Zur
Kabinettsberatung des Gesetzes zur Hartz-IV-Rechtsvereinfachung erklärt Dr. Wolfgang Strengmann‑Kuhn,
Sprecher für Sozialpolitik:
Das vorgelegte
Gesetz ist eine verpasste Chance. Dabei wäre eine Vereinfachung und
Entbürokratisierung der Grundsicherung gerade jetzt notwendiger denn je. Das
Grundsicherungssystem ist zu einem wahren Dschungel geworden, durch den kaum
noch jemand durchschaut. Das ist für die Betroffenen ein Problem wie auch für
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern. Viel zu viele
Ressourcen werden für Verwaltung und Bürokratie verschwendet, die sinnvoller
zur Arbeitsvermittlung und sozialer Unterstützung eingesetzt werden könnten.
Statt die Grundsicherung grundlegend zu vereinfachen, besteht der Gesetzentwurf
aus einem Bauchladen von kleineren Veränderungen, die teilweise sogar eher
Rechtsverschärfungen als Rechtsvereinfachungen sind. Es wird viel verändert,
aber wenig vereinfacht.
Wichtige
Bereiche werden nicht angepackt. So würde es die Jobcenter sofort entlasten,
wenn die Sanktionen ausgesetzt würden. Aber die große Koalition schafft es
nicht einmal die überharten Sanktionen für junge Erwachsene und die Sanktionen
bei den Kosten der Unterkunft abzuschaffen, obwohl es darüber einen breiten
Konsens bei Politik, Wissenschaft und Praxis vor Ort gibt. Nur die CSU ist aus
ideologischen Gründen dagegen. Die große Koalition wird hier – mal wieder – von
der CSU mit dem Nasenring durch die Manege gezogen.
Das
verwaltungsaufwändige Bildungs- und Teilhabepaket wird ebenso wenig angegangen
wie die Berechnung der Kosten der Unterkunft. Darüber hinaus gäbe es eine
Vielzahl von Einzelmaßnahmen, die die Berechnungen vereinfachen würden, die in
dem Gesetzentwurf nicht enthalten sind. Das Sozialgesetzbuch II („Hartz IV“)
ist übersät mit höchst komplizierten Regelungen und willkürlichen Sonderregeln.
Das Auszugsverbot für junge
Erwachsene, Totalsanktionen für junge Erwachsene, ein auf ein Jahr verkürzter
Rechtsschutz und die fehlende Pflicht die Leistungsberechtigten über drohende
Sanktionen aufzuklären, sind nur einzelne Beispiele für diskriminierendes
Sonderrecht. Das gehört ersatzlos gestrichen.
Schließlich
muss eine wirkliche Vereinfachung der Grundsicherung alle fünf
Grundsicherungsleistungen in den Blick nehmen. Diese sind in drei
Gesetzen geregelt, wobei selbst sachlich gleiche Tatbestände
unterschiedlich geregelt werden. Dadurch entstehen für die, die Unterstützung
brauchen, immer wieder Sicherungslücken. Es werden unnötige Hürden aufgebaut
und die Jobcenter und Sozialämter werden mit den unterschiedlichen
komplizierten Regelungen belastet. Wir fordern die Bundesregierung auf endlich
eine echte und gerechte Vereinfachung der Grundsicherung im Sinne der
Betroffenen und zum Abbau von Bürokratie vorzulegen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
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