„Die Bilanz des deutschen Vorsitzes
in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)
fällt dürftig aus. Die OSZE hat zwar an Bedeutung gewonnen, diese Chance
hat die deutsche Politik aber nicht ausreichend genutzt. Was fehlte,
war der Mut zu einer politischen Neubestimmung, zum Bruch mit einer auf
militärische Stärke ausgerichteten Außenpolitik, die Anknüpfung an die
Traditionen von Egon Bahr und Willi Brandt“, erklärt Wolfgang Gehrcke,
stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, anlässlich der
heute in Hamburg beginnenden Tagung des OSZE-Ministerrats. Gehrcke
weiter:
„Der deutsche OSZE-Vorsitz hat weder der Stationierung von
NATO-Truppen in den baltischen Ländern widersprochen, noch den
NATO-Großmanövern bzw. den von der NATO unterstützten Militärübungen
etwa in Polen Widerstand entgegengesetzt. Russische Gegenaktionen auf
russischem Territorium waren danach zu erwarten. Das Vorrücken der NATO
hat das gegenseitige Vertrauen verringert, dabei ist es eine der
Kernaufgaben der OSZE, Vertrauen aufzubauen.
Die OSZE hat unter deutschem Vorsitz Aufgaben bei der Umsetzung des
Minsker Abkommens zur Befriedung des Ukraine-Konfliktes übernommen. Das
war und ist richtig. Den Beitrag der deutschen Außenpolitik zu Minsk II
bewerte ich nach wie vor positiv. Er könnte größer und effektiver sein,
wenn Deutschland und Frankreich sich nicht immer wieder auf die Kiewer
Konteraktionen eingelassen hätten.
Der Einfluss der OSZE in Europa wäre tiefgreifender und stärker, wenn
sich die Organisation unter deutschem Vorsitz der Sanktionspolitik
gegen Russland widersetzt hätte. Doch Deutschland hat die
Sanktionspolitik wesentlich mitgetragen. Die Widersprüchlichkeit, für
einen deutsch-russischen Dialog zu werben, ihn aber gleichzeitig zu
blockieren, hat die Handlungsmöglichkeiten der OSZE in Mitleidenschaft
gezogen. Dass Russland in der OSZE nicht wie im Europarat mit
zusätzlichen Sanktionen belegt worden ist, war vernünftig, aber nicht
ausreichend.
Erst in der letzten Phase des deutschen OSZE-Vorsitzes hat
Außenminister Steinmeier das Thema Abrüstung in Form einer Initiative
für Rüstungskontrolle aufgerufen, die allerdings weite Bereiche der
Rüstungspolitik, an denen die USA ein großes Interesse hat, ausblendet.
Zudem sind deutsche Abrüstungsvorschläge, wenn sie nicht den Bereich
deutscher Rüstungsexporte umfassen, weniger glaubwürdig. Trotzdem
sollten Abrüstungsinitiativen die OSZE stark prägen.
Für DIE LINKE bleibt es dabei: Statt Geld, Politik und Kraft in die
NATO zu investieren, sollte die OSZE gestärkt werden. Dazu ist auch eine
selbstkritische Bilanz des deutschen Vorsitzes nötig. Dass die Tagung
in Hamburg, die unter massivem Polizeischutz stattfinden muss, dafür das
richtige politische Klima bietet, darf bezweifelt werden.“
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