29. August 2014

Amnesty: Verschwindenlassen ist ein weltweit verbreitetes Verbrechen


Zum morgigen Tag der Opfer des Verschwindenlassens fordert Amnesty von Deutschland „Verschwindenlassen“ ins Strafgesetzbuch aufzunehmen

BERLIN, 29.08.2014  – Zum morgigen „Internationalen Tag der Opfer des Verschwindenlassens“ fordert Amnesty International von der Bundesregierung dieses Verbrechen als eigenen Straftatbestand einzuführen. Gleichzeitig macht die Menschenrechtsorganisation heute mit einer Kunstaktion auf das weltweit verbreitete Verbrechen aufmerksam. „Staatliche Stellen lassen Menschen von einer Minute auf die andere von der Bildfläche verschwinden und entziehen sie so jedem gesetzlichen Schutz“, sagt Maria Scharlau, Amnesty-Expertin für internationales Recht. „Meist ist das Verschwindenlassen der erste Schritt zu Folter und Mord. Angehörige finden in der Ungewissheit um das Schicksal der Opfer oft lebenslang keine Ruhe.“

Deutschland hat die UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen 2009 ratifiziert. Dennoch ist sie noch nicht vollständige umgesetzt: Im deutschen Recht fehlt ein Straftatbestand, der explizit das „Verschwindenlassen“ unter Strafe stellt. Bestehende Straftatbestände erfassen die Schwere der Tat nur unzureichend. Eine angemessene Bestrafung wird so verhindert. „Die Verjährungsdauer des Verbrechens ist bisher zu kurz. Häufig werden relevante Beweise erst mit einem Regimewechsel nach langen Jahren an die Oberfläche gespült. Eine Strafverfolgung der Täter wird dadurch nahezu unmöglich“, sagt Scharlau. „Auch wenn hierzulande dieses Verbrechen nicht vorkommt, muss  sich Deutschland am internationalen Kampf gegen diese besonders grausame Form staatlicher Willkür beteiligen.“
 
In Deutschland laufen mindestens zwei Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Verschwindenlassen. Einerseits erwirkte die Staatanwaltschaft München Haftbefehle gegen die Entführer des 2003 von der CIA verschleppten und mehrere Monate festgehaltenen Deutschen Khaled El Masri. Andererseits ermittelt die Staatsanwaltschaft Krefeld gegen den Deutschen Hartmut Hopp. Hopp war als führendes Mitglied der Colonia Dignidad in Chile mutmaßlich am Verschwinden und der Folter von politischen Gefangenen beteiligt.
 
„Wirkungsvolle Maßnahmen gegen das Verschwindenlassen sind gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zum weltweiten Kampf gegen Folter, da Opfer des Verschwindenlassens regelmäßig auch gefoltert werden“, sagt Maria Scharlau, Völkerrechtsexpertin bei Amnesty International. Amnesty International startete im Mai eine internationale Kampagne zum Schutz vor Folter unter dem Titel „Stop Folter“.
 
Das Verwindenlassen wurde vor allem als Verbrechen der Militärdiktaturen in Lateinamerika in den 1970er und 80er Jahren bekannt. Es ist aber nach wie vor weltweit verbreitet. Aktuell beobachtet Amnesty Fälle von Verschwindenlassen in Ländern wie Mexiko, China, Nigeria, Thailand oder der Dominikanischen Republik. Sprunghaft angestiegen ist die Zahl der Verschwundenen in Syrien. Auch die USA ließen im Rahmen des sogenannten Kriegs gegen den Terror Verdächtige entführen und in Geheimgefängnissen einsperren.
Bei der Kunstaktion auf dem Berliner Litfaßplatz malt Nicholas Kashian die Portraits der Verschwundenen Juan Almonte Herrera (Dominikanische Republik), Prageeth Eknaligoda (Sri Lanka), Héctor Rangel Ortiz (Mexiko) und Sombath Somphone (Laos) auf das Pflaster – die Portraits „verschwinden“ in der Sonne innerhalb von Minuten.

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