Der Wirtschaftsausschuss des Landtags befasste sich am 25.06.2020 mit der Umsetzung des Landtagsbeschlusses zur Auskofferung der Giftmüllgrube Brüchau.
Besorgte Bürger aus Brüchau und Kakerbeck, Mitglieder der BUND-Kreisgruppe Salzwedel und der
BI "Saubere Umwelt & Energie Altmark" demonstrierten vor dem Landtag und verfolgten per Video-Übertragung die nicht alltägliche Diskussion.
Gegen den am 12.06.2020 vom Landtag einstimmig gefassten Beschluss, dass die Giftmüllgrube Brüchau ausgekoffert werden muss, versuchte Staatssekretär Rehda im Namen des Umweltministeriums und der Landesanstalt für Altlastenfreistellung (LAF) quasi "außerparlamentarisch" zu opponieren: Dass die von LAF-Leiter Stadelmann und Umweltministerin Dalbert bis vor Kurzem behauptete Dichtigkeit der Grube durch die jüngsten Untersuchungen erneut und definitiv widerlegt ist, interessierte ihn nicht. Wenn auch der (ohnehin nur stauende und nicht abdichtende) Geschiebemergel nicht überall vorhanden sei - ins Grundwasser würden eh nur einige Salze gelangen. Eine Oberflächenabdichtung sei daher ausreichend.
Von Andreas Höppner (Linke) auf die Liste hoch gefährlicher Gifte im Sickerwasser und von Matthias Lieschke (AfD) auf festgestellte Hausbrunnenbelastung mit Barium hingewiesen, meinte Rehda, dies bedeute keine direkte Gefahr, allenfalls eine mittelbare "in geologischen Zeiträumen".
SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle zeigte sich "wirklich erschüttert", dass der Staatssekretär versuche, die Kenntnisse zur Problemlage Brüchau, die sich der Ausschuss in einem jahrelangen Prozess erarbeitet habe, mit "schrägen" Behauptungen zu konterkarieren. Ihr Kollege Hövelmann stellte fest, dass hier "operativ gegen den Landtagsbeschluss gearbeitet" wird.
Rehda relativierte darauf einige seiner Aussagen, blieb aber dabei, dass von seinen Vorrednern "Unsinn" gekommen sei. An dieser Stelle unterbrach ihn der Vorsitzende Lars-Jörn Zimmer (CDU) und forderte ihn auf, derartiger Wertungen zu unterlassen und bei der Sache zu bleiben. Daraufhin verstummte Rehda.
LAGB-Präsident Schnieber, ergänzt von Staatssekretär Wünsch (Wirtschaftsministerium), hatte den Sachstand dargestellt: Der "Endbericht" ist unzureichend. Da die Entsorgungsanlage Brüchau noch im Jahr 2012 in Betrieb war, handelt es sich nicht um eine "Altanlage", sondern aktuelle Rechtsbestimmungen sind anzuwenden. Diesbezüglich gibt es Defizite.
- So wurde etwa vor dem Betriebsstopp 2012 das gesetzlich vorgeschriebene Sickerwassergutachten nicht vorgelegt.
- Da der Mergel nicht durchgängig vorhanden ist, ist die nötige Standsicherheit nicht gegeben.
Das Unternehmen wurde aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen eine Schließungsvariante samt belastbarer Kostenabschätzung vorzuschlagen und keine weitere "Variantenbetrachtung" zu betreiben.
Uwe Harms (CDU) hatte gleich zu Beginn der Sitzung moniert, dass die Umweltministerin nicht anwesend ist. Dass es innerhalb der Regierung einen Dissens gibt, verdeutlichte sich im Verlauf der Debatte. Ulrich Thomas (CDU) stellte fest: Im Parlament hatten wir eine "seltene Einigkeit", und jetzt will das Umweltministerium "abwägen". - "Wie gehen wir mit den Sorgen der Menschen um?" - "Machen wir Umweltschutz oder nicht?"
Die Grüne Landtagsfraktion hatte auf Initiative von Dorothea Frederking den Parlamentsantrag auf den Weg gebracht. Dass nun vom Grün geführten Umweltministerium (MULE) Gegenwind kommt, ist absurd hoch drei. Noch einmal Ulrich Thomas: "Das ist einmalig, was hier abgeht. Ich erwarte eine verbindliche Erklärung des MULE."
Minister Willingmann teilte mit: Differenzen innerhalb der Regierungskoalition kommen vor und werden üblicherweise konsensual beigelegt. Sollte das in diesem Fall nicht gelingen, sei sein Ressort für den weiteren Gang der Dinge zuständig.
Die nächste Sitzung des Wirtschaftsausschuss ist am 27. August. Brüchau wird auf der Tagesordnung stehen, die Umweltministerin Dalbert geladen sein.
Bi-Sprecher Christfried Lenz resümiert: "Es war eine hochgradig spannende, lebendige und in die Tiefe gehende Diskussion, geprägt von großem Engagement der Entscheidungsträger, die Bevölkerung nicht - wie leider oft - mit Worten abzuspeisen, sondern Taten zu liefern - und zwar zeitnah. Es könnte ein Schritt zur Weiterentwicklung der Demokratie sein, die bitter nötig wäre."

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