Gemeinsame
Messungen von Deutscher Umwelthilfe, SPIEGEL und dem ARD-Magazin
Monitor ergaben auffallend starke Abweichungen bei den
CO2- und damit Spritverbrauchsangaben – Auch bei Messungen der
französischen Regierungskommission UTAC war der Opel Zafira negativer
Spitzenreiter mit 51,8 Prozent Abweichung bei CO2 – Steuerschaden durch
falsche CO2-Angaben der Autokonzerne erreicht in diesem
Jahr den Wert von 2,2 Milliarden Euro – DUH will Bundesverkehrsminister
Dobrindt zur Veröffentlichung der unter Verschluss gehaltenen
CO2-Messwerte zwingen
Berlin, 20.5.2016:
Die Adam Opel AG verstößt nicht nur durch
illegale Software zur weitgehenden Abschaltung der Dieselabgasreinigung
im Straßenbetrieb gegen die Zulassungsverordnung. Aktuelle Messungen
des Rechercheteams bestehend aus der Deutschen Umwelthilfe (DUH), dem
SPIEGEL sowie des ARD-Magazins „Monitor“ ergaben
bei Labormessungen des Opel Zafira (Euro 6b, EZ 2015 1.6 CDTi, 100 kW)
ebenfalls starke Abweichungen bei den CO2- und damit
Spritverbrauchsangaben. Bei einer zur Nachprüfung veranlassten
Untersuchung auf dem Prüfstand des TÜV Nord in Essen hat der Zafira
statt
der angegebenen 109 Gramm CO2 pro Kilometer 127 g CO2/km emittiert.
"Mit
der von DUH, Spiegel und Monitor gemessenen Laborabweichung von 16,5
Prozent liegt das Fahrzeug damit deutlich oberhalb der
vom Bundesgerichtshof entschiedenen Marke von 10 Prozent, ab der
Autohalter Anspruch auf Schadenersatz bzw. Rückabwicklung des Kaufes
haben. Es überrascht, dass der Diesel-Zafira nicht einmal den Labortest
bei CO2 besteht", so
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. "Wir brauchen jetzt
sehr schnell die Veröffentlichung der dem Bundesverkehrsministerium
vorliegenden CO2-Messungen für den Opel Zafira sowie der übrigen
auffälligen Fahrzeuge, so dass die betroffenen Fahrzeughalter
ihre Ansprüche gegen die Hersteller zweifelsfrei begründen können."
Die
DUH untersucht derzeit mit ihrem "Emissions-Kontroll Institut" Struktur
und Wirkungsweise der beim Zafira gefundenen, illegalen
Abschalteinrichtungen auch bezüglich der CO2-Emissionen. In zwölf
zwischen dem 5. und 17. Mai 2016 durchgeführten Straßenmessungen auf
einer definierten Referenzstrecke betrugen die Abweichungen bei CO2 im
Durchschnitt 43,1 Prozent. Die französische Regierungskommission
UTAC toppt noch diesen Wert: In ihrem Abschlussbericht vom 28. April
2016 dokumentiert sie sogar 51,8 Prozent mehr CO2 bei Straßenmessungen
des Prüfzyklus NEDC. Damit ist der Opel Zafira Diesel 1,6l sowohl bei
den giftigen Stickoxiden (mit eine 11,7-fachen
Überschreitung) als auch beim Klimagas CO2 jeweils negativer
Spitzenreiter unter allen 52 in Frankreich getesteten Dieselfahrzeugen.
Nach
Informationen der DUH sind auch der Untersuchungskommission des
Bundesverkehrsministeriums die hohen CO2-Abweichungen des Opel
Zafira aufgefallen. Unter den laut SPIEGEL 30 Fahrzeugen mit
"auffälligen CO2-Abweichungen" ragt der Opel Zafira besonders heraus.
Doch anders als seine französische Kollegin Royale verweigert
Verkehrsminister Dobrindt bei den ihm vorliegenden CO2-Werten jegliche
Transparenz. Die DUH hat daher ein Rechtsverfahren gegen das BMVi bzw.
das KBA eingeleitet und am 28.4.2016 Antrag auf Übermittlung der
CO2-Werte gestellt.
Auch
wenn Opel aktuell im Fokus steht: Das Problem falscher
Spritverbrauchsangaben betrifft alle Autohersteller und ist Folge der
jahrelangen Weigerung der Bundesregierung, die Spritverbrauchsangaben
der Autohersteller im Zulassungsverfahren zumindest stichprobenartig zu
kontrollieren.
Seitdem
in Deutschland der CO2-Ausstoß über die Höhe der Kfz-Steuer
entscheidet, melden die Autohersteller immer unrealistischere
CO2- und damit Spritverbrauchswerte an die Zulassungsbehörden.
