Gelatine im Saft, Schweineborsten in der Brotherstellung, Milchzucker für Veganer: Versteckte Tierprodukte bei Valensina, Ritter Sport, funny frisch & Co. - foodwatch: Aigner muss Gesetzeslücke schließen
Multivitaminsäfte mit Gelatine, Fisch und Wild in Kartoffelchips: Viele vermeintlich vegane oder vegetarische Lebensmittel enthalten Tierprodukte, ohne dass dies auf der Verpackung angegeben werden muss.
Die Verbraucherorganisation foodwatch hat Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) mit einer heute gestarteten E-Mail-Aktion unter www.foodwatch.de/aktion-versteckte-tiere aufgefordert, die Gesetzeslücke zu schließen: "Der Gesetzgeber macht es den Verbrauchern nahezu unmöglich, Tierprodukte in Lebensmitteln zu meiden", erklärte Oliver Huizinga von foodwatch. "Das ist eine Zumutung für Vegetarier und Veganer, aber auch für alle anderen Verbraucher, die gerade bei tierischen Lebensmitteln bewusste Kaufentscheidungen treffen, den Konsum reduzieren wollen oder nur bestimmte Formen der Tierhaltung unterstützen möchten." foodwatch hatte zuletzt vor allem über das soziale Netzwerk facebook eine Reihe von Anfragen zu einzelnen Produkten mit versteckten Tieren erhalten und dies zum Anlass für eine Recherche genommen.
Ohne Deklarationspflicht kommen tierische Bestandteile als Trägerstoffe von Aromen und Vitaminen in Lebensmittel. Zum Beispiel befindet sich in den Multivitaminsäften Valensina und hohes C (Eckes Granini) Gelatine als Träger von zugesetzten Vitaminen, wie die Hersteller auf Anfrage bestätigten. Chips-Produzent funny-frisch gab gegenüber foodwatch an, dass weite Teile seines Sortiments tierische Bestandteile enthalten, je nach Sorte Wild, Fisch, Geflügel, Rind oder Schwein. In der Zutatenliste muss dies nicht aufgeführt werden.
In anderen Fällen kommt es zu produktionsbedingten Verunreinigungen, so genannten Kreuzkontaminationen. So bietet die Schokoladenfirma Ritter Sport Sorten an, die gemäß Rezeptur frei von Milchbestandteilen sind - da in denselben Produktionslinien jedoch auch Milchschokolade hergestellt wird, kommt es zu Verunreinigungen. Ritter Sport hat solche selbst gemessen und gibt für die - eigentlich milchfreien - Sorten Halbbitter und Marzipan auf seiner Internetseite daher einen Milchzuckeranteil von 0,3 bis 0,4 Gramm pro 100-Gramm-Tafel an. Dennoch empfiehlt Ritter Sport die beiden Sorten im Firmenblog an die "lieben Freunde veganer Schokolade" - und zwar mit den Worten: "Diese enthalten keine Milchbestandteile". "Das ist so falsch wie irreführend", kritisierte Oliver Huizinga von foodwatch. Bei Katjes müssen Verbraucher ebenfalls damit rechnen, dass es bei den Fruchtgummis aus der aktuellen "Veggie"-Kampagne des Unternehmens zu Gelatine-Verunreinigungen kommen kann. Katjes wollte die Anfrage von foodwatch nicht beantworten, ob der Hersteller diese ausschließen kann.
Auch bei technischen Hilfsstoffen kommen Tierbestandteile zum Einsatz, ohne dass dies für Verbraucher erkennbar ist. Zum Klären von Wein und Saft setzen einige Anbieter auf Gelatine. Die Aminosäure L-Cystein dagegen kommt in Bäckereien zum Einsatz, sie macht Mehl leichter knetbar - gewonnen wird sie zum Beispiel aus Schweineborsten oder Federn.
Um Transparenz und Wahlfreiheit zu erreichen, fordert foodwatch eine gesetzliche Klarstellung:
1. Wo Zutaten oder Verarbeitungshilfsstoffe tierischen Ursprungs eingesetzt werden, muss dies deutlich erkennbar sein. Das gilt auch für tierische Bestandteile in Aromen, Zusatzstoffen und technischen Hilfsstoffen, die während des Produktionsprozesses zum Einsatz kommen. Wer vollständig auf Zutaten tierischen Ursprungs verzichten möchte, muss die Möglichkeit dazu haben.
2. Die Begriffe "vegan" und "vegetarisch" müssen wie folgt rechtlich definiert werden: . Vegetarisch: Ohne Zutaten, die von einem toten Tier stammen, hergestellt (Ovo-Lacto-Vegetarismus) - erlaubt sind Ei- und Milchprodukte . Vegan: Ohne tierische Lebensmittel (einschließlich Milch- und Eiprodukte) hergestellt Wird ein Produkt ausdrücklich als "vegan" oder "vegetarisch" ausgelobt oder beworben, muss der Hersteller auch jegliche Kreuzkontamination ausschließen können.
