29. Oktober 2018

Ägypten: Unterdrückte Zivilgesellschaft braucht dringende Unterstützung der Bundesregierung


Der ägyptische Präsident Abdel Fattah Al-Sisi trifft am Dienstag (30.10.) Bundeskanzlerin Angela Merkel, um über die weitere Zusammenarbeit beider Staaten zu sprechen. Amnesty erinnert die Bundesregierung daran, die systematischen Menschenrechtsverletzungen durch die ägyptischen Behörden deutlich anzusprechen und ein Ende der massiven Unterdrückung der ägyptischen Zivilgesellschaft einzufordern. Am Montag protestieren Dutzende Amnesty-Aktivisten am Brandenburger Tor für Meinungsfreiheit in Ägypten.

BERLIN, 25.10.2018 – Die Menschenrechtslage im Ägypten unter Präsident Al-Sisi ist verheerend: Die ägyptische Regierung hat in den vergangenen Jahren Zehntausende Menschen willkürlich inhaftiert. Seit 2013 wurden 19 neue Gefängnisse gebaut. Misshandlung und Folter in Haft sind an der Tagesordnung, aber die Behörden ordneten Anfang 2017 die Schließung der Klinik des Nadeem-Zentrums an, der einzigen Einrichtung zur medizinischen und psychologischen Behandlung von Folterüberlebenden. Seit Mai 2017 haben die Behörden mindestens 500 Internetseiten blockiert. Sicherheitskräfte haben seit Dezember 2017 mindestens 28 Journalisten festgenommen.

„Wer in Ägypten unter der Regierung Al-Sisi friedlich seine Meinung äußert, riskiert, festgenommen zu werden oder sogar einfach zu verschwinden“, sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland.

Vorwand der Terrorismusbekämpfung

Gegen die meisten ägyptischen Menschenrechtsorganisationen wird unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung ermittelt, und mit einem neuen NGO-Gesetz droht das Ende der unabhängigen Zivilgesellschaft. „Das drakonische NGO-Gesetz verstößt gegen internationale Standards und muss umgehend aufgehoben werden. Die laufenden Verfahren gegen NGOs in Ägypten müssen eingestellt, die Repressalien beendet werden“, sagt Beeko. Neben NGOs sind auch unabhängige Medien in Ägypten Ziel staatlicher Unterdrückung: Dutzende Journalisten befinden sich derzeit hinter Gittern. Der Fotograf Mahmoud Abu Zeid, auch bekannt als „Shawkan“, sitzt inzwischen seit mehr als fünf Jahren zu Unrecht im Gefängnis, obwohl er nach dem Urteilsspruch eines Kairoer Gerichts im September längst wieder frei sein sollte. „Der Fall von Shawkan steht exemplarisch für die offenen Angriffe ägyptischer Behörden auf die Presse- und Meinungsfreiheit“, so Beeko.
Für ein in sozialen Medien verbreitetes Video ist die Menschenrechtsverteidigerin Amal Fathy kürzlich zu zwei Jahren Haft verurteilt worden; sie hatte sexualisierte Gewalt gegen Frauen in Ägypten angeprangert. „Amal Fathy hat lediglich ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt und auf die gravierenden Probleme für die Sicherheit von Frauen in Ägypten hingewiesen. Amnesty International ruft die ägyptischen Behörden dazu auf, Amal Fathy umgehend frei zu lassen und die Vorwürfe gegen sie fallen zu lassen.“

Appell an die Bundesregierung

Beeko sieht die Bundesregierung in der Pflicht, die katastrophale Menschenrechtslage und die massive Repression gegen Medienschaffende und Menschenrechtler in Ägypten bei den Gesprächen in Berlin deutlich zu kritisieren: „Die Bundesregierung muss die Gelegenheit nutzen, sich gegenüber der ägyptischen Regierung für die zu Unrecht inhaftierten Menschenrechtsverteidiger und die unabhängige Zivilgesellschaft in Ägypten einzusetzen“, sagt Beeko. „Der friedliche Einsatz für die Menschenrechte darf nicht weiter kriminalisiert werden. Das Nadeem-Zentrum muss seine wichtige Arbeit für die ägyptische Bevölkerung wieder aufnehmen können und seine Klinik für Folterüberlebende wieder öffnen dürfen."
„Besondere Vorsicht ist bei Rüstungsexporten und jeglichen  sogenannten ‚Sicherheitskooperationen‘ mit dem für Gewalt, Folter und Entführungen verantwortlichen ägyptischen Sicherheitsapparat geboten“, so Beeko.

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