Gleichzeitig weigert sich das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), die
Herstellerangaben nachzuprüfen und falsche Werte zu korrigieren. Als
Folge verzichten die Hersteller auf eine ehrliche Abgasreinigungs-
und Spritspartechnik und nutzen ihre Innovationskraft für immer
dreistere Begründungen, warum sie angeblich auf der Straße schmutziger
und spritdurstiger als im Labor sein dürfen.
DUH-Untersuchungen
der TOP-25 Pkw-Zulassungen für das Jahr 2015 haben ergeben, dass die
Abweichungen zwischen Herstellerangaben
und Realverbrauch auf durchschnittlich 42 Prozent angewachsen sind.
Laut Transport and Environment (T&E) auf Datenbasis von ICCT
schneidet Mercedes mit der E-, A- und C-Klasse und Abweichungen von
jeweils über 50 Prozent am schlechtesten ab, gefolgt vom 5er
BMW mit über 45 Prozent. Nach Berechnungen der DUH betragen die
Mehrkosten für den Autohalter über die Nutzungsdauer eines Fahrzeugs
circa 4.000 bis 6.000 Euro. Der finanzielle Schaden durch
Steuermindereinnahmen beträgt allein in diesem Jahr 2,2 Milliarden
Euro.
Die
DUH fordert seit Jahren die Einrichtung einer von der Autolobby
unabhängigen Stelle beim Umweltbundesamt, die falsche
Spritverbrauchsangaben
überprüft, die Einhaltung der Abgasemissionen kontrolliert und
konkreten Beschwerden von Autohaltern nachgeht. Erfreulicherweise haben
sich im April die Umweltministerkonferenz der Länder sowie
Bundesumweltministerin Hendricks einstimmig für dieses Modell
entschieden. Dagegen läuft die Automobilindustrie gemeinsam mit
Bundesverkehrsminister Dobrindt Sturm und setzt darauf, dass die
Kanzlerin im Rahmen ihrer Richtlinienkompetenz wie auch bei allen
früheren Streitfällen im Sinne der Autokonzerne entscheidet.
„Volkswagen,
Audi, Skoda, Seat, Porsche, Opel und Fiat sind zwischenzeitlich in den
USA bzw. Europa der Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen
überführt, weitere Unternehmen werden in den kommenden Monaten folgen.
Die rechtswidrigen Praktiken betreffen nicht nur Stickoxide sondern auch
das Klimagas CO2 und damit über den erhöhten Spritverbrauch den
Autohalter“, so Resch. „Doch anstatt den Millionen
betroffenen Autofahrern bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber den
Autokonzernen zu helfen, verweigert Deutschland - anders als die
amerikanische Umweltbehörde EPA - die seit Jahren vorgeschriebenen
behördlichen Kontrollen und wirkungsvolle Sanktionen
und verzichtet auf 2,2 Milliarden Euro Steuereinnahmen.“
In
den vergangenen Jahren wurden in den USA auch Ford, BMW und Daimler mit
falschen Spritverbrauchsangaben auffällig und mussten
diese auf Druck der US-Behörden korrigieren. Die vom Staat
durchgeführten Kontrollen, die transparente und sofortige
Veröffentlichung der entdeckten Werte und abschreckend hohe Strafen
führen heute in den USA dazu, dass die offiziellen CO2- und damit
Spritverbräuche
nur um drei Prozent über den Herstellerangaben liegen.
In
Deutschland dagegen werden seit fünf Jahren die Neufahrzeuge nur noch
auf dem Papier sauberer. Nach offiziellen Angaben des
Kraftfahrt-Bundesamts
(KBA) ging der CO2-Ausstoß der Neuwagenflotte zwischen 2009 bis 2014
von 154 auf 133 g CO2/km zurück. Korrigiert man diese offiziellen Werte
allerdings um die von Jahr zu Jahr höheren Abweichungen, stiegen die
realen CO2-Emissionen zwischen 2009 und 2014 sogar
von 184 g CO2/km auf 186 g CO2/km an. Mitverantwortlich dafür sind
immer stärkere Motoren und der Trend zu schweren SUVs.
Links:
DUH-Prüfbericht Emissions-Kontroll-Institut zu den NOx und CO2 Messungen Zafira:
http://l.duh.de/p200516
DUH-Grafik Abweichung CO2-Angaben 2000-2015:
http://l.duh.de/p200516
DUH-Grafik Realemissionen 2009-2014:
http://l.duh.de/p200516
Die ICCT-Studie „From laboratory to road: a 2015 update”:
http://l.duh.de/icct2015
Die T&E-Studie „Mind the Gap 2015“:
http://l.duh.de/te2015
Französischer Prüfbericht:
http://l.duh.de/p200516
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