Links:. Mehr zum Thema: www.foodwatch.de/versteckte-tiere . E-Mail-Aktion: www.foodwatch.de/aktion-versteckte-tiere
Maggi Tomatencremesuppe (Nestlé)
Zu der Kategorie „steht zwar im
Kleingedruckten, hätte aber niemand erwartet“ zählt die
Tomatencremesuppe von Maggi (Nestlé). Neben den üblichen Bestandteilen
von
Tütensuppen (Mehl, Hefeextrakt, Aroma uvm.) steckt auch Speck als
Zutat in dem Beutel. Wer bei Tomatencremesuppe ein vegetarisches Gericht
erwartet, wird hier enttäuscht. Das sollte der
Hersteller deutlicher kennzeichnen.
Gelatine in Frischkäse und Quark (Bild: Rotkäppchen Landrahm Kräuter, Bresso Balance, Bresso Kräuter aus der Provence,
Milram Frühlings Quark Leicht)
Frischkäse ist Frischkäse ist
Frischkäse ist Frischkäse? Von wegen. Bei einigen kommt als
Verdickungsmittel tierische Gelatine zum Einsatz, so bei Bresso und
Rotkäppchen oder beim Frühlingsquark von Milram. Das muss zwar im
Kleingedruckten gekennzeichnet werden. Doch wer erwartet bei Frischkäse
oder Quark schon Schweinehaut im Innern? Dass es auch
ohne Gelatine geht, zeigt Philadelphia.
Ritter Sport Marzipan
Laut Rezeptur ist die
Marzipan-Schokolade von Ritter Sport vegan. Der Haken: Weil auf
denselben Produktionsstraßen auch Milchschokolade produziert wird, kann
der
Hersteller Kreuzkontaminationen jedoch nicht ausschließen. Er hat
sie sogar selbst gemessen: Auf seiner Website gibt Ritter Sport an, dass
eine Tafel Marzipan-Schokolade 0,4 Gramm Laktose, also
Milchzucker enthalte. So weit, so transparent – würde der
Schoko-Produzent die Sorte nicht ausdrücklich Veganern empfehlen. Und
zwar mit dem Hinweis: enthält „keine Milchbestandteile“. Das ist so
falsch wie irreführend. Wir finden: Wer etwas für Veganer bewirbt,
sollte Kreuzkontaminationen auch wirklich ausschließen können.
Chips (Bild: Chipsfrisch ungarisch, Jumpys Paprika, Ofen Chips Paprika, Frit-Sticks ungarisch)
Sei es Kälberlab, Fisch, Schwein,
Wild oder Geflügel. In den salzigen Snacks von funny-frisch sind
vielerlei tierische Bestandteile enthalten, wie der Hersteller
auf Nachfrage von foodwatch verrät. In den seltensten Fällen ist das
auf dem Etikett gekennzeichnet. Die Produkte vom Konkurrenten Lorenz
(Crunchips) kommen laut Herstellerangaben ohne „tierische
Fleischbestandteile“ daher. Allerdings wird im Produktionsprozess
auch tierisches Lab eingesetzt.
Säfte Multivitamin (Bild: hohes C Milder Multivitamin, Valensina Multi-Vitamin)
Gelatine steckt nicht bloß im
Fruchtgummi. Auch als Trägerstoff für Vitamine wird sie eingesetzt und
landet über diesen Umweg beispielsweise in den
Multivitaminsäften von Valensina oder hohes C (Eckes Granini).
Wieder einmal tappt der Verbraucher im Dunkeln: Auf der Verpackung
kennzeichnen die Hersteller das nicht, sondern geben es nur auf
Nachfrage von foodwatch preis.
Katjes Yoghurt-Gums
Auch Katjes stellt Fruchtgummis
sowohl mit als auch ohne Gelatine her. Letztere bewirbt der Hersteller
sogar mit einer groß angelegten „Veggie-Kampagne“ – doch ob
und wie Katjes bei den „Veggie“-Yoghurt-Gums Verunreinigungen mit
Gelatine wirklich ausschließen kann, ist unklar. Auch auf wiederholte
Nachfrage von foodwatch verweigerte das Unternehmen die
Auskunft. Verbraucher müssen also davon ausgehen, dass „veggie“ bei
Katjes nicht unbedingt rein vegetarisch bedeuten muss.
Säfte geklärt (Bild: Valensina Orange-Mango-Ananas)
Gelatine ist für Safthersteller auch
auf anderem Wege von Bedeutung. Viele Säfte werden – wie Wein – auch
heute noch mit Gelatine von Trübstoffen befreit (Klärung).
Auch Valensina nutzt dieses Verfahren, beispielsweise für den Saft
Orange-Mango-Ananas. Ohne es zu kennzeichnen, versteht sich. Guten
Appetit.
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