1. Juni 2023

Rechtsbrecher erklären Klimaprotest für „kriminell“



Wir sind über die jüngste Zuspitzung bei der Kriminalisierung der KlimaschutzBewegung aufs Höchste besorgt. 

Auf Initiative des bayerischen Landeskriminalamtes und der Münchner Staatsanwaltschaft haben am 24. Mai in mehreren deutschen Bundesländern Razzien gegen Klimaaktivist:innen der „Letzten Generation“ stattgefunden. Eine Beschwerde gegen eine frühere Razzia wurde bereits Mitte des Monats vom Landgericht Potsdam in Brandenburg abgelehnt. Privatwohnungen wurden nun erneut durchsucht, Gelder beschlagnahmt, Internet-Seiten gekapert und gesperrt. Die Begründung lautet, bei der „Letzten Generation“ handele es sich um eine „Kriminelle Vereinigung“ gemäß § 129 StGB. 

Politiker:innen und Institutionen, die durch ihre eigene klimapolitische Untätigkeit nach den wohlerwogenen Worten des UN-Generalsekretärs António Guterres „kriminell“ sind, lassen nun den gewaltfreien zivilen Widerstand gegen ihre Untaten mit der Keule der „kriminellen Vereinigung“ verfolgen. Dies ist der massivste Angriff ‚von oben‘ auf die Idee des Rechtsstaats, den wir in Deutschland seit Jahrzehnten erleben. Er richtet sich gegen eine Gruppe, die der Kommentar der taz so charakterisiert: „Die Letzte Generation agiert öffentlich statt klandestin, friedlich statt militant und für ein demokratisches, nicht autoritäres Anliegen.“ 

Nicht nur die gesamte Klimabewegung, sondern die ganze demokratische Zivilgesellschaft muss sich diesem Angriff entgegenstellen. Wir brauchen keine Orbáns in unserem politischen System! Wir brauchen keine politisch motivierte Strapazierung des Rechts durch Staatsanwaltschaften! Was wir brauchen, ist ein Bewusstsein für die Wahrheiten, die der jüngste IPCC-Bericht offengelegt hat, und die Guterres mit den Worten zusammenfasste: „Fast die Hälfte der Menschheit lebt in der Gefahrenzone – jetzt. Für viele Ökosysteme gibt es kein Zurück mehr – jetzt. Die unkontrollierte Verschmutzung durch Kohlenstoff führt die Schwächsten der Welt auf einen Zwangsmarsch ins Verderben – jetzt.“ 

Der bemerkenswerte Vorgang, dass die Vereinten Nationen auf die Kriminalisierung in Deutschland mit einer Stellungnahme reagiert haben, ist daher kein Zufall. Das Büro von Guterres sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Klimaaktivisten - angeführt von der moralischen Stimme junger Menschen - haben ihre Ziele auch in den dunkelsten Tagen weiter verfolgt. Sie müssen geschützt werden und wir brauchen sie jetzt mehr denn je." 

Anders als unsere Regierenden (insbesondere in Bayern!), die den Menschen einreden, sie könnten immer so weitermachen wie bisher, hat die „Letzte Generation“ die Wahrheiten des UN-Generalsekretärs durch unbequeme Aktionen immer wieder ins Bewusstsein gehoben. Es ist unerheblich, ob wir mit der Strategie und den Methoden der „Letzten Generation“ immer übereinstimmen. Der Runde Tisch Erneuerbare Energien betrachtet diese differenziert. Im vergangenen November hat unsere Mitglieds-Organisation SFV dazu ein ausführliches Statement abgegeben. Unsere damalige prinzipielle Solidarität mit der Gruppe bekräftigen wir hiermit ausdrücklich. 

Ziviler Ungehorsam bedient sich definitionsgemäß des Mittels bewusster Regelübertretung, wenn für die Behebung eines Missstands andere Abhilfe nicht möglich ist. Der § 129 zielt bisher auf Vereinigungen, deren „Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind“. Das ist beim Festkleben auf eine Straßendecke offenkundig nicht der Fall. Die jetzige Instrumentalisierung des Rechts durch Instanzen des juristischen Systems zielt offensichtlich darauf, die Stoßrichtung des § 129 auf den zivilen Ungehorsam insgesamt auszudehnen. Die gesamte Klimabewegung ist gemeint; sie soll eingeschüchtert werden, damit die klimapolitischen Versäumnisse des politischen Systems ungestört weitergehen können. 

Wenn sich der Trend verfestigt, den das bayerische LKA mit der Münchner Staatsanwaltschaft sowie das Landgericht Potsdam aufzeigen, dann ist auch die vorliegende Presseerklärung ggf. mit Gefängnis zu bestrafen, weil es sich um die „Unterstützung einer kriminellen Vereinigung“ handeln könnte. Ahnen unsere Politiker:innen, ahnt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die diesen Skandal gestern öffentlich gerechtfertigt hat – ahnen sie überhaupt, auf welchen Weg unser Land sich damit begibt?


Der Runde Tisch für Erneuerbare Energien (RT-EE) ist eine offene Runde mit Vertreterinnen und Vertretern von Vereinen, Initiativen und Nichtregierungsorganisationen, die sich regional und bundesweit für 100 % Erneuerbare Energien bis spätestens 2030 und eine dezentrale Energiewende einsetzen. Der RT-EE ist seit 2017 aktiv und besteht heute aus über 25 Vereinen und NGOs

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...