27. Mai 2013

Müsli für den Nestlé-Chef: Muster für ausgewogene Kinder-Frühstücksflocken an Vorstandsvorsitzenden Berssenbrügge überreicht - foodwatch fordert Rezepturänderung bei Kinderprodukten




Der Anteil übergewichtiger Kinder ist im Vergleich zu den 80er- und 90er-Jahren um 50
Prozent gestiegen. Heute gelten 15 Prozent der Kinder als zu dick, 6 Prozent sogar als fettleibig
(adipös). Folgen sind erhöhte Risiken für Diabetes, Herzkreislauf- und andere schwerwiegende
Krankheiten. Ein Prozent der Kinder leidet heute bereits an Altersdiabetes.

 

 

Kinder essen nur die Hälfte der empfohlenen Menge an Obst und Gemüse aber weit mehr
als 200 Prozent der empfohlenen Menge an Süßwaren, Snacks und Softdrinks und deutlich
zu viele fettreiche tierische Lebensmittel wie Fleisch und Wurstwaren.

  


In einem Marktcheck hat sich foodwatch das Angebot der Lebensmittelindustrie an Kinderlebensmitteln
angeschaut – Produkte also, die von den Herstellen als speziell für Kinder geeignet
beworben oder mithilfe von Comicfiguren oder Spielzeug-Beigaben gezielt an Kinder
vermarktet werden. Insgesamt 1.514 Produkte wurden analysiert…

  
Bildergebnis für 1_Ubergewicht-bei-Kindern-und-Jugendlichen.jpg

…und mit Hilfe der Ernährungspyramide des vom Bundesernährungsministerium geförderten
„aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz“ bewertet. Dabei werden
ausgewogene Produkte, die Kinder häufig verzehren sollten, in die grüne Basis der Pyramide
einsortiert, Süßigkeiten und Snacks, die nur selten auf dem Speiseplan stehen sollten, dagegen
in die rote Pyramidenspitze.

 
  


Ergebnis des foodwatch-Marktchecks: Fast drei Viertel der Produkte fallen in die rote Kategorie
an der Spitze der Pyramide. Das Angebot, mit dem die Lebensmittelindustrie gezielt
auf Kinder zugeht, besteht also vorwiegend aus süßen und fetten Snacks, die nach den
Empfehlungen des aid eigentlich nur sparsam verzehrt werden sollten. Alle Ergebnisse des
Marktchecks unter www.foodwatch.de/marktcheck.

 
  



Mit diesem Angebot stellt die Industrie die Ernährungspyramide auf den Kopf. Anstelle
überwiegend gesunder Produkte gemäß den ernährungsphysiologischen Empfehlungen …

 
 
  


… besteht das Angebot an Lebensmitteln, die speziell für Kinder vermarktet werden, zum
Großteil aus Süßwaren, fettigen und süßen Snacks, Frühstücksflocken und gezuckerten
Softdrinks.

 
  


Warum bietet die Industrie vor allem solche Produkte an? Dafür gibt es einen einfachen
Grund: Mit Obst und Gemüse lässt sich nur wenig Geld verdienen – Snacks und Süßigkeiten
versprechen deutlich höhere Margen. Kinder sollen Junkfood essen – das wird zu einer betriebswirtschaftlich
logischen Zielsetzung.

 
  


Die Konsequenz lässt sich an den Werbeetats ablesen: Mit enormem Marketing-Aufwand
werden insbesondere Schokolade und Süßwaren beworben. Werbung für gesunde Produkte
oder gar Obst und Gemüse? Meistens Fehlanzeige.

 
 
 
 
