„Die Ignoranz gegenüber der
Erforschung des Nationalsozialismus und insbesondere des Holocaust am
Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr
(ZMSBw) in Potsdam ist nicht länger hinnehmbar. Seit 2008 wurden keine
eigenständigen Publikationen zum Holocaust erarbeitet“, kommentiert
Brigitte Freihold, Bildungsexpertin der Fraktion DIE LINKE, die Antwort
der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zum Thema Holocaust am
ZMSBw“. Freihold weiter:
„Das bisherige Forschungs- und Bildungsangebot ist nicht auf die
notwendigen Lerninhalte von Soldaten und Offizieren abgestimmt, die -
wie immer wieder neue Skandale belegen - ein gravierendes Defizit in der
Aufklärung über die deutschen Gewaltverbrechen aufweisen.
Das eigentliche Problem ist die Schwerpunktsetzung des ZMSBw auf die
Nachkriegszeit. Das ZMSBw schwimmt im eigenen Saft, indem es sich von
Kalter-Kriegs-Mentalität in der Forschung nicht lösen will. Angesichts
der gegenwärtigen Gefahren für ein friedliches und demokratisches Europa
durch Nationalismus kann sich die Forschungstätigkeit am ZMSBw nicht im
Zelebrieren der Bundeswehrgeschichte von 1949 bis 1989 erschöpfen.
In diese zeithistorische Dissonanz fügt sich auch die Ignoranz des
Forschungsinstituts gegenüber östlichen Partnerländern der EU und den
dortigen Entwicklungen ein. Gerade hier könnte aber ein Austausch über
NS-Geschichte einen positiven Beitrag für eine europäische Perspektive
in Bildung und Forschung beim Militär entfalten. Auch die Erinnerung an
den NS-Widerstand, der dem Aufleben des Nationalismus demokratische
Ideale entgegensetzt, darf nicht vernachlässigt werden.“
Nicole Gohlke, Hochschul- und Wissenschaftsexpertin der Fraktion DIE
LINKE erklärt dazu: „Gerade in der heutigen Zeit zunehmender
militärischer Spannungen sollten Forschung und Wissenschaft einen
Beitrag dazu leisten, das Entstehen von Kriegen zu analysieren. Die
Bundeswehr ist hier besonders gefragt, die historischen Erfahrungen
zweier Weltkriege aufzuarbeiten und die Rolle deutscher Kampfeinheiten
zu diskutieren. Die Geschichte der deutschen Streitkräfte beginnt nicht
erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Mangelnde institutionelle Kooperation
und Öffnung zu deutschen und internationalen Universitäten sowie
Forschungsinstituten verhindern, dass neuste Forschungsergebnisse
aufgegriffen und in der Bundeswehr verbreitet werden. Das ZMSBw bietet
derzeit keine speziellen Forschungs- und Bildungsangebote zu Holocaust
und Kriegsverbrechen. Dabei hat die Auseinandersetzung mit der deutschen
Militärgeschichte weitgehende gesellschaftliche Implikationen und
Relevanz. Hier muss personell und inhaltlich gegengesteuert werden.“
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