7. Juli 2014

[MD HH] Newsletter 07/14 - Was ist Euch da nur wieder eingefallen?

MEHR DEMOKRATIE e.V.
LANDESVERBAND HAMBURG
NEWSLETTER  07. JULI 2014
-------------------------------------------------------------

Inhalt:

0) Editorial: Was ist Euch da nur wieder eingefallen?
1) Kunst und Kirschen in Moorburg
2) Fast 20 Jahre Direkte Demokratie in HH
3) Feierlicher Start für öffentliches Informationsregister
---------------------------------------------------------------

0) Editorial: Was ist Euch da nur wieder eingefallen?

Sehr geehrter Herr Berger, 

viele Demokratieinteressierte waren geschockt: „Volksinitiative will Hamburg in mehrere Städte aufteilen“ titelte Anfang Juni das Hamburger Abendblatt. „Was ist Euch da nur wieder eingefallen“, lauteten aufgeregte Anfragen. Doch wir konnten beruhigen: Das, was wir auf den Weg bringen möchten, ist nichts Anderes, als das, was alle Bürgerschaftsparteien in ihren letzten Wahlprogrammen stehen hatten. Alle versprachen - mehr oder weniger konkret - „die Bezirke zu stärken“.

Das Thema ist ja auch durchaus nicht neu.  „Seit dem Ende des 2. Weltkrieges, seit der Befreiung vom Nationalsozialismus ist die Frage der Dezentralisierung der Hamburger Verfassung immer wieder gestellt und nicht gelöst worden“, beklagte der inzwischen emeritierte Professor der Rechtswissenschaften der Universität Hamburg, Prof. Dr. Werner Thieme, bereits  1989 in seiner Streitschrift „Gemeinden für Hamburg“ (https://docs.google.com/file/d/0ByqaRMvxdXHcdmFzMlJMa1VxSDQ/edit?pli=1). 

1993 etwa mahnte Dirk Fischer, damals CDU-Landeschef und seit langen Jahren Bundestagsabgeordneter, mehr Macht für die Bezirke durch Auflösung „zentralistischer Strukturen“ an. Er forderte die Zuständigkeit der Bezirke für konkrete Aufgabenbereiche und die Direktwahl von „Bezirksbürgermeistern“ durch die Wählenden. Fischer erhoffte sich durch die Umstrukturierung „mehr Identifikation der Bevölkerung mit kommunaler Politik“. Genau das ist auch unser Ziel. 

Wenig später plante Henning Voscherau (SPD), damals erster Bürgermeister, die sieben Bezirke durch14 „Bürgerämter“ zu ersetzen und diese mit eigenständigen Haushalten für festgelegte Aufgaben auszustatten. Die Leiter der „Bürgerämter“ sollten nach seinen Vorstellungen jedoch vom Senat eingesetzt werden. Der Widerstand der Zentralisten seiner Partei brachte selbst diesen zaghaften Versuch zum Scheitern.

Zuletzt bemühte sich Wolfgang Peiner als CDU-Finanzsenator ab 2004 um den großen Wurf. Aber auch sein kreißender Berg gebar schließlich nur eine Maus. Macht abzugeben ist in regierenden Parteien nicht eben populär.

Warum braucht Hamburg eigentlich eigenständige Bezirke? Ist die Stadt mit dem bisherigen Konzept der „Einheitsgemeinde“ nicht gut gefahren? Bis auf eine kurze Zeitspanne (2004-2011) regierte in Hamburg die SPD allein (wie im Moment) oder mit kleinen Koalitionspartnern. Auch die Bezirkamtsleiter waren mehrheitlich (z.Zt. vollständig) von SPD-Politikern besetzt. Konflikte zwischen Staat und Bezirk werden in dieser Konstellation naturgemäß innerhalb einer Partei, also im Rahmen einer sehr beschränkten Öffentlichkeit und innerhalb der geltenden HirarchieHierarchie geregelt. „Die Verlagerung von Entscheidungsprozessen aus demokratisch verfassten Organen des Staates und der Gemeinden in Parteiorgane, die nicht dieselbe Öffentlichkeit haben, wie staatliche und gemeinschaftliche Organe, an der auch nur eine kleine Zahl von Bürgern („Parteibürger“) beteiligt ist, führt zu einem Verlust von Demokratie…“,  erklärt Prof. Dr. Werner Thieme in seiner Streitschrift (a.a.O. S.12). „Der Bürger gewinnt durch die Gemeindefreiheit auch seine Freiheit gegen die Omnipotenz des Staates. Die Gemeindefreiheit ist ein wesentliches unaufhebbares Stück der Checks and Balances einer vertikalen Gewaltenteilung“, so Thieme weiter (a.a.O. S.9).

