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27. Februar 2018
Deutsche Umwelthilfe erwirkt Grundsatzurteil für „Saubere Luft“ in unseren Städten – Dieselkonzerne müssen alle Betrugsdiesel technisch nachrüsten
Bundesverwaltungsgericht hat beiden Klagen der Deutschen Umwelthilfe für eine kurzfristige Einhaltung der Luftqualitätswerte in deutschen Städten stattgegeben – Gesundheitsschutz geht vor wirtschaftlichen Interessen – Diesel-Fahrverbote kommen noch in diesem Jahr in hochbelasteten Städten für alle Diesel bis inkl. Euro 4 – Höchstes deutsches Verwaltungsgericht erteilt Bundesregierung eine schallende Ohrfeige für mehrjährigen Rechtsbruch – DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, sich endlich aus dem Würgegriff der Autokonzerne zu befreien
Leipzig/Berlin, 27.2.2018: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat heute entschieden, dass Diesel-Fahrverbote rechtlich zulässig sind. Die Revisionen der Länder Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg (AZ) im Klageverfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) waren nicht erfolgreich. Die zuvor gesprochenen Urteile des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Juli 2017 und Düsseldorf vom 13. September 2016 sind damit rechtskräftig. Die Länder müssen Diesel-Fahrverbote als schnellstmögliche Maßnahme, um die Stickstoffdioxid-Werte in den Städten einzuhalten, in die Luftreinhaltepläne aufnehmen.
Das Ergebnis kommentiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Heute ist ein großer Tag für „Saubere Luft“ in Deutschland. Das höchste deutsche Verwaltungsgericht hat der Bundesregierung eine schallende Ohrfeige erteilt. Angela Merkel muss sich endlich aus dem Würgegriff der Autokonzerne befreien und eine Politik für die unter Dieselabgasgift leidenden Menschen und die neun Millionen betrogenen Käufer von Euro 5+6 Diesel-Pkw machen. Das Urteil ist aber auch ein Debakel für die Vorstandschefs der großen deutschen Dieselkonzerne BMW, Daimler und VW. Sie müssen nun ihre durch kriminelle Machenschaften erzielten Milliardengewinne für die Beseitigung der entstandenen Gesundheitsschäden und eben der technischen Nachrüstung der Diesel-Pkw bereitstellen. Die vom Gericht beschlossene Übergangsfrist bis September 2019 für die besonders schmutzigen Euro 5-Diesel sollte genügen, alle diese Fahrzeuge zurückzukaufen oder nachzurüsten.“
Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts verkündeten bei der mündlichen Entscheidung, dass Diesel-Fahrverbote nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen. Auch verdeutlichten sie, dass Diesel-Fahrverbote mit Zusatzschildern gemäß bestehender Rechtsverordnungen geregelt und auch kontrolliert werden können.
Die DUH rechnet damit, dass Fahrverbote für Diesel-Pkw der Abgasnorm Euro 4 noch in diesem Jahr kommen werden. Die beklagten Länder könnten die notwendige Maßnahme binnen sechs Monaten in den Luftreinhalteplänen verankern. Damit ist mit Diesel-Fahrverboten für Euro 4 und ältere Diesel-Pkw ab dem 1. September 2018 zu rechnen. Fahrverbote für Diesel-Pkw Euro Norm 5 sind ab dem 1. September 2019 zulässig. „Die Zeit für die Autoindustrie läuft ab. Sie müssen nun bis September 2019 liefern. Wir erwarten aber bei der Hersteller-Nachrüstung auch die Einbeziehung aller Euro 6-Diesel, die ebenfalls betrügerische Abschalteinrichtungen enthalten und die Grenzwerte um bis zu 2.000 Prozent übersteigen“, so Resch weiter. Auch für Busse des öffentlichen Nahverkehrs, die mit zu hohen Emissionen zur Belastung beitragen, muss mit Fahrverboten gerechnet werden. Daher sei auch hier die zügige Nachrüstung dringend geboten.
Die kluge und mutige Entscheidung der Richter schafft auch Klarheit für die betroffenen Diesel-Fahrer. Sie können nun die Rückabwicklung des Kaufvertrags oder aber die technische Nachrüstung ihres Fahrzeugs mit einer technisch funktionierenden Abgasreinigung zu allen Jahreszeiten einfordern.
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt, ergänzt: „Die heutige Entscheidung ist ein großer Erfolg für uns. Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass Grenzwerte, die dem Schutz der Gesundheit dienen, schnellstmöglich einzuhalten sind. Dazu können die Länder eigene Verkehrszeichen entwerfen, wie wir sie im Gerichtsverfahren vorgeschlagen haben. Diese Lösung, die durch die verklagten Länder anfangs belächelt wurde, ist nun höchstrichterlich bestätigt. Sache des Bundes wird es sein, für eine bundeseinheitliche Lösung zu sorgen und die Plakettenverordnung zu ändern. Andernfalls treten unterschiedliche Regelungen in allen betroffenen Bundesländern in Kraft.“
Die internationale Nichtregierungsorganisation ClientEarth unterstützt die Klagen der DUH. Rechtsanwalt Ugo Taddei von ClientEarth sagt: „Die Entscheidung ist ein großartiger und einflussreicher Erfolg für den Schutz der Gesundheit der Menschen in Deutschland. Das Gericht sorgt mit der Entscheidung für rechtliche Klarheit, in dem es bestätigt, dass Fahrverbote rechtlich zulässig sind. Dies kann einen Domino-Effekt für ganz Europa entfalten. Fahrverbote für schmutzige Fahrzeuge sind der schnellste und effektivste Weg, um Menschen vor Luftverschmutzung zu schützen.“
Hintergrund:
Der Luftreinhalteplan Düsseldorf ist seit dem 20. Dezember 2012 in Kraft. Eine NO2-Grenzwerteinhaltung wird erst nach dem Jahr 2020 erwartet. Am 17. November 2015 reichte die DUH Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen ein. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf gab am 13. September 2016 der Klage der DUH in vollem Umfang statt und erklärte, dass Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge so schnell wie möglich auszusprechen sind. Die rechtlichen Instrumentarien sind nach Auffassung des Gerichts bereits vorhanden. Das Urteil des Verwaltungsgericht Düsseldorf ist richtungsweisend, da es das erste Urteil in Deutschland ist, das Fahrverboten für Dieselfahrzeuge den Weg ebnet.
Am 17. November 2015 hat die DUH Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht, da das am 27. Juli 2015 veröffentlichte Konzept zur Luftreinhaltung in Stuttgart erst von einer Einhaltung der NO2-Grenzwerte im Jahre 2020 ausgeht. Am 19. Juli 2017 hat das VG Stuttgart der Klage der DUH stattgegeben und den vorliegenden Entwurf des Luftreinhalteplans für unwirksam erklärt. Das Gericht stellte klar, dass ganzjährige Diesel-Fahrverbote ab 1. Januar 2018 in der Stuttgarter Umweltzone unausweichlich und schon jetzt rechtlich zulässig sind. Der Vorsitzende Verwaltungsrichter Wolfgang Kern erklärte bei der Urteilsverkündung, dass das Verkehrsverbot nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, weil der Gesundheitsschutz höher zu gewichten sei, als das Recht auf Eigentum und die allgemeine Handlungsfreiheit der vom Verbot betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer.
Das Land Nordrhein-Westfalen sowie das Land Baden-Württemberg haben gegen die beiden Urteile der Verwaltungsgerichte Sprungrevision eingereicht, so dass die Entscheidung über die Zulässigkeit von Diesel-Fahrverboten beim BVerwG lag.
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