Sie sind schmackhaft, für Kinder attraktiv aufgemacht - und vor allem ausgewogen. Die Verbraucherorganisation foodwatch hat Nestlé-Deutschland-Chef Gerhard Berssenbrügge bei einem Gespräch in der Nestlé-Zentrale in Frankfurt ein eigenes Musterprodukt für kindgerechte Frühstücksflocken überreicht, wie sie der Konzern anstelle seiner überzuckerten "Trio"-, "Cookie Crisp"- oder "Cini Mini"-Produkte auf den Markt bringen könnte. Die von foodwatch zusammengestellten "Flockies Bunte Beeren" kommen nicht nur ohne Zusatzstoffe und Aromen aus - sie sind auch frei von zugesetztem Zucker und bestehen insgesamt zu weniger als fünf Prozent aus Zucker. Ganz im Gegensatz zu Nestlés hochgradig verarbeiteten Frühstücksflocken für Kinder: Diese enthalten 30 bis 37 Prozent Zucker.
"Das foodwatch-Musterprodukt zeigt, was möglich ist: Nestlé könnte ohne Weiteres kindgerechte Frühstücksflocken herstellen, die gleichzeitig schmecken und ausgewogen sind", erklärte foodwatch-Kinderlebensmittelexpertin Anne Markwardt, die die "Flockies"-Packung gemeinsam mit foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode an den Nestlé-Chef übergab. "Niemand kann behaupten, dass es keine machbare und attraktive Alternative zur unverantwortlichen Nestlé-Strategie gibt, klebrige Süßigkeiten wie ausgewogene und gesunde Kinderprodukte für das tägliche Frühstück zu vermarkten." Nestlé solle sich bei der Produktentwicklung an den Ernährungsbedürfnissen der Kinder statt am Zuckergehalt von Konkurrenzmarken orientieren.
E-Mail-Aktion: Maximal zehn Prozent Zucker in den Frühstücksflocken! foodwatch forderte Nestlé als größten Nahrungsmittelkonzern der Welt auf, seiner Verantwortung für eine ausgewogene Kinderernährung gerecht zu werden. Dazu soll Nestlé in einem ersten Schritt.
. die Rezepturen der Frühstücksflocken überarbeiten: Nur noch solche Produkte, die tatsächlich kindgerecht sind und maximal 10 Prozent Zucker enthalten, dürfen als Kinderprodukte vermarktet werden. . alle Marketingaktivitäten in Schulen und Kindergärten beenden - dazu gehört auch indirektes Marketing über Klassen-Wettbewerbe oder Bildungsprogramme. . seine eigenen Unternehmensgrundsätze einhalten und unausgewogene Produkte nicht länger an Kinder unter 12 Jahren vermarkten.
Unter www.foodwatch.de/aktion-nestle startete foodwatch heute eine E-Mail-Aktion an Nestlé-Deutschland-Chef Gerhard Berssenbrügge unter dem Motto "Zucker runter, Nestlé - maximal 10 Prozent Zucker in Frühstücksflocken für Kinder".
"Viele Kinder ernähren sich unausgewogen. Mit seinen überzuckerten Frühstücksflocken - die anders als klassische Süßigkeiten eigentlich ausgewogen sein könnten - ist Nestlé Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Das muss sich ändern", so Anne Markwardt von foodwatch.
Bei der "Flockies"-Verpackung hat sich foodwatch am Nestlé-Produkt "Trio" orientiert und wesentliche Gestaltungselemente übernommen. Von der Packung entfernt wurden übertriebene Werbebotschaften wie die so genannte "Vollkorngarantie" oder Nährwertangaben in Form verwirrender Portionsgrößen, mit denen sich der Zuckeranteil kleinrechnen lässt. Die von foodwatch beispielhaft entwickelte Packung enthält ein realistisches Produktfoto, bei den werblich hervorgehobenen Zutaten (Nüsse und Früchte) ist deren Anteil im Produkt gleich auf der Vorderseite genannt. Die "Flockies"-Flocken selbst bestehen aus Getreideflocken, Cornflakes, Nüssen und Früchten. Zugesetzter Zucker befindet sich nicht im Produkt. Das Ergebnis: Frühstücksflocken, die schmecken - und anstelle leerer Kalorien in Form von zugesetztem Zucker vor allem Getreideflocken mit wertvollen Ballaststoffen enthalten. Im Vergleich:
Original-Produkt: Nestlé "Trio"Zutaten: 68,1% Getreide (27,3% Vollkornweizenmehl, Weizen-mehl, 10,5% Vollkornhafermehl, Maisgrieß, Reismehl), Zucker, Traubenzucker, Honig, Vanilleextrakt, Karamell, Gerstenmalzextrakt, Süßmolkenpulver, Maltodextrin, Pflanzenöl, Salz, Vitamine und Mineralstoffe (Vit.C, Niacin, Pantothenat, Vit. B6, Vit. B2, Vit. B1, Folsäure, Vit. B12, Calciumcarbonat), Farbstoff (Paprikaextrakt, Beta-Carotin), Antioxidationsmittel E306 Brennwert: 378 kcal pro 100 g Eiweiß: 7,2 g pro 100 g Kohlenhydrate: 82,8 g pro 100 g davon Zucker: 36,9 g pro 100 g Fett: 2 g pro 100 g davon gesättigte Fettsäuren: 0,5 g pro 100 g Salz: 0,5 g pro 100 g Ballaststoffe: 4 g pro 100 g
foodwatch-Musterprodukt: "Flockies Bunte Beeren"Zutaten: Getreide (Weizen-, Hafer-, Roggen-, Dinkel-, Gerstenflocken aus Vollkorn), Haselnusskerne, Mandeln, Dinkel gepufft, Heidelbeeren, Himbeeren, Erdbeeren Brennwert: 347 kcal pro 100 g Eiweiß: 11,6 g pro 100 g Kohlenhydrate: 53 g pro 100 g davon Zucker: 4,3 g pro 100 g Fett: 9,75 g pro 100 g davon gesättigte Fettsäuren: 0,9 g pro 100 g Salz: < 0,1 g pro 100 g Ballaststoffe: 10,9 g pro 100 g
Ziel bei der Zusammenstellung des Produktmusters war es, Alternativen zu den gegenwärtigen, überzuckerten Kinderprodukten aufzuzeigen - foodwatch wird jedoch selbstverständlich nicht selbst in die Herstellung von Nahrungsmitteln einsteigen oder mit Nestlé oder einem anderen Unternehmen bei der Produktentwicklung kooperieren.
Link: E-Mail-Aktion "Zucker runter, Nestlé": www.foodwatch.de/aktion-nestle
 