Als Drohkulisse gegen bezirkliche Eigenständigkeit werden in der Regel Widerstände gegen verdichtende Bebauung oder die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften angeführt. Aber exakt über diese Themen können sich die Bewohner einer kleineren Einheit viel besser einigen, wenn es zahlenmäßige Vorgaben gibt und diese innerhalb ihres Einflussbereiches ausgehandelt werden müssen. Die Gefahr des Protestes ist doch viel größer, wenn man den Eindruck hat, der eigene Stadtteil wird über die Maßen belastet. Wenn die Lasten auf alle Verwaltungseinheiten gleich verteilt werden, müssen die politischen Vertreter mit den Bürgern vor Ort um eine Lösung ringen.

Das käme auch dem neuen Wahlrecht sehr zu Gute. Wir lernen unsere Bezirkspolitiker kennen, wissen, wer unsere Interessen zuverlässig vertritt und können unabhängig von Parteiinteressen die uns am kompetentesten scheinenden Kandidierenden wählen.

Das wäre doch ein guter Schritt in Richtung wirklicher Demokratie, meinen Sie nicht?

Haben Sie einen schönen Sommer und erwarten Sie einen „stürmischen“ Herbst! 

Mit herzliche Grüßen,

Burga Buddensiek


----------------------------------------------------------

1) Kunst und Kirschen in Moorburg

Moorburg ist tot? Von wegen! Künstler und andere Kreative haben seit einigen Jahren das Potenzial dieses idyllischen Dorfs am Hafenrand für sich entdeckt. Sie stellen ihre Produkte aus und bieten sie zum Verkauf. Außerdem gibt’s oberleckere Kirschen (von Manfred Brandt selbst gepflückt!), Kaffee und Kuchen, gegrillte Würstchen und manchen Tropfen guten Weines. Am Stand von Mehr Demokratie bekommen Sie Info-Material, Auskunft über unsere Arbeit und können mit uns über zukünftige Projekte diskutieren. Kommen Sie und sehen Sie selbst, was ein ehemaliger Bauernhof so alles zu bieten hat: Am 12. und 13. Juli von 11.00 bis 18.00 Uhr, Moorburger Elbdeich 263, Tel. 040 740 24 97.
www.kunstundkirschen.de  oder
https://www.dropbox.com/s/ovgyu25dtwaow1r/flyer_kuk_pre_2014_web_a.pdf
---------------------------------------------------------

2) Fast 20 Jahre Direkte Demokratie in HH

Mit  der Broschüre „Direkte Demokratie in Hamburg“ würdigt die Landeszentrale für politische Bildung die fast 20-jährige Geschichte der direkten Bürgerbeteiligung in der Hansestadt. Herausgegeben von Andreas Dressel (SPD-Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft), Gerhard Fuchs (stellvertretender Leiter der Landeszentrale für politische Bildung) und Jürgen Warmke (ehemaliger Leiter des Bezirksamts Altona) enthält die Broschüre eine Reihe von Artikeln, die Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung aus verschiedenen Blickwinkeln schildern, reflektieren und Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen. Neben den Herausgebern kommen Initiativenvertreter (Manfred Braasch „Unser Hamburg – unser Netz“, Walter Scheuerl „Wir wollen lernen“) und der Verein „Mehr Demokratie“ (Manfred Brandt und Angelika Gardiner) ebenso zu Wort, wie Landes- und Bezirkspolitiker, Vertreter von Medien und Wirtschaft sowie des Landeswahlamtes. Der Anhang liefert neben Zahlen-Daten- und Fakten ergänzende Gesetzestexte.

Die Broschüre kann bezogen werden Über die Landeszentrale für Politische Bildung, Dammtorstr. 14, 20354 Hamburg (www.hamburg.de/politische-bildung ) oder über unser Landesbüro ( Mittelweg 11-12, 20148 Hamburg).

--------------------------------------------------------------

3) Start für öffentliches Informationsregister

Am 06. Oktober 2014 tritt nach zweijähriger Übergangszeit die zweite Stufe des Hamburgischen Transparenzgesetzes in Kraft. Danach müssen alle wichtigen Dokumente der Stadt, wie Verträge der Daseinsvorsorge über 100.000 EUR, Gutachten, Subventions- und Zuwendungsvergaben, Geodaten u.v.m. von Amts wegen in einem über das Internet zugänglichen Informationsregister veröffentlicht werden. Alle Daten müssen zudem in einem offenen Format verfügbar sein. 

Diese Veröffentlichungspflicht ist im Hamburgischen Transparenzgesetz festgeschrieben. 
http://www.hamburg.de/transparenzgesetz/

Wir wollen das Inkrafttreten der zweiten Phase des Transparenzgesetzes diskutieren mit: 

Lucia Zitnanska, ