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Verfahren gegen die als Istanbul 10 bekannt gewordenen Menschenrechtler
und den Ehrenvorsitzenden von Amnesty International in der Türkei,
Taner Kılıç, hat die Staatsanwaltschaft in Istanbul Haftstrafen für
Taner Kılıç sowie die ehemalige türkische Amnesty-Direktorin İdil Eser
und vier weitere Angeklagte beantragt. Für den deutschen
Menschenrechtstrainer Peter Steudtner und vier andere Aktivisten wurden
Freisprüche beantragt. Amnesty kritisiert das gesamte Verfahren, das
bereits über zwei Jahre andauert, als unfair. Eine internationale
Delegation von Amnesty beobachtet den Prozess, aus Deutschland ist
Vorstandssprecherin Gabriele Stein vor Ort. | |
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BERLIN, 27.11.2019 – Zum heutigen Prozesstag sagt Markus N. Beeko,
Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland: „Die Anträge
der türkischen Staatsanwaltschaft gegen Taner Kılıç, İdil Eser und vier
weitere Menschenrechtler belegen offensichtlich die fortwährende
Instrumentalisierung der türkischen Justiz durch die Regierung. Gegen
Taner Kılıç liegen auch nach jahrelangen Ermittlungen weiterhin
keinerlei Beweise vor, die die haltlosen Terrorismus-Vorwürfe stützen.
Es ist wichtig, dass die Bundesregierung und andere Staaten sich
umgehend für seinen Freispruch einsetzen. Die Anträge auf Freispruch für
Peter Steudtner und die anderen Menschenrechtler der Istanbul 10
zeigen, dass nur fortwährender internationaler Druck hilft.“
„Dass
diese Strafverfahren gegen Vertreter einer weltweit tätigen
Menschenrechtsorganisation überhaupt eingeleitet wurden, demonstriert
die offene Missachtung internationaler Menschenrechtsstandards. Es hätte
gar keine Anklage geben dürfen, geschweige denn hätten die Istanbul 10
und Taner Kılıç monatelang unschuldig in Haft festgehalten werden
dürfen“, so Beeko weiter.
Peter Steudtner sagt zu den Anträgen
der Anklage: „Ohne jegliche haltbare Beweise fordert die türkische
Staatsanwaltschaft für einen Teil von uns Istanbul10 und Taner Kılıç
Haftstrafen. Die unterschiedlichen Strafanträge zeigen die
Unrechtmäßigkeit des Verfahrens. Die juristisch und politisch falschen
Anschuldigungen haben das eindeutige Ziel, die türkische und
internationale Zivilgesellschaft einzuschüchtern. Ich erwarte vom
zuständigen Gericht, sich dieser Taktik nicht anzuschließen, sondern
sich klar für Freisprüche von uns allen zu entscheiden.“
Amnesty-Generalsekretär
Beeko weiter: „Die Verfolgung von Menschenrechtlern, Journalisten und
Aktivisten in der Türkei dauert an – sie darf nicht wegen
wirtschaftlicher Interessen deutscher Unternehmen oder des
EU-Türkei-Deals hingenommen werden.“ Morgen steht mit der Anwältin
Eren Keskin erneut eine wichtige Stimme für den Schutz der
Menschenrechte in der Türkei vor Gericht. Keskin ist in mehr als 120
Verfahren angeklagt, weil sie sich unter anderem für die Pressefreiheit
eingesetzt hat. Amnesty fordert, dass die juristischen Schikanen gegen
sie beendet werden.
Hintergrund
Der
Ehrenvorsitzende der türkischen Sektion von Amnesty International,
Taner Kılıç, und die als „Istanbul 10“ bekannt gewordenen
Menschenrechtler, unter ihnen die frühere Direktorin von Amnesty
International in der Türkei, İdil Eser, und der deutsche
Menschenrechtstrainer Peter Steudtner, wurden im Sommer 2017 auf einer
Insel nahe Istanbul inhaftiert. Im Oktober 2017 begann der Prozess gegen
die elf Menschenrechtsverteidiger. Ihnen werden ohne Vorlage jeglicher
Beweise Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung einer
„terroristischen Organisation“ vorgeworfen. Am 25. Oktober 2017 wurden
die acht noch inhaftierten Menschenrechtler der „Istanbul 10“ nach fast
vier Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen.
Taner Kılıç
blieb mehr als 14 Monate im Gefängnis. Ein hochrangiger Vertreter einer
internationalen Menschenrechtsorganisation saß damit mehr als ein Jahr
in Haft – ein deutliches Beispiel für die Menschenrechtslage in der
Türkei, aber auch für den Menschenrechtsschutz weltweit. Am 15. August
2018 wurde Taner Kılıç aus der Untersuchungshaft entlassen. Doch der
Prozess gegen ihn und die Istanbul 10 läuft weiter. Am 19. Februar 2020
soll der nächste Prozesstag stattfinden.
Eren Keskin arbeitet
seit 1984 als Rechtsanwältin. Sie ist Gründungsmitglied und
Ko-Vorsitzende des Menschenrechtsvereins der Türkei (IHD). Als
Strafverteidigerin war und ist sie vor allem mit politischen Fällen
befasst. Sie setzt sich für Opfer sexualisierter Gewalt sowie für die
Rechte verfolgter Angehöriger von Minderheiten ein.
Morgen
(28.11.) steht der nächste Prozesstag im sogenannten „Özgür
Gündem“-Hauptverfahren an, in dem Eren Keskin vor Gericht steht. |
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