Mehr Demokratie e.V.
Bundesverband
Pressemitteilung 36/13
Berlin,
10.10.13
+++ Mehr Demokratie reicht Verfassungsbeschwerde gegen
Drei-Prozent-Hürde bei Europawahl ein +++
Änderung des Europawahlgesetzes in
Kraft – Mehr als 1.000 Bürgerinnen und Bürger unterstützen Mehr
Demokratie-Klage
Am heutigen Donnerstag (10.10.) tritt eine Änderung des
Europawahlgesetzes in Kraft, mit der bei Wahlen zum Europäischen Parlament eine
Drei-Prozent-Hürde gilt. Der Verein Mehr Demokratie reicht hiergegen heute
Verfassungsbeschwerde ein. 1.099 Bürgerinnen und Bürger unterstützen den Gang
zum Bundesverfassungsgericht und haben den Staatsrechtler Matthias Rossi,
Professor an der Universität Augsburg, als Prozessbevollmächtigten beauftragt.
Aus Sicht von Mehr Demokratie verstößt die Änderung gegen den Grundsatz der
Gleichheit der Stimme und gegen die Chancengleichheit der
Parteien.
Verabschiedet wurde das Gesetz zur Einführung der neuen
Sperrklausel am 13. Juni dieses Jahres von den Bundestagsfraktionen der CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Linksfraktion. Der
Bundesrat hatte es im Juli passieren lassen. Bundespräsident Joachim Gauck hat
es am Montag dieser Woche (7.10.) unterzeichnet.
Das
Bundesverfassungsgericht hatte im November 2011 die damals geltende
Fünf-Prozent-Hürde als unzulässig verworfen, weil die Stimmengleichheit damit
verletzt wird. „Auch bei einer geringeren Hürde gelten dieselben
verfassungsrechtlichen Argumente“, erklärt Michael Efler, Vorstandssprecher von
Mehr Demokratie. „Es ist offensichtlich, dass die großen Parteien mit dieser
Gesetzesänderung ihre Pfründe sichern wollen, denn proportional erhalten sie
mehr Sitze im Parlament, wenn kleine Parteien scheitern. Verlierer sind dabei
vor allen Dingen die Wählerinnen und Wähler, deren Stimmen verloren gehen.“ Bei
der Europawahl 2009 betraf dies in Deutschland 2,8 Millionen oder 10,8 Prozent
der abgegebenen gültigen Stimmen. Die Sammelbeschwerde soll den Wählenden die
Möglichkeit geben, sich die Gültigkeit ihrer Stimme zu sichern.
Das
Argument für eine Sperrklausel lautet, dass die Handlungsfähigkeit des
Europäischen Parlaments durch eine Zersplitterung in viele kleinere Parteien
gefährdet sei. „Allerdings sind im Parlament bereits 162 Parteien aus ganz
Europa vertreten – zusätzliche Parteien würden also nicht stark ins Gewicht
fallen“, erläutert Efler. Zudem schlössen sich die meisten Parteien einer der
Fraktionen im Europäischen Parlament an, die über eine erhebliche
Integrationskraft verfügten und damit eine Zersplitterung des Parlaments
verhinderten.
Hintergrund:
Offiziell begründet wird die neue
Sperrklausel mit einer rechtlich unverbindlichen Entschließung des Europäischen
Parlaments vom 22. November 2012, Mindestschwellen in den nationalen Gesetzen
festzulegen. Begründet wurde diese Entschließung mit „neuen Modalitäten für die
Wahl der Europäischen Kommission und des sich demzufolge ändernden Verhältnisses
zwischen Parlament und Kommission ab den Wahlen 2014.“ Aus Sicht von Mehr
Demokratie haben diese Veränderungen jedoch nur einen geringen Einfluss auf das
Verhältnis zwischen Parlament und Kommission, zumal die betreffenden Änderungen
im Vertrag von Lissabon bereits 2009 vorgenommen worden waren. Sie waren also
bereits in Kraft, als das Bundesverfassungsgericht im November 2011 sein Urteil
fällte. An den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen im Europäischen
Parlament hat sich seitdem somit nichts Wesentliches geändert. Viele
EU-Mitgliedsstaaten verzichten auf Sperrklauseln bei der Europawahl, darunter
mit Spanien und Großbritannien auch Staaten mit großen Sitzkontingenten.
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