24. Mai 2016

Neuer Report "Under the Rug" deckt auf: G7-Staaten investieren 42 Milliarden US-Dollar in die Entwicklung von Kohle-Projekten weltweit


Japan und Deutschland sind weiterhin die größten staatlichen Geldgeber für Kohlekraftwerke und Kohlebergbau in der industrialisierten Welt. Damit verschärfen sie den Klimawandel, schaden der öffentlichen Gesundheit und gefährden das Pariser Klimaabkommen.

WASHINGTON (24. Mai 2016) - In einem eklatanten Widerspruch zu ihren öffentlichen Klimaschutzerklärungen finanzieren Japan und Deutschland weiterhin massiv die globale Entwicklung von Kohlekraftwerken und Kohlebergbau. Das enthüllt ein neuer Bericht, der heute in Bonn veröffentlicht wird.

Japan ist gemessen an den Zahlen der schlimmste Klimasünder unter den G7-Staaten. Die dortige Regierung hat Kohlekraftwerke und weitere Kohle-Entwicklungsprojekte weltweit mit mehr als 22 Milliarden US-Dollar im Zeitraum 2007 bis 2015 gefördert und plant, künftig Kohleprojekte mit weiteren 10 Milliarden Dollar zu unterstützen. Auch die anderen G7-Staaten haben in diesem Zeitraum intensiv Kohle-Projekte weltweit finanziert: Deutschland mit 9 Milliarden, die USA mit rund 5 Mrd., Frankreich mit 2,5 Mrd., Italien mit 2 Mrd., Großbritannien mit 1 Mrd. und Kanada mit weniger als 1 Mrd. US-Dollar.

Ihren Bericht "Swept Under the Rug: How G7 Nations Conceal Public Financing for Coal Around the World“ haben die Organisationen Natural Resources Defense Council, World Wide Fund for Nature (WWF) und Oil Change International kurz vor dem 42. Gipfeltreffen der G7-Staaten veröffentlicht, das vom 26.-27. Mai in Japan stattfindet.

Erst vor wenigen Wochen unterzeichneten 175 Länder das Klimaabkommen von Paris, das die Staaten der Welt verpflichtet, die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad Celsius zu halten, um eine Klimakatastrophe zu vermeiden.

„Die Finanzierung neuer Kohle-Kraftwerke und Kohle-Entwicklungsprojekte in Zeiten des dramatischen Klimawandels ist rücksichtslos und untergräbt das Versprechen von Paris. Es fesselt Entwicklungsländer an die fossilen Brennstoffe der Vergangenheit, statt die sauberen Energiequellen der Zukunft zu nutzen", sagt Jake Schmidt, Direktor des internationalen Programms von NRDC. „Länder wie Japan und Deutschland sowie multilaterale Institutionen sollten sofort ihre öffentlich finanzierten schmutzigen Energieprojekte beenden. Stattdessen sollten sie Investitionen in saubere, erneuerbare Energieformen massiv ausbauen. Mit solchen intelligenten Schritten könnten sie künftige Generationen schützen."

Die Kohlekraftwerke, welche die G7-Ländern von 2007 bis 2015 finanziert haben, erzeugen eine Kohlenstoffbelastung von insgesamt 100 Millionen Tonnen pro Jahr. Das schädigt die Atmosphäre, das Weltklima und die öffentliche Gesundheit. Aus diesem Grund rufen die Organisationen die Regierungen zu einem sofortigen Ende aller öffentlichen Finanzierung für internationale Kohlekraftwerksprojekte auf.

Alex Doukas, langjähriger Experte und Campaigner der Organisation Oil Change International, sagt: „Japans Unterstützung für unnötige alte Kohlekraftwerke in einer Welt erschwinglicher erneuerbarer Energien ist so, als würde man versuchen, im Computerzeitalter Schreibmaschinen zu verkaufen. Während China Hunderte von Kohlekraftwerken und Minen geschlossen hat, erhöhte Japan seine Finanzierung für schmutzige Kohleprojekte im In- und Ausland. Japans anhaltende Kohlefinanzierung untergräbt den langjährigen Ruf des Landes als technologischer Vorreiter."

Sebastien Godinot, Ökonom in der politischen Europazentrale von WWF, sagt: Es ist empörend, dass Japan und Deutschland nach wie vor massiv den Export von Kohlekraftwerken mit öffentlichen Geldern fördern, obwohl die wissenschaftlichen Fakten belegen, dass ein Mehr an Kohle nicht vereinbar ist mit Strategien für einen Welttemperaturanstieg von maximal 1,5 - 2,0 Grad Celsius. Die G7-Staaten müssen ihre Verpflichtungen von Paris umsetzen und unverzüglich jede öffentliche Unterstützung für die Kohle beenden."

