Seit
knapp vier Monaten hält das Verkehrsministerium das von Kanzlerin
Angela Merkel angekündigte Gutachten geheim, auf deren Grundlage die
Bundesregierung Ende 2017 ankündigte, den Umfang der „technischen
Nachrüstungen“ bei Betrugsdiesel-Pkw festzulegen –
Wachtmeister-Gutachten widerspricht Autokonzernen: Technische
Nachrüstung „mit verträglichem Aufwand möglich“ und „Kostenrahmen für
eine Hardware-Nachrüstung in einer realisierbaren Größenordnung“ –
Verkehrsminister
Scheuer muss Schlussfolgerung umsetzen: „Nachrüstung durch die
Hersteller eindeutig die beste und sicherste Lösung“ – Geheimhaltung
dieser Studie und resultierende Untätigkeit über knapp vier Monate
schädigt Millionen Besitzer von Betrugsdieseln – DUH fordert
Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag auf, ihrer
verfassungsmäßigen Kontrollaufgabe gegenüber der Bundesregierung
nachzukommen und die technischen Nachrüstungen von zehn Millionen
Diesel-Pkw Euro 5+6 gegenüber den Autokonzernen durchzusetzen
Berlin,
27.4.2018: Seit knapp vier Monaten hält die Bundesregierung ein bereits
im Januar 2018 abgeschlossenes Gutachten zur Machbarkeit einer
technischen Nachrüstung von Diesel-Pkw zurück. Durch die Aufnahme dieses
Gutachtens in den Koalitionsvertrag und ausdrückliche Erwähnung durch
Bundeskanzlerin Angela Merkel auf ihrem letzten Autogipfel im Kanzleramt
wird dessen besondere Bedeutung sichtbar. Die Deutsche Umwelthilfe
(DUH) veröffentlicht das ihr zugespielte Gutachten
ungekürzt. Für Millionen betrogene Käufer von Euro 5+6 Diesel-Pkw mit
Abschalteinrichtungen enthält es entscheidende Argumente zur
Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Schadenersatz beziehungsweise eine
wirksame technische Nachrüstung durch den Hersteller.
Immer wieder
wurde die Entscheidung über Art und Umfang einer technischen
Nachrüstung der Betrugs-Diesel-Pkw unter Hinweis auf das „noch nicht
vorliegende Gutachten“ verschoben. Ursprünglich kündigte Angela Merkel
dieses bereits für Ende 2017 an. Tatsächlich fertiggestellt und
abgeliefert wurde es bereits am 8. Januar 2018 an das
Bundesverkehrsministerium durch den von diesem beauftragten Prof.
Dr.-Ing. Georg Wachtmeister. Doch weder die Mitglieder der
Expertengruppe
1 des Bundesverkehrsministeriums noch vom Dieselskandal betroffene
Fahrzeughalter bekamen bisher Zugang zu diesem Gutachten. Nur die
Autokonzerne kannten es interessanterweise und kritisierten es massiv.
Alle Versuche der DUH, auf offiziellem Weg diese Studie
als Mitglied der seit fünf Monaten nicht mehr tagenden Expertengruppe 1
zu erhalten, blieben erfolglos.
„Es ist ein
beispielloser Vorgang, nicht nur tausenden vor deutschen Gerichten
klagenden Haltern von Betrugsdiesel-Pkw ein mit Steuergeldern bezahltes
Gutachten vorzuenthalten und sie damit in der Durchsetzung
ihrer berechtigten Ansprüche zu behindern. Auch Millionen Menschen in
unseren Städten werden buchstäblich im Dieseldunst allein gelassen.
Meinungsumfragen zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung,
die von Diesel-Fahrverboten betroffenen Städte
und selbst der ADAC die seit 30 Monaten von der DUH geforderte
technische Nachrüstung aller Diesel-Pkw der Abgasstufen Euro 5 + 6 durch
die Fahrzeughersteller unterstützen“, sagt
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Das bisher geheim
gehaltene Wachtmeister-Gutachten bestätigt die Machbarkeit einer
technischen Nachrüstung der Betrugsdiesel-Pkw. Georg Wachtmeister
widerspricht den Autokonzernen deutlich in seinem Gutachten. Die
Hersteller hatten – nachdem die DUH erstmals im Herbst 2015 die
technische Nachrüstung aller Diesel-Pkw Euro 5+6 mit
Abschalteinrichtungen gefordert hat – diese als grundsätzlich „technisch
nicht machbar“ abgelehnt. Daraufhin hatte die DUH im Sommer 2016 die
tatsächliche Möglichkeit und Wirksamkeit einer Nachrüstung bei einem
Betrugs-VW Passat präsentiert und durch Messungen ihres
Emissions-Kontroll-Instituts (EKI) gezeigt, wie ein solches Fahrzeug von
1.000 mg NOx/km auf 80 mg NOx/km und damit auf Einhaltung
des Euro 6-Grenzwerts nachgerüstet werden kann. Daraufhin räumten BMW,
Daimler und VW die technische Machbarkeit ein, behaupteten nun aber,
diese sei übermäßig teuer und die Entwicklung solcher Systeme dauere
viele Jahre, weil sie noch nicht vorhanden sei.
