Europäische
Kommission verweigert Umweltverband Herausgabe von offensichtlich
brisanten Unterlagen zum gefährlichen Kältemittel R1234yf –
Veröffentlichung würde laut EU-Kommission die „Anpassungsfähigkeit und
Stabilität der Unternehmen sowie ihre mittelfristigen Pläne“
beeinträchtigen
Berlin, 2.7.2014:
Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) hat heute beim Europäischen Gericht
(EuG) in Luxemburg Klage auf vollständige Einsicht in die Akten der
Europäischen Kommission zum umstrittenen chemischen Kältemittel R1234yf
eingereicht. Die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation hatte die
Herausgabe der dokumentierten Kommunikation zwischen der Europäischen
Kommission und der Automobil- sowie der Chemieindustrie bereits im
Januar 2014 beantragt. Obwohl die EU-Umweltinformationsrichtlinie die
Brüsseler Behörden zur Auskunft verpflichtet, erhielt die DUH nur Teile
der angeforderten Unterlagen. Das Generalsekretariat der Europäischen
Kommission begründete dies mit dem „Schutz geschäftlicher Interessen“
und dem „Schutz der laufenden Untersuchungen“.
„Die
Kommission stellt die wirtschaftlichen Belange der Automobil- und
Chemieindustrie über den Umweltschutz und die Sicherheit der Menschen.
Zugleich erhärtet sich durch diese fehlende Transparenz der Verdacht,
dass die entsprechende Generaldirektion und der zuständige
Industriekommissar Antonio Tajani bei der Bewertung des Kältemittels
R1234yf alles andere als unbefangen sind“, kritisiert DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
In den übermittelten Dokumenten fand die DUH außerdem rund ein Dutzend
Hinweise auf Treffen zwischen Kommissions- und Industrievertretern. Dass
hierzu keine Gesprächsprotokolle oder sonstige Aufzeichnungen
existieren, wie die Brüsseler Behörden behaupten, hält die Umwelt- und
Verbraucherschutzorganisation für ausgeschlossen.
Die
Kommission räumt selbst ein, dass eine Freigabe der unter Verschluss
gehaltenen Dokumente die „Anpassungsfähigkeit und Stabilität der
Unternehmen sowie ihre mittelfristigen Pläne“ beeinträchtigen würde. Die
verwehrten Dokumente beziehen sich unter anderem auf die
R1234yf-Produzenten Honeywell und DuPont sowie den Autohersteller Ford.
Zudem betreffen sie jenen Zeitraum, in dem die Kommission aufgrund von
angeblichen Lieferschwierigkeiten von R1234yf den gesetzlich verankerten
Starttermin zur Umstellung auf umweltfreundliche Kältemittel um zwei
Jahre nach hinten verschoben hat.
Für Resch lässt dies nur eine Schlussfolgerung zu: „Die
Umsetzung der geltenden Richtlinie wurde willkürlich an die
Verfügbarkeit von R1234yf angepasst. Mit dieser Maßnahme hat sich die
Kommission zum Handlanger der Chemieindustrie und der Autohersteller
gemacht. Den Pfad der Technologieneutralität hat sie damit endgültig
verlassen.“
Neben
der großzügigen Ausnahmegenehmigung bei der Umstellung auf nachhaltige
Kältemittel steht auch das Vorgehen der Kommission bei der
Sicherheitsbewertung von R1234yf in der Kritik: Trotz alarmierender
Ergebnisse der von der DUH durchgeführten Brandversuche und weiterer
Tests mit der hoch umstrittenen Chemikalie beschränkte sich die
Gemeinsame Forschungsstelle der Kommission lediglich darauf, die
Untersuchungen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) zu begutachten. Eigene
Tests, wie vom KBA empfohlen, wurden hingegen nicht durchgeführt – eine
umfassende Sicherheitsanalyse durch die Kommission fehlt nach wie vor.
„Die
Klage auf vollumfängliche Akteneinsicht soll nicht nur helfen, die
Vorgehensweise der Kommission zu klären. Die Rechtssache tangiert die
grundsätzliche Frage, ob Informationsansprüche von Umweltverbänden, die
dem öffentlichen Wohl dienen, gegenüber geschäftlichen Interessen
Vorrang haben“, erläutert Rechtsanwalt Remo Klinger.
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