 
 

  

Unternehmen versuchen, Kinder so früh wie möglich an die eigene Marke zu binden und in
jungen Jahren Geschmacksprägung für ein ganzes Leben zu erreichen. Ist Hänschen ein

treuer Kunde, bleibt es Hans erst recht. Egal ob im Supermarkt oder auf Sportveranstaltungen,
im Fernsehen oder im Internet: Die Industrie bombardiert Kinder mit Werbung, wie hier
Dr. Oetker mit seiner Markenwelt rund um den Pudding Paula. Eltern werden mit Versprechungen
auf „besonders geeignete“ und „kindgerechte“ Produkte gelockt, die angeblich
„das Beste aus der Milch“ oder „wertvolle Vitamine“ enthalten.

 

 

Selbst in die Schulen drängen Hersteller mit ihren Vermarktungs-Strategien und bieten zum
Beispiel, wie hier Capri Sonne, Unterrichtsmaterialien für Lehrer an.

 
 

 
 

Kinder sind für die Lebensmittelindustrie eine begehrte Zielgruppe, da sie einen beachtlichen
Anteil ihres Taschengeldes für Süßigkeiten und Getränke ausgeben. Mindestens genauso
wichtig für die Hersteller ist der große Einfluss, den Kinder auf das Einkaufsverhalten
ihrer Eltern haben.

 
 
 


Insbesondere die Hersteller zuckriger, ungesunder Frühstücksflocken versuchen ihre Produkte
mithilfe von Gewinnspielen, Rätseln und Spielen für Kinder besonders begehrenswert
zu machen. Zwar könnten Frühstücksflocken durchaus Teil einer ausgewogenen Ernährung
sein, doch für ungezuckerte Haferflocken wird nicht mit Sportidolen oder Comic-Figuren
geworben. Alle Frühstücksflocken-Produkte von Nestlé und Kellogg’s im foodwatch-
Marktcheck fallen in die rote Kategorie und sollten nur sehr sparsam verzehrt werden.

 

 

Kinder verzehren ohnehin zu viel Fleisch und Wurstprodukte. Doch Lebensmittelhersteller
bewerben häufig auch solche Produkte gezielt an Kinder.
 

 

Spielzeug oder Lebensmittel? Bei manchen Produkten, die speziell an Kinder vermarktet
werden, verschwimmt diese Grenze.

 
 

  http://image.slidesharecdn.com/foodwatch-reportkinderkaufen2012-131008072420-phpapp01/95/foodwatchreport-kinder-kaufen-2012-1-638.jpg?cb=1381217182
 
„Kinder kaufen“: In diesem Report hat sich die Verbraucherorganisation intensiv damit befasst,
wie die Ernährungsindustrie durch ein unausgewogenes Produktangebot, zweifelhaftes
Marketing und überbordende Lobbyarbeit zur Fehlernährung bei Kindern beiträgt. Der Report
kann unter www.foodwatch.de/kinderreport heruntergeladen werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...