Auch dieser Falschaussage widersprach die DUH und kalkulierte die
Kosten auf durchschnittlich 1.500 Euro pro Fahrzeug.
„Für die
Dieselkonzerne ist das Wachtmeister-Gutachten ein Debakel, da ihre
gesamte Argumentationskette nun wie ein Kartenhaus einstürzt. Die
Ergebnisse der Studie sind eine ‚schallende Ohrfeige‘ für Andreas
Scheuer, den Vertreter der Dieselkonzerne im Bundeskabinett. Er
vertritt aktuell die Argumentation von BMW, Daimler und VW, dass eine
technische Nachrüstung unverhältnismäßig teuer und insgesamt nicht nötig
sei. Ein zum gegenteiligen Ergebnis kommendes
Gutachten wird in bewährter Weise nicht veröffentlicht, zumal es dem
Dieselminister Scheuer mit sehr klaren und unmissverständlichen
Festlegungen widerspricht“, so Resch weiter.
Kernaussagen des
Wachtmeister-Gutachtens: Ein Großteil der für eine Hardware-Nachrüstung
erforderlichen Komponenten sind bereits entwickelt, der hierfür
erforderliche Bauraum vorhanden. Wörtlich heißt es in
dem Gutachten: „Somit ist davon auszugehen, dass durch die
Fahrzeughersteller das größte Potenzial einer schnellen und soliden
Hardware-Nachrüstung gegeben ist.“
In seinem
Gutachten zitiert Wachtmeister auch die konkreten Upgrade-Angebote für
Euro 5 Diesel-Pkw der Marken Audi, BMW, Mercedes und VW mit Kosten
zwischen 1.190 bis 1.990 Euro und folgert hieraus, dass dies ein
„weiterer Beleg“ dafür sei, dass „für eine Hardware Nachrüstung zur
NOx-Reduzierung bei den Fahrzeugherstellern entsprechende
Abgasnachbehandlungssysteme vorhanden sein sollten.“
In seiner
„Zusammenfassung und Schlussfolgerung“ macht der Regierungsgutachter
bemerkenswert klare Aussagen: „Die Evaluation möglicher
Hardware-Nachrüstungen zur Reduktion der NOx-Emissionen zeigt, dass eine
Nachrüstung
durch die Fahrzeughersteller eindeutig die beste und sicherste Lösung
darstellt. (...) Nach heutigem Erkenntnisstand ist aus meiner Sicht eine
Nachrüstung von EU5-Fahrzeugen mit verträglichem Aufwand möglich. (...)
Aus jetzigen Abschätzungen geht hervor, dass
sich der Kostenrahmen für eine Hardware-Nachrüstung in einer
realisierbaren Größenordnung bewegt.“
„Nachdem nun
auch das Regierungsgutachten die Machbarkeit der technischen Nachrüstung
bestätigt und die Hersteller als Verantwortliche identifiziert, muss
sich die Bundesregierung endlich aus dem Würgegriff der
Autobosse Zetsche, Krüger und Diess befreien. Es kann nicht sein, dass
wir fortwährend über von uns erwirkte Gerichtsentscheidungen, wie zur
Veröffentlichung der geheim gehaltenen Akte zum VW-Rückruf, Kanzlerin
Merkel und Verkehrsminister Scheuer daran erinnern
müssen, dass sie einen Eid auf das Wohl des Volkes und nicht auf die
Profitmaximierung der Autokonzerne geschworen haben. Dies ist ein
Weckruf für den Bundestag, seiner Kontrollaufgabe gegenüber einer
fremdbestimmten Regierung nachzukommen. Die Besitzer von
Diesel-Pkw mit Abschalteinrichtungen haben einen Rechtsanspruch, dass
diese Fahrzeuge auf Kosten der Hersteller so nachgerüstet werden, dass
sie von Fahrverboten befreit sind und die ‚Saubere Luft‘ in unseren
Städten Wirklichkeit wird“, so
Resch.
Links:
Wachtmeister-Gutachten zur technischen Machbarkeit von Diesel-Nachrüstungen (freigeschaltet ab 18 Uhr):
http://l.duh.de/p180427
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