EIN LIEDERABEND NACH FRANZ KAFKA MIT MUSIK VON WOLFGANG VON SCHWEINITZ
Seit 1997 erarbeitet opera silens
kontinuierlich grenzgängerisches Musiktheater in Hamburg und lotet die
Grenzen des Mediums aus: Mit Arbeiten zu Erik Satie, zur
Barockoper oder, wie im vergangenen Jahr, mit dem
Tourette-Musiktheater NEUROVISIONS. Jetzt beschäftigt sich opera silens
mit Franz Kafkas Erzählung „Josefine, die Sängerin oder das Volk der
Mäuse“ und arbeitet mit dem Komponisten Wolfgang von Schweinitz und
der in Israel lebenden Sängerin Josefine Kaum zusammen. Die war einst
Sänger-Wunderkind in Prag, musste sich infolge einer
Erbkrankheit vor einigen Jahren in Haifa mit Mäusegenen therapieren
lassen und tritt seitdem nur sehr selten auf. Doch die Kritiker
schwärmen ungebrochen von ihrem Timbre, „das mit menschlichen
Maßstäben nicht mehr zu beschreiben“ sei.
GESANG Josefine Kaum
VIOLONCELLO Agnieszka Dziubak
REGIE Hans-Jörg Kapp
DRAMATURGIE Mascha Wehrmann
JOSEFINE-COMBO Frauke Aulbert, Kurt und Ludwig-Christian Glockzin
BÜHNE UND KOSTÜME Marcel Weinand
PRODUKTION Thomas Schmölz
Eine Produktion von opera silens und
Kampnagel Hamburg, gefördert durch die Hamburger Kulturbehörde und die
Rudolf Augstein Stiftung. Mit freundlicher Unterstützung
durch die Shure Distribution GmbH.
DAUER ca. 75 min.
Soweit die offizielle Vorankündigung...
Als ich die Vorstellung besuchte,
dachte ich, es erwartet mich ein Liederabend mit Kafka-Texten
interpretiert von einer Vier-Oktaven-Stimme.
Weit gefehlt! Es war ein Theaterabend, in dem der Kafka-Text "Josefine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse" (http://www.textlog.de/32075.html)
(Kafkas letzte Kurzgeschichte) performt wurde. Meine Flexibilität
reichte allerdings nicht dazu, das Stück als solches zu geniessen. Ich
erwartete
mit zunehmender Spannung das Ende des kafkaesken Prologes und den
Beginn des Liederabends. 75 Minuten lang, vergebens.
Nun erging es mir nicht als
Einzigstem so, sondern Teile des 50-köpfigen Publikums, waren genauso
sprachlos wie ich. In diversen Gesprächen mit anderen "gefoppten",
entlarvten wir das Stück als Ironie, irgendwie auch als Anregung zur
Diskussion des deutschen Ethikrates zum Auftrittsverbot der mit
Mäusegenen therapierten Josefine. Nur was hat das mit Israel
zu tun?
Ähhhm, meine Nachforschungen
innerhalb Kampnagels ergaben, dass weder der Einlassdienst, noch die
Informations-Dame mir weiterhelfen konnten. Sie hatten weder
präsent, was in dem vor der Vorstellung gereichten Flyer stand,
noch, was überhaupt auf der Bühne stattfand. Was arbeiten da eigentlich
für Leute?
Fazit: Ich bin ja nun schon einiges
gewöhnt, was Experimentelles/Avantgardistrisches angeht. Sei es Musik,
bildende Kunst, Theater, Streetart, was auch immer. Aber
das war mein Gipfel. Hier fühlte ich mich wie der Gefängniswärter,
der in den Katakomben überlegt, wie er den Gefangenen klarmachen kann,
dass er Wärter und nicht Gefangener ist.
Nun wähne ich mich in dem glücklichen
Zustand in einer Reihe mit dem Publikum zu stehen, was irgendwann mal
John Cages "4:33" gehört hat, oder im Kino den
Sechs-Stunden-Film "Sleep" von Andy Warhol mit nur einem nackten,
schlafenden Mann gesehen hat, oder auch in einer Galerie vor Robert
Rauschenbergs weissen Leinwänden stand.
Neu-Hamburger K-Karten-Besitzer Toberg für WideBlick
PS: Die Cello-Musik von Schweinitz
war passend und hervorragend! Kampnagel gebührt für soviel Mut ein
grosser Beifall, der den beteiligten Künstler_innen an diesem
Abend zu un/recht verwehrt wurde. Und, das Publikum braucht doch
nach so einer Vorstellung, jemand, der/die ihn aus dieser schwierigen
Lage befreit. Jemand, der/die sich beschimpfen lässt, mit
dem/der man diskutieren kann, der/die einen aufklärt, warum "Gesang"
angekündigt wird und nicht gesungen wird!
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