1. Oktober 2015

Deutsche Umwelthilfe legt Chronologie des Kniefalls der Bundesregierung vor den Autokonzernen offen


Bereits zur IAA 2007 enthüllte die DUH erstmals im Detail den Betrug der Autokonzerne bei Abgaswerten und Spritverbrauch und forderte das Bundesverkehrsministerium und Kraftfahrtbundesamt auf, dagegen einzuschreiten – Bereits im Februar 2011 hatte die DUH das Bundesverkehrsministeriums in einem Gespräch auf rechtswidrig hohe NO2-Werte beim VW Passat Euro 6 hingewiesen – Alle Kontakte und Gespräche in den acht Folgejahren mit diversen Bundesverkehrs- und Umweltministern scheiterten am vom Kanzleramt vorgegebenen Kniefall vor den Interessen der Autolobby – RDE-Prüfzyklus muss deutlich nachgeschärft werden – DUH hält Teilauflösung des Kraftfahrtbundesamtes und Schaffung einer unabhängigen Überwachungsbehörde nach Vorbild der Umweltkontrollbehörde EPA in den USA für nötig

Berlin, 29.9.2015: Nach Bekanntwerden des VW-Betrugsskandals am 19. September 2015 gaben sich die vom Glanz der Eröffnung der diesjährigen Internationalen Automobilausstellung (IAA) geblendete Autokanzlerin und ihre Bundesminister überrascht, geschockt und natürlich ahnungslos. Dass diese Darstellung so nicht stimmen kann, zeigt eine über acht Jahre – von der IAA 2007 bis zur IAA 2015 – reichende Chronologie der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Exakt so lange ist auch die berühmte VW-Software im Einsatz.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) dokumentiert den vermutlich teuersten Kniefall einer Regierung vor den drei deutschen Konzernen VW, BMW und Daimler. Die DUH warnte in diesen acht Jahren in unzähligen Pressekonferenzen, Fachgesprächen, mit Veröffentlichungen, Abgastests und Aktionen vor immer dreisteren (weil folgenlos bleibenden) Verstößen gegen Gesundheits- und Klimaschutz bei den Abgasemissionen und Spritverbräuchen. Doch selbst persönliche Interventionen bei den unter der immer gleichen Autokanzlerin wechselnden Bundesumwelt- und Verkehrsmistern beziehungsweise deren Staatssekretären erbrachten kein Ergebnis.

Wie bereits bei früheren Skandalen der Automobilindustrie sind deren Bosse derzeit auf Tauchstation, ziehen aber weiterhin erfolgreich die Fäden der Politik. Der Kampf dieser Bundesregierung gegen strengere Testzyklen und RDE-Prüfverfahren (‘Real Drive Emissions‘) geht auch im Herbst 2015 ungebremst weiter. Bundesverkehrsminister Dobrindt behauptet, mit RDE werde alles besser. Dies ist leider falsch. Dem ursprünglich sinnvollen Entwurf der EU-Kommission für ein realitätsnäheres RDE-Prüfverfahren, wurde durch die Lobbyarbeit der deutschen Autokonzerne der letzte Zahn gezogen.

In ungewöhnlich scharfer Form protestierte die EU-Kommission am 18.6.2015 in ihrem prompt als vertraulich gestempelten Vertragsverletzungs-Schreiben gegen die Janusköpfigkeit der Bundesregierung. Diese fordere öffentlich „die schnellstmögliche Anwendung wirkungsvoller RDE-Anforderungen“. Kritisch merkt die Kommission an, „dass in der Praxis die Standpunkte und Maßnahmen Deutschlands im Rahmen des laufenden Komitologieverfahrens … nicht immer dem erklärten Engagement entsprachen“. Die EU-Kommission wirft Deutschland gar vor, zu den Mitgliedsstaaten zu gehören, die vorgeschlagen haben, „die Bezugnahmen auf den Zeitplan … zu schwächen.“

Für die DUH ist die aktuelle Fassung der RDE-Regelung dringend nachbesserungsbedürftig. Analog zur zukünftigen Kontrollpraxis der US-Behörden müssen vorher nicht bekannt gemachte Fahrzyklen sowie Volllastfahrten und realitätsnahen Beschleunigungen hinzukommen.

Die DUH hält die Teilauflösung des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) und die Schaffung einer unabhängigen Überwachungsbehörde nach Vorbild der Umweltkontrollbehörde EPA in den USA für nötig. „Wir haben in den vergangenen acht Jahren erlebt, wie das ehemals stolze Kraftfahrtbundesamt zum devoten Dienstleister der Autobauer verkam. Das KBA hat unsere über acht Jahre dauernde permanente Erinnerung an ihre gesetzliche Pflicht zur Kontrolle ignoriert und dadurch die fortgesetzte Vergiftung unserer Innenstädte mit hochgiftigen Dieselabgasen behördlich abgesegnet“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Wie in den USA, so regeln auch in Deutschland beziehungsweise Europa rechtliche Verordnungen – in diesem Falle (EG) Nr. 715/2007 und 692/2008 – dass die Abgasgrenzwerte nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch im Normalbetrieb eingehalten werden müssen. Die Verwendung von ‘Abschalteinrichtungen‘, wie sie gerade in den USA VW und Audi zweifelsfrei nachgewiesen wurden, ist auch in Europa ausdrücklich verboten. Als Verstoß gilt zudem die Abgabe falscher Erklärungen bei Genehmigungsverfahren und Verfälschung von Prüfzeugnissen. Deutschland ist außerdem bei festgestellten Verstößen verpflichtet, Sanktionen festzulegen. Diese müssen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein – so wie es Kalifornien vormacht. Schließlich ist die Übereinstimmung der in Betrieb befindlichen Fahrzeuge mit dem gemessenen Testfahrzeug nachzuweisen. Die Funktionsfähigkeit der emissionsmindernden Einrichtung muss schließlich während der normalen Lebensdauer der Fahrzeuge bei normaler Nutzung gegeben sein.

Die Chronologie der Ereignisse seit 2007 finden Sie hier: http://l.duh.de/abgas.

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