30. Mai 2016

Vom Acker in die Lunge: Umweltverbände fordern wirksame Minderungsziele für Luftschadstoffe aus der Landwirtschaft


Die hohe Belastung der Atemluft mit Feinstaub ist nach wie vor eine der großen Herausforderungen der deutschen und europäischen Umweltpolitik – Die Belastung führt zu 47.000 vorzeitigen Todesfällen jährlich allein in Deutschland – Eine wesentliche Ursache für Feinstaub sind Ammoniakemissionen  aus der Landwirtschaft – Verbände fordern ambitionierte Minderungsziele für Ammoniak und Methan bei Verhandlungen der europäischen Emissionsrichtlinie (NERC) – Landwirtschaft muss endlich einen wirkungsvollen  Beitrag leisten.

Berlin, 30. Mai 2016: Mit einer riesigen aufblasbaren Lunge protestierten die Umweltverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Naturschutzbund Deutschland (NABU), Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) heute vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium für eine Reduzierung der klima- und gesundheitsschädlichen Emissionen aus der Landwirtschaft. Im Vorfeld der Verhandlungen zur Novellierung der europäischen Richtlinie über Nationale Emissionsminderungsziele (NERC - National Emission Reduction Committment)  kritisierten die Umweltverbände damit die Position der Bundesregierung, die sich in Brüssel derzeit für eine Abschwächung der geplanten Ammoniakgrenzwerte sowie gegen eine Aufnahme des besonders klimaschädlichen Treibhausgases Methans in diese Richtlinie einsetzt. Vor allem das Bundeslandwirtschaftsministerium stellt sich weiterhin schützend vor die Agrarindustrie und blockiert so dringend notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in den Städten und Regionen.

Als wichtiger Vorläuferstoff von Feinstaub ist Ammoniak Ursache für die hohe Hintergrundbelastung in Städten. Vor allem die industrielle Landwirtschaft trägt also eine erhebliche Mitschuld an der schlechten innerstädtischen Luft. Rund 95% des Ammoniaks kommt aus der Landwirtschaft, die damit die Hauptquelle ist.

In ihrem Novellierungsvorschlag hatte die EU-Kommission ursprünglich ein Minderungsziel für Ammoniak in Deutschland von 38 Prozent bis zum Jahr 2030 vorgesehen. Auch das EU-Parlament hat diesen Wert bereits bestätigt. Doch der Rat der europäischen Umweltminister versucht derzeit, auch auf Betreiben Deutschlands, dieses Minderungsziel auf 29 Prozent abzusenken.

Die Verbände fordern von der Bundesregierung, dass sie sich für ein deutlich höheres Minderungsziel als bisher einsetzt und dass insbesondere das Bundeslandwirtschaftsministerium seine Blockadehaltung aufgibt. Die Ammoniakemissionen aus dem Landwirtschaftssektor sind seit 1990 auf konstant hohem Niveau, was nicht nur negative Folgen für die Luftreinhaltung mit sich bringt, sondern auch zur massiven Belastung von Gewässern und Ökosystemen und entsprechenden volkswirtschaftlichen Kosten beiträgt. Zu den notwendigen Minderungsmaßnahmen gehört eine deutliche Reduzierung der Stickstoff-Bilanzüberschüsse, eine verbindliche Nutzung emissionsarmer Ausbringungstechniken für Wirtschaftsdünger, der verpflichtende Einbau von Abluftfilteranlagen bei großen Tierhaltungsanlagen sowie die Beendigung der Überproduktion von tierischen Produkten durch Einführung einer flächengebundenen Tierhaltung. Die NERC-Novelle sieht vor, dass die Mitgliedstaaten bei der Auswahl der in Frage kommenden Maßnahmen freie Hand haben und darüber hinaus zunächst große Agrarbetriebe, die für den Großteil der Emissionen verantwortlich sind, in die Pflicht nehmen.

Hintergrund:

Ammoniak (NH3) ist eine giftige gasförmige Stickstoffverbindung, die Augen und Atemwege reizt. In der Atmosphäre reagiert Ammoniak schnell mit sauren Luftschadstoffen wie Sulfaten (SO4 2-) und Nitraten (NO3-) und bildet Ammoniumsulfat und Ammoniumnitrat (Ammoniumsalze), die zur Bildung von Feinstaub beitragen. Ammoniak und dessen Ammoniumsalze sind gleichzeitig auch Pflanzennährstoffe. Die Entdeckung und Nutzung von Mineraldünger führte zu einer signifikanten Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität und gleichzeitigem Anstieg der Ammoniakemissionen. Aufgrund der Entwicklung und Verwendung synthetischer Düngemittel konnte die landwirtschaftliche Produktivität erheblich erhöht werden, was in Kombination mit einer zunehmend flächenlosen, intensiven Tierhaltung zu einem dramatischen Anstieg der Ammoniakemissionen führte. Diese zusätzlichen Stickstoffeinträge  fördern die Eutrophierung und Versauerung von Ökosystemen.

Im Jahr 2013 hat die Europäische Kommission die Berechnungsgrundlagen und Emissionsfaktoren zur Bestimmung der Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft angepasst. Dabei ergaben sich für die vergangenen Jahre deutlich höhere Emissionswerte als bisher angenommen. Im Jahr 2013 lagen die Emissionen in Deutschland bei 671 Tausend Tonnen. Die für Deutschland verbindliche Höchstmenge von 550 kt wurde allerdings bereits auf Grundlage der alten Emissionsfaktoren zwischen 2005 und 2013 fast jedes Jahr überschritten. Damit liegt Deutschland europaweit an der Spitze der Staaten, die die Grenzwerte überschreiten. Wegen anhaltender Überschreitung dieser Emissionsgrenzen und unzureichender Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie hat die EU-Kommission im Juli 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

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