Zum Freispruch Vojislav Seseljs durch den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien erklärt Marieluise Beck, Sprecherin für Osteuropapolitik:
Der
heute ergangene Freispruch von Vojislav Seselj ist kein moralischer
Freispruch, sondern der Freispruch vor dem Hintergrund eines
Rechtsstaates, der hohe Hürden an die Verurteilung von Tätern setzt. Das
heutige Urteil ist nur schwer zu ertragen, denn sicher ist, dass Seselj
die ethno-nationalistische Politik in den 1990er Jahren in der
Westbalkanregion zu verantworten hat. Die nationalistischen Mordbanden,
die von Seselj angeleitet wurden, haben die Region mit Unterstützung der
Regierung in Belgrad mit Terror überzogen. Auf das Konto der
sogenannten Seseljevci gehen massenhafte Tötungen und Vergewaltigungen.
Bis heute leiden Tausende unter den Folgen der brutalen Gewalt und der
mangelnden Aufarbeitung der Verbrechen. Ihre Suche nach Gerechtigkeit
geht auch nach dem heutigen Tag weiter. Alle, denen an Frieden und
Stabilität in Europa gelegen ist, sind in der Pflicht, die Erinnerung an
die Opfer wachzuhalten und weiter auf Aufarbeitung zu drängen.
Das
Gerangel der vergangenen Monate um die Anwesenheit Seseljs in Den Haag
war unerträglich. Kaum wegen einer Erkrankung nach Serbien
zurückgekehrt, setzte Seselj die Verhöhnung von Opfern und Gericht fort.
Dass auch serbische Regierungsvertreter das internationale Gericht
attackierten, wirft ein ungutes Licht auf die offiziellen Bemühungen um
EU-Annäherung.
Das
heutige Urteil ist kein Schlussstrich, sondern eine Aufforderung an uns
alle, nationalistische und chauvinistische Hetzer bei jeder Gelegenheit
zu stellen. Die serbische Regierung ist jetzt umso mehr in der Pflicht,
die Verbrechen der Vergangenheit aufzuarbeiten, und Parolen à la Seselj
konsequent und öffentlich entgegenzutreten.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
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