beispiel
sauberes Wasser, Klimaschutz und Erholungsräume. Der Naturschutz ist
ökonomisch hocheffizient und das Geld besser investiert als in
Subventionen einer naturschädlichen Landwirtschaft und
Regionalförderung."
Quelle: dnr.de
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