Zu den aktuellen Entwicklungen in der Türkei erklärt Claudia Roth MdB:
Die Situation in der Türkei eskaliert. Während Präsident Recep Tayyip Erdoğan
an seinem unklaren und doppeldeutigen Kurs im Umgang mit dem IS
festhält, attackiert er mit voller Härte und Rücksichtslosigkeit die
Zivilbevölkerung in den kurdischen Gebieten sowie die Kritiker seiner
Politik. Die Opfer dieser gewaltsamen Strategie der türkischen Regierung
sind vor allem Zivilisten, aber auch die Demokratie und der soziale
Frieden in der Türkei sowie die Stabilität der gesamten Region.
Wenn
ein Mob von Anhängern der Regierungspartei AKP die Redaktion der
türkischen Zeitung Hürriyet in Istanbul stürmt, dann ist das vor allem
das Ergebnis der polarisierenden Politik eines außer Kontrolle geratenen
Präsidenten und erinnert an autokratische Willkürstaaten. Nachdem Erdoğan vergangene Woche die türkische Polizei gegen die Koza-Ipek
Mediengruppe eingesetzt hatte, fühlen sich seine Anhänger nun ebenfalls
legitimiert, Journalisten wegen missliebigen Berichten brutal zu
attackieren. Diese Angriffe auf die Pressefreiheit sind genauso wie der
dreckige Krieg gegen die kurdische Zivilbevölkerung Teil der
antidemokratischen Wahlkampagne der AKP.
Die Zeiten der außenpolitischen Doktrin von Erdoğans ehemaligem Außenminister und jetzigem Regierungschef Ahmet Davutoğlu
„Null Probleme mit den Nachbarn“ sind offenbar definitiv vorbei.
Inzwischen wird jede politische Entscheidung der Regierung dem Ziel Erdoğans
untergeordnet, eine verfassungsändernde Mehrheit bei den bewusst
herbeigeführten Parlamentsneuwahlen am 1. November zustande zu bringen.
Mit dieser Kamikaze-Strategie führt der türkische Präsident sein Land
gerade an den Abgrund.
Die Bundesregierung und die EU stehen in der Verantwortung, auf Erdoğan
einzuwirken. Vor allem für eine Lösung in der Syrienkrise braucht
Europa die Türkei als Partner genauso dringend wie umgekehrt die Türkei
die EU. Jetzt rächt sich, dass sich die EU jahrelang zu wenig um die
Anbindung der Türkei und um die Unterstützung der demokratischen
türkischen Zivilgesellschaft gekümmert hat.
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