19. September 2013

Energiekonzerne: die Maschinenstürmer von heute?




Maschinenstürmerei des 21. Jahrhunderts

Von jedem Arbeitnehmer wird Flexibilität verlangt: verschiedenartige Tätigkeiten, Wohnortwechsel, lebenslanges Lernen etc.
 
Wie steht es in dieser Hinsicht mit den Energiekonzernen? - Neue überlegene Technologien stehen zur Verfügung. Ohne Brennstoffe, ohne Klimaschädigung und mit nur minimaler Umweltbelastung kann Sonnenlicht, Wind und bewegtes Wasser direkt in elektrischen Strom verwandelt werden. Anstatt diese epochal neuen und dringend benötigten Möglichkeiten aufzugreifen, halten die Konzerne an veralteten Techniken fest. Lediglich zusammen 6% tragen die „Großen 4“ zur Stromerzeugung aus regenerativen Quellen bei. 

So nutzen andere die neuen Chancen: Bürger, Genossenschaften, kleine und mittlere Firmen, kommunale Stadtwerke. Was die Konzerne vor nicht langer Zeit noch belächelten, mausert sich zu einer Konkurrenz, die ihnen den Schweiß auf die Stirn treibt: Die Energien, die Sonne und Wind kostenlos zur Verfügung stellen, senken die Preise an der Strombörse bereits derart, dass fossile Kraftwerke an ihre Rentabilitätsgrenze stoßen.

Solarstrom billiger als Atomstrom
 
Wie die „Badische Zeitung“ heute berichtet (das DIW bereits in seinem Wochenbericht 29/2013 vom Juli) verlangt der französische Energiekonzern „Electricitée de France“ (EdF) für ein in England geplantes Kernkraftwerk eine staatlich garantierte Einspeisevergütung von 11,5 Cent pro Kilowattstunde. Zum Vergleich: Neue Solaranlagen mit einer Leistung ab einem Megawatt erhalten in Deutschland aktuell eine Vergütung von 10,25 Cent. Ab 1. Oktober wird der Satz unter zehn Cent fallen. Während die Einspeisevergütungen nach dem deutschen EEG für 20 Jahre gelten und in dieser Zeit unverändert bleiben, verlangt EdF eine Garantie für 35 Jahre und zusätzlich einen Inflationsausgleich. Nur so würde sich der geplante Meiler rechnen.
Onshore-Windkraft ist bekanntlich noch günstiger als Solarstrom. Wenn die Erneuerbaren als Preistreiber hingestellt werden, ist dies also eine reine Verkehrung der Tatsachen. Preistreiber sind nicht die Erneuerbaren Energien, sondern diejenigen Versorger, die den Strom an der Börse billig einkaufen, den Vorteil aber nicht an ihre Kunden weitergeben. Dass es auch anders geht, demonstriert Energiedienstleister Care-Energy, der seinen derzeit ca. 250.000 Kunden zertifizierten Strom aus regenerativer Erzeugung für unter 20 Cent pro KWh liefert.

Speichertechniken stehen zur Verfügung
Dass fossilen oder atomaren Kraftwerken im Moment überhaupt noch eine Existenzberechtigung zugesprochen werden kann, beruht lediglich darauf, dass für die Wechselhaftigkeit von Wind und Sonne ein Ausgleich benötigt wird. - Doch bekanntlich eignen sich Großkraftwerke wegen mangelnder Flexibilität hierfür nur denkbar schlecht. Intelligentes Netzmanagement und Speicherung sind die einer Vollversorgung durch erneuerbaren Strom adäquaten Ausgleichsmethoden. 

Während für eher kurzzeitige Speicherung und Stabilisierung der Netzfrequenz auch Batteriesysteme in Frage kommen, bietet sich für die Langzeitspeicherung insbesondere die „Power to Gas“-Technik an: Per Elektrolyse mit überschüssigem Wind- und Sonnenstrom wird Wasserstoff hergestellt. Dieser kann entweder direkt - oder durch Verbindung mit CO2 methanisiert - per Gasgeneratoren in Strom zurückverwandelt werden. Geschieht dies mit Kraft-Wärme-Kopplung, wird bereits heute ein Wirkungsgrad von 50% erreicht. 

Noch steht diese Technik am Anfang ihrer Entwicklung. Die Deutsche Netzagentur (dena) beabsichtigt jedoch, bis zum Jahr 2022 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 1000 MW zu errichten für Gesamtkosten von 1,7 Mrd. Euro (Pressemitteilung vom 18.06. 2013). - (Zum Vergleich: das von der MIBRAG gewünschte Kohlekraftwerk mit 600 MW würde 1,3 Mrd. kosten.) Die Firma „Etogas“ (vormals „solar fuel“), die kürzlich eine 6 MW-Anlage für Audi fertigstellte, kündigt den Bau von Anlagen in der Größenordnung von 25 MW und zu wirtschaftlichen Kosten für die nächsten Jahre an.

Energiekonzerne: die Maschinenstürmer von heute?
 
Man könnte meinen, dass die Konzerne hier ein neues und zukunftsfähiges Arbeitsfeld für sich entdecken würden. Doch nein. Abgesehen von einigen, die sich unter den Partner-Firmen des dena-Vorhabens eingereiht haben, halten sie sich zurück. - Offensichtlich machen sie sich das Motto „Schuster bleib bei deinem Leisten“ zu eigen, was in diesem Fall bedeutet: weiter Kohle verbrennen. 

Dieses beinhaltet auch: Hexenjagd gegen das Neue! Noch haben die Konzerne Einfluss und Macht, um Teile der Politik und der Medien zur Bremsung durch Falschdarstellung der Erneuerbaren aufzustacheln. Ihre Bemühungen erinnern an die Maschinenstürmer im frühen 19. Jahrhundert, die, benachteiligt durch die damalige von der Dampfmaschine ausgelöste 1. Energiewende, das Neue mit dem Hammer aufhalten wollten. - Ebenso wenig wie es damals gelang, wird jedoch auch heute die neue und überlegene Technik von vergangenheitsorientierten Gruppen aufgehalten werden können.

Christfried Lenz, 19.09.2013

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