12. Oktober 2014

[Doku] Kinder auf der Überholspur - Bildung um jeden Preis?







Veröffentlicht am 30.08.2013
"Nein, ich will nicht, warum muss ich denn dahin?" Kristian, viereinhalb Jahre alt, weint und windet sich in seinem Kindersitz. Wir stehen im Parkhaus hinter dem Peter-Cornelius-Konservatorium, der Musikschule in Mainz. Kristian hat heute seine erste Klavierstunde - und überhaupt keine Lust. Mama spricht mit Engelszungen, schwankt zwischen strafen, belohnen und motivieren - und trägt am Ende immerhin einen Etappensieg davon: Kristian geht mit - "nur mal probieren". Aber was tun, wenn er sich weiterhin so sträubt? Wenn er keine Lust hat, ein Instrument zu lernen, wenngleich es doch für eine ganzheitliche Bildung unerlässlich ist? Mit solchen Fragen werden wir in den kommenden Wochen mehr als einmal konfrontiert werden. Denn wir stecken mittendrin in unserer Bildungsoffensive.

Wir - das sind Baby Julia, ein gutes halbes Jahr alt, Simon, knapp drei, Kristian, vier, und Johanna, sieben Jahre alt und gerade in der ersten Klasse. Und natürlich mein Mann, gleichzeitig auch der Kameramann unseres Selbstversuchs, und ich. Wir leben gut 40 Kilometer von Mainz und Wiesbaden entfernt, in einer ländlichen Region mitten in der Natur. Die finden wir für unsere Kinder auch sehr wichtig, aber eben nicht nur: In Zeiten von Pisa und Prüfungsangst verkürzten Schulzeiten und verstärktem Leistungsdruck, Konkurrenz und Kampf um Praktika und Arbeitsplätze machen viele Eltern sich immer mehr und immer früher Gedanken darüber: Was ist das Beste für mein Kind? Wie bereite ich es am besten vor auf ein Leben in der Leistungsgesellschaft?

Wir wollten es wissen und starteten einen Selbstversuch mit unseren vier Kindern: Johanna, die sich in der Schule schwer tut mit Mathe, geht in eine spezielle Matheförderschule, Kristian wie erwähnt zum Klavierunterricht, der zweijährige Simon zum Englisch-Unterricht und Baby Julia zum PEKiP-Kurs. Wir wollen wissen, ob das etwas bringt, und wenn ja, was? Und damit sind wir nicht allein. Jedes Jahr geben die Deutschen zwischen einer und anderthalb Milliarden Euro allein für Nachhilfeunterricht aus. Und Kinderärzte beklagen seit Jahren einen immensen Anstieg an psychosomatischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. "Schuld daran ist der Druck. Druck durch die Eltern, die Schule, die Mitschüler, das Umfeld", so etwa die Mainzer Kinderärztin Dr. Ingrid Eggers-Förner.

Was das im Alltag bedeutet, wird uns schon bald klar - nicht nur, dass wir jetzt jeden Tag im Auto unterwegs sind und die Freizeit aller Kinder geschrumpft ist. Zuhause fragen wir uns, mit wie viel Nachdruck wir die Kinder zum täglichen Üben und Trainieren anhalten sollen? Wie viel Zwang ist angemessen, um das Ergebnis - seien es bessere Noten in Mathe, musikalische Perfektion oder eine Fremdsprache - zu erzielen? Wann fördere ich mein Kind, und wann wird die Förderung zur Überforderung? Wie viel Disziplin im Erziehungsalltag ist nötig, und wann ist es zu viel?

Für Eltern sind solche Fragen Alltag, und mögliche Antworten werden selbst unter Experten heftig diskutiert. Zwei der renommiertesten in der deutschen Bildungslandschaft konfrontieren wir mit den Erfahrungen aus unserem Selbstversuch: Bernhard Bueb, jahrzehntelang Leiter des Eliteinternats Salem am Bodensee und Autor des Buches "Lob der Disziplin", und Gerald Hüther, Hirnforscher an den Universitäten Göttingen und Heidelberg und radikaler Kritiker des deutschen Schulsystems.

Die Antworten sind am Ende verblüffend einfach und doch im Erziehungsalltag manchmal so schwer umzusetzen. So viel allerdings sei jetzt schon verraten: Der kleine Mozart-in-the-making hat schließlich allen Grund, richtig stolz auf sich zu sein.

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