Regine Richter, Expertin für multilaterale Finanzinstitutionen bei der deutschen Umweltorganisation urgewald [1], ergänzt: „Im vergangenen Jahr ist die deutsche Unterstützung für Kohleprojekte weltweit im Verhältnis zum untersuchten Gesamtzeitraum sehr gering ausgefallen. Dies bedeutet allerdings keine Kehrtwende, denn allein im Bereich Kohlekraftwerke und Kohlebergbau prüft die deutsche Kreditabsicherungsagentur Euler Hermes laut einer Anfrage der Grünen von März 2016 aktuell Projekte im Wert von fast 650 Mio. Euro. Darunter befindet sich ein Antrag über 246 Mio. Euro für das geplante Kohlekraftwerk Plomin C in Kroatien. Der Neubau würde auf Jahrzehnte die Dekarbonisierung Kroatiens verhindern. Er ist in dem Land so umstritten, dass die neue kroatische Regierung das Projekt im Januar 2016 mit einem Moratorium versehen hat. Dies zeigt, dass auch die deutsche Regierung noch nicht bereit ist, das Abkommen von Paris ernst zu nehmen.“

Kimiko Hirata, internationale Direktorin des japanischen Kiko Network, ergänzt: „Japan liegt erneut auf Platz 1 als größter Kohle-Finanzier unter den G7-Staaten. Das OECD-Abkommen und das Pariser Abkommen aus dem vergangenen Jahr zeigen hingegen deutlich, dass das globale Kohlenstoff-Budget keinen Platz mehr lässt für neue Kohleprojekte. Das Festhalten an der Position, angeblich „saubere Kohle“ zu fördern, ist ein klarer Verstoß gegen die internationalen Vereinbarungen, die Japan unterzeichnet hat. Japan sollte Verantwortung übernehmen und auf dem G7-Gipfel in Ise-Shima zusagen, seine Kohlefinanzierung zu beenden.“

Der neue Report zeigt, dass die Gelder für die Kohle zwischen 2007 und 2015 zum Großteil durch elf internationale Finanzinstitutionen wie Japan Bank for International Cooperation, Euler Hermes, Nippon Expert and Investment Insurance und die Weltbank geflossen sind.

Neben einem Verbot der Finanzierung von Kohlekraftwerken rufen NRDC, Oil Change und WWF auch zur Begrenzung weiterer Kohle-Entwicklungsprojekte auf, außerdem zu mehr Transparenz bei der staatlichen Kohlefinanzierung, die derzeit nur schwer öffentlich nachvollziehbar ist, sowie zu einer Umleitung der Finanzströme in Richtung sauberer Energieformen wie Wind- und Solarenergie.

Die wichtigsten Ergebnisse des Berichts:
• Von 2007 bis 2015 haben die G7-Staaten mehr als 42 Milliarden US-Dollar für Kohle in Form von Direktfinanzierung, Garantien, technischen Hilfen und Entwicklungshilfen für Kohlekraftwerke, Kohlebergbau sowie damit verbundene Projekte zur Verfügung gestellt.

• Allein im Jahr 2015 haben die G7-Staaten Kohle mit 2,5 Mrd. finanziert - trotz neuer Verpflichtungen zur Begrenzung von Exportkrediten für die Kohlefinanzierung. 

• Japan hat im Jahr 2015 nicht nur Kohleprojekte im Wert von 1,4 Milliarden Dollar finanziert, sondern erwägt darüber hinaus eine Finanzierung von fast 10 Mrd. Dollar für künftige Kohleprojekte. Diese Zahl ist wahrscheinlich noch untertrieben, da sie hauptsächlich auf öffentlich zugänglichen Daten basiert.

• Mehrere multilaterale Banken und Exportkreditagenturen innerhalb der Staaten-Gruppe OECD haben sich verpflichtet, die Finanzierung für Kohlekraftwerke und andere, damit verbundene Aktivitäten zu beschränken. Trotzdem zeichnen sich neue öffentlich geförderte Kohleprojekte ab.

• Diese Finanzierungsmechanismen bevorzugen zu Unrecht die Kohle vor sauberen Energieträgern und behindern damit den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Angesichts der massiven Klimarisiken und Gesundheitsauswirkungen durch die Kohlenutzung, ist es an der Zeit, die Finanzierung für Kohleprojekte zu beenden.

Die Autoren weisen darauf hin, dass ihre Ergebnisse das Ausmaß der Finanzierung weltweiter Kohleprojekte unterschätzen könnten. Derzeit fließen solche Gelder oft durch kaum bekannte und undurchsichtige Institutionen wie Exportkreditagenturen, die ihre Unterstützung für fossile Brennstoffe unter Verschluss halten. Der Bericht basiert auf Zahlen von Exportkreditagenturen, öffentlicher Finanz-Berichterstattung, aus Zeitungsartikeln, einer internationalen Infrastruktur-Zeitschrift und Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Der neue Bericht fußt auf dem vor einem Jahr veröffentlichten Report "Under the Rug: How Governments and International Institutions Are Hiding Billions in Support to the Coal Industry". Dieser hatte zum ersten Mal dokumentiert, dass wichtige Regierungen und Finanzinstitutionen in den acht Jahren zuvor Kohleprojekte weltweit mit mehr als 73 Milliarden US-Dollar unterstützten und rief zu einem sofortigen Ende solcher Finanzierung des schmutzigen Energieträgers auf. Dieser Bericht steht hier zum Download bereit.
Der aktuelle Bericht “Swept Under the Rug: How G7 Nations Conceal Public Financing for Coal Around the World” kann hier heruntergeladen werden.

Eine deutsche Zusammenfassung des Berichts finden Sie auf www.urgewald.org

Blog zu wichtigsten Report-Ergebnissen von NRDC

Blog zu Ergebnissen für Japan von Jake Schmidt von NRDC


[1] urgewald hat Daten zum neuen Report zugeliefert und arbeitet als deutsche Umweltorganisation seit Jahren zum Thema öffentliche Kohlefinanzierung.


PRESSEMITTEILUNG VON KIKO NETWORK, NRDC, OIL CHANGE INTERNATIONAL, WWF
(IN KOOPERATION MIT URGEWALD)
 

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