.ausgestrahlt - gemeinsam gegen Atomenergie
Pressemitteilung
Hamburg,
14. Mai 2014
Bisherige Erfahrungen mit der Finanzierung von
Hinterlassenschaften der
Atomwirtschaft
Drei Beispiele als Hintergrund
zur Debatte um eine „Bad Bank“
Jochen Stay, Sprecher der
Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt erklärt
zu bisherigen Erfahrungen mit
der Finanzierung von Hinterlassenschaften
der Atomwirtschaft:
„Wenn
jetzt über eine ‚Bad Bank‘ mit beschränkter Haftung der
Stromkonzerne
diskutiert wird, dann ist es hilfreich, sich einmal die
bisherigen
Erfahrungen mit der Abwicklung von Atomprojekten anzusehen.
Wir stellen fest:
Üblich ist, dass die Kosten explodieren. Üblich ist
auch, dass die
Atomwirtschaft nur sehr begrenzt oder gar nicht haftet
und die Abrisskosten
auf den Staat abgewälzt werden. Deshalb warnen wir
davor, jetzt eine
Rechtskonstruktion zu wählen, die die Haftung der
AKW-Betreiber begrenzt und
am Ende für die Steuerzahler teuer wird.“
Beispiel 1:
Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK)
Im Hardtwald bei Karlsruhe
probte die Atomindustrie von 1971 bis 1990
die Wiederaufarbeitung
abgebrannter Brennelemente. Die dabei anfallende
hochradioaktive „Atomsuppe“
wurde in Tanks auf dem Gelände gelagert, die
schwach- und mittelradioaktiven
Abfälle wanderten ins „Versuchsendlager“
Asse oder liegen im benachbarten
Zwischenlager.
Für den Rückbau der WAK und die Entsorgung der
hochradioaktiven
Atomsuppe veranschlagten die Betreiber 1991 Kosten von 1,9
Milliarden DM
(970 Mio. Euro). Offiziell übernahm die Industrie mit 1
Milliarde DM
(511 Mio. Euro) davon sogar den größeren Teil – allerdings
als
Festpreis. Alle Kostensteigerungen fallen somit allein zu Lasten
des
Staats und damit der SteuerzahlerInnen.
Schon Mitte der 1990er
Jahre war klar, dass die 1,9 Milliarden DM bei
Weitem nicht ausreichen. Denn
allein um bloß die „Atomsuppe“ transport-
und lagerfähig zu machen, musste
eine eigene Verglasungsanlage errichtet
(und nun wieder abgerissen) werden.
Bis heute ist unklar, was mit dem
hochradioaktiven Bodensatz passieren soll,
der beim Abpumpen der
Atomsuppe in den Tanks zurückblieb. Und weder für die
verglaste
Atomsuppe, die nun im Zwischenlager Lubmin vor sich hin strahlt,
noch
für die Unmengen schwach radioaktiver Abfälle gibt es ein
Endlager.
2005 wurden die Kosten für den Abriss der WAK und die Lagerung
des
Atommülls bereits auf 1,9 Mrd. Euro (!) geschätzt.
Das
baden-württembergische Wirtschaftsministerium konstatierte damals
nach
erfolglosen Nachverhandlungen: „Eine Veränderung der
Kostenbeteiligung
der Industrie über den 1991 vertraglich vereinbarten Rahmen
hinaus lässt
sich nicht durchsetzen“. 2007 waren die Kosten bereits auf
2,63
Milliarden Euro, 2011 dann auf knapp 2,9 Milliarden Euro gestiegen
–
also mehr als das Dreifache des ursprünglich angenommenen Betrags.
Der
Abriss soll noch bis 2023 dauern. Wie viele Milliarden
die
SteuerzahlerInnen am Ende für die radioaktiven Hinterlassenschaften
des
Wiederaufarbeitungs-Experiments zahlen müssen, ist offen. Klar ist
nur:
Die Atomindustrie ist fein raus.
Beispiel 2:
Thorium-Hochtemperaturreaktor Hamm-Uentrop (THTR)
Der
Thorium-Hochtemperaturreaktor im nordrhein-westfälischen Hamm,
gedacht als
Prototyp eines kommerziellen Kugelhaufenreaktors, war von
1983 bis 1989 in
Betrieb, aber wegen technischer und wirtschaftlicher
Probleme lediglich
sporadisch. Die Betreibergesellschaft HKG, ein
Zusammenschluss mehrerer
Energieversorgungsunternehmen unter Führung von
VEW (heute RWE), drohte 1989
zunächst erfolgreich mit Insolvenz, um
weitere Millionenzuschüsse des Staates
zu erpressen. Kurz darauf
beschlossen die Anteilseigner die Stilllegung des
Reaktors. Die
Rücklagen für den Abriss der Anlage und die Lagerung des
Atommülls waren
niemals ausreichend, ein Haftungsdurchgriff auf die
Eigentümer die
Rechtskonstruktion der Gesellschaft ist aber so gut wie
ausgeschlossen,
weil die HKG als Rechtsform eine GmbH gewählt
hat.
2030 soll mit dem Abriss begonnen werden. Wenn alles gut läuft, soll
er
2045 abgeschlossen sein. Ende 2012 wurden die Kosten für den Rückbau
der
Anlage und die Atommüll-Lagerung auf 735 Millionen Euro geschätzt.
Die
HKG verfügte damals noch über Eigenmittel in Höhe von 41,5 Millionen
Euro.
Beispiel 3: „Versuchsendlager“ Asse II
Im ehemaligen
Salzbergwerk „Asse II“ bei Wolfenbüttel liegen rund
125.000 zum Teil undichte
Fässer mit Atommüll. In die Stollen dringt
Wasser ein, Salzlauge kommt mit
Atommüll in Kontakt, das einst als
„säkular sicher“ bezeichnete gut 40 Jahre
alte „Versuchsendlager“ ist
akut einsturzgefährdet. Das Bundesamt für
Strahlenschutz rechnete 2009
mit Kosten von bis zu 2,5 Milliarden, 2010 dann
mit bis zu 4 Milliarden
Euro für die Sicherung und Bergung des Atommülls
sowie eine
ordnungsgemäße Stilllegung der Grube.
Die Atomindustrie
nutzte das sogenannte „Versuchsendlager“ jahrelang als
billige Müllhalde;
unter anderem erfand sie dort das besonders
kostengünstige „Abkippverfahren“,
bei dem die Fässer nicht mehr
gestapelt, sondern einfach einen Hang
hinabgekippt wurden.
75 Prozent der in der Asse lagernden Radioaktivität
stammt aus
Atomkraftwerken. SPD und CDU schrieben dennoch 2009 ins
Atomgesetz, dass
für die Bergungs-, Stilllegungs- und Sanierungskosten allein
der Bund
aufkommen soll, also alle SteuerzahlerInnen.

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen