Berlin (ots) - Zuschriften von Autofahrern und Studie des ICCT bestätigen DUH-Enthüllungen über falsche Kraftstoffverbrauchsangaben - Bundesbehörden verweigern weiterhin amtliche Nachmessungen - DUH wird rechtswidrige Praktiken der Autohersteller anhand von Musterprozessen vor Gericht demonstrieren
Immer mehr Autokäufer fühlen sich von den Fahrzeugherstellern über den tatsächlichen Spritverbrauch ihres Pkw getäuscht. Das machen die ungewöhnlich zahlreichen Zuschriften deutlich, die in den vergangenen Wochen bei der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) eingegangen sind. Deshalb veröffentlicht die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation heute eine Übersicht zu den Tricks, mit denen die Hersteller die Verbraucher hinters Licht führen. Die DUH hatte am 13. Mai 2013 eine Untersuchung veröffentlicht und gezeigt, dass die offiziellen Verbrauchsangaben immer stärken von denen des realen Fahrbetriebs abweichen. Eine diese Woche veröffentlichte Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) bestätigte diese massiven Abweichungen.
"Die enge personelle Verflechtung von Regierungsmitgliedern und der Automobilindustrie wird nicht nur im derzeitigen Einsatz des Kanzleramtes gegen ehrgeizige Brüsseler CO2-Ziele für Pkw deutlich. Zahlreiche Zuschriften betroffener Autofahrer zeigen, dass es den Autobauern auch gelungen ist, die eigentlich zuständigen Überwachungsbehörden lahmzulegen. Als letzte Instanz verbleiben wieder einmal nur die Gerichte. Die DUH wird daher in bis zu fünf öffentlich geführten Musterverfahren ausgewählten Autobesitzern zu ihrem Recht verhelfen. Vielleicht gelingt es so, den Staat endlich zum Eingreifen zu bewegen und offensichtliche Manipulationen zu sanktionieren", sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. Für die geplanten Musterverfahren fordert die DUH klagebereite Autobesitzer auf, sich mit einer Dokumentation ihres Falles zu melden.
Die Reaktionen aus der Bevölkerung zeigen, dass zumindest ein Autohersteller nicht nur die Schlupflöcher der veralteten Testbedingungen um den Prüfzyklus NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) nutzt, sondern offenbar auch Wegstrecken- und Geschwindigkeitsanzeiger manipuliert, um die Verbrauchsangaben seiner Fahrzeuge zu beschönigen. Weil sich viele Autofahrer aber auf die Verbrauchsangaben ihres Bordcomputers verlassen, hält sich das Misstrauen oft in Grenzen. Die Autohersteller selbst übernehmen laut den eingegangenen Zuschriften in der Regel keine Verantwortung für den offensichtlichen Mehrverbrauch und verweisen auf ein falsches Fahrverhalten der Nutzer.
Vor allem die Premiummarken BMW und Audi wenden laut ICCT-Studie technische Tricks an, die Abweichungen von 30 bzw. 28 Prozent beim Kraftstoffverbrauch zur Folge haben. Das bestätigten auch Verbraucher - der Audi A3 eines Halters überschreitet die Herstellerangaben von 4,1 l pro 100 Kilometer mit 5,8 l sogar um mehr als 40 Prozent. Fahrzeuge von General Motors weisen laut ICCT Abweichungen um 27 Prozent, Fahrzeuge von Daimler von 26 Prozent auf. Die geringsten Unterschiede zwischen offiziellen Verbrauchsangaben und tatsächlichem Spritverbrauch treten bei Toyota mit 15 Prozent sowie bei Renault-Nissan und PSA mit jeweils 16 Prozent auf. Laut ICCT liegt der durchschnittliche Unterschied zwischen offiziellem und tatsächlichem Kraftstoffverbrauch bei 25 Prozent. Das führe für Autofahrer zu Mehrausgaben von 300 Euro pro Kopf und Jahr. Vor zehn Jahren habe der Abstand zwischen Labor- und Straßenwerten unter zehn Prozent betragen.
Über eine Ablösung des 30 Jahre alten Testverfahrens um den NEFZ, mit dem die Verbrauchswerte aller Pkw in Europa ermittelt werden, wird derzeit in der Europäischen Union beraten. Geplant ist, ein neues, von den Vereinten Nationen entwickeltes weltweit gültiges Testprozedere bis voraussichtlich 2018 einzuführen. Dieses WLTP (World Light Vehicles Test Procedure) beinhaltet im Vergleich zum NEFZ z. B. höhere Geschwindigkeiten, stärkere Beschleunigungen und eine geringere Labortemperatur.
Alleine auf den neuen Testzyklus zu vertrauen wird die Probleme allerdings nicht lösen. Der internationale Verkehrsexperte Axel Friedrich und Mitglied des ICCT ist hinsichtlich der Wirksamkeit des neuen Zyklus skeptisch: "Der WLTP stellt eine deutliche Verbesserung hinsichtlich der Aussagekraft der Prüfstandsmessungen dar. Allerdings wird auch dieser Testzyklus nicht das Problem der Zykluserkennung beheben. Dabei handelt es sich um die illegale Programmierung der elektronischen Motorsteuerung auf den Zyklus. So lange es standardisierte Prüfzyklen geben wird, werden Autos diese Testsituationen erkennen und für Dritte nicht nachvollziehbar auf einen besonders effizienten Spritsparmodus umschalten. Deshalb ist eine Überprüfung der Verbrauchswerte auf der Straße notwendig."
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