Parteitags-Sponsoring nur Spitze des Eisbergs – Sponsoren finanzieren Bundesgeschäftsstelle von CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung – Lobbycontrol: Auch die Union hat ein Sponsorproblem
Berlin, 1.12.2016: Auf Antrag der
Grünen debattiert der Bundestag heute über Parteisponsoring.
Außerdem kündigte der SPD-Parteivorstand einen Gesetzesentwurf an,
der Sponsoring transparenter machen soll. Die SPD teilte weiterhin
mit, sie wolle zukünftig zu ihren Parteitagen die Namen ihrer
Aussteller und Sponsoren sowie die gezahlten Summen
veröffentlichen. Die Union sagte gegenüber Lobbycontrol, dass sie
eine Änderung des Parteiengesetzes weiterhin für nicht
erforderlich halte. Lobbycontrol fordert die Union auf, ihre
Blockadehaltung beim Parteiensponsoring endlich aufzugeben.
Annette Sawatzki von Lobbycontrol
kommentiert: „Rent-a-Sozi hat gezeigt: Wir brauchen dringend eine
klare gesetzliche Regelung des Parteiensponsoring. Es ist gut,
dass die SPD diese Konsequenz ziehen will. Jetzt sind CDU und CSU
am Zug. Auch die Union hat ein Sponsorproblem: Zweimal schon flog
auf, dass sie Ministerpräsidenten vermietet. Auch Feste,
Veröffentlichungen und sogar Büros der Union und ihres Netzwerks
werden gesponsert – ohne dassklar wird, welche Gegenleistungen zu
welchen Beträgen dort geboten werden. Solche verdeckten Geldflüsse
beschädigen die Demokratie und das Ansehen aller Parteien und
Politiker. Die Union sollte sich klarmachen, dass ihre
Transparenzblockade von den Bürgerinnen und Bürger nicht
akzeptiert wird. “
Gegenüber Lobbycontrol sagte ein
Vertreter der CDU-Geschäftsstelle: „Die CDU sieht derzeit keinen
Änderungsbedarf am Parteiengesetz.“ Ein Merkmal von Sponsoring
sei, dass es „für jeden sichtbar und damit transparent ist“.
Dazu sagt Christina Deckwirth von
LobbyControl: „Mit diesen Äußerungen verkennt die CDU die
Realität. Es reicht nicht, dass Sponsor-Logos sichtbar sind, zumal
oft nur für die Teilnehmer gesponserter Veranstaltungen. Die
Öffentlichkeit muss wissen, wer die Parteien mit welchen Summen
sponsert und welche Gegenleistungen sie dafür erhalten. Sponsoring
ist seit langem eine beträchtliche Einnahmequelle der Parteien. Es
ermöglicht heute
intransparente Geldflüsse an Parteien in beliebiger Höhe. Dieser
Zustand ist nicht tragbar und nicht mit Verfassung vereinbar.
Artikel 21 Grundgesetz sagt klar, dass die Parteien die
Herkunft ihrer Mittel offenlegen müssen. Das Sponsoring darf hier
nicht länger außen vor bleiben.“
Grüne und Linke sprachen sich
Lobbycontrol gegenüber für gesetzliche Transparenz beim
Parteisponsoring aus. Beide Parteien wollen, dass auch
partei-eigene Firmen und assoziierte Vereine Sponsorzahlungen
offenlegen müssen.
Als Reaktion auf die Sponsoring-Affäre
kündigte die SPD an, die Höhe der Sponsorenleistungen auf ihrem
kommenden Parteitag offenzulegen. Bislang hatte sie nur die Namen
der Sponsoren auf ihrer Webseite aufgelistet. Annette Sawatzki
kommentiert: „Es ist gut, wenn die SPD hier einen Beitrag zu mehr
Transparenz leistet. Allerdings betrifft Sponsoring längst nicht
nur Bundesparteitage – diese Großveranstaltungen sind vielmehr nur
die Spitze des Eisbergs.“ BMW etwa sponserte im Jahr 2014 unter
anderem die Denkfabrik Sachsen der CDU, die Landesversammlung der
CSU-Frauenunion, die CSU-Mittelstandsunion, einen SPD-Empfang zur
Verleitung des Innovationskreises und die Jubiläumsfeier des
Seeheimer Kreises.
Hintergrund:
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Im Bundestag wird heute um 16 Uhr über Parteisponsoring debattiert. Anlass ist ein Antrag der Grünen an die Bundesregierung, das Parteiensponsoring transparenter zu gestalten. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/095/1809573.pdf. Mehr Informationen zu den bisherigen Positionen der Parteien zu Parteisponsoring finden Sie in unseren Lobbyreports 2013 und 2015: https://www.lobbycontrol.de/hintergrundpapiere/
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Die im Bundestag vertretenen Parteien nehmen laut der aktuellsten Rechenschaftsberichte für das Jahr 2014 rund 32,7 Mio. Euro für„Veranstaltungen, Vertrieb von Druckschriften und sonstiger mit Einnahmen verbundener Tätigkeit“ ein. Hinter diesem Sammelposten verbergen sich auch Sponsoring-Einnahmen für Parteitage und andere Veranstaltungen, soweit sie direkt an die Parteien fließen. Die Einnahmen der Parteien aus Unternehmenstätigkeiten einschließlich der über Unternehmen abgewickelten Sponsorenzahlungen liegt bei rund 2,2 Millionen Euro, wobei diese fast ausschließlich auf das Konto der SPD fließen. Wer sich hinter diesen Zahlungen verbirgt, bleibt der Öffentlichkeit unbekannt, da Sponsoringeinnahmen in den Rechenschaftsberichten der Parteien nicht einzeln ausgewiesen werden müssen.
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Eine gestern veröffentlichte Forsa-Umfrage im Auftrag des „Stern“ ergab, dass 87 Prozent der Befragten die derzeitige Intransparenz des Sponsoring nicht akzeptabel finden. Die Auffassung von CDU/CSU wird nur von 10 Prozent der Befragten geteilt. http://www.presseportal.de/pm/6329/3497527
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Die neue Bundesgeschäftsstelle der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (MIT) wurde von Spendern und Sponsoren mitfinanziert. Auf der Webseite werden folgende Unternehmen als "Sponsoren" bezeichnet: Alba Recycling Group, Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Crossconsulting, DEKRA, Gesamtmetall, Insa Consulere, McDonalds, Plansecur, RCC, Verband Rauchtabak (https://www.mit-bund.de/geschaeftsstelle). Laut Auskunft der MIT-Geschäftsstelle war diese Nennung auf der Webseite die zentrale Gegenleistung für das Sponsoring. Die ersten Sponsoren wurden zudem zur Einweihungsfeier der neuen Büroräume eingeladen. Die Zuwendungen für die neue Geschäftsstelle beliefen sich laut MIT-Bericht auf max. 5.000 Euro (MIT: Veranstaltungsbuch zum 12. Bundesmittelstandstag 2015. S. 15). Die Fundraising-Kampagne der MIT erhielt den CDU-internen Fundraising-Preis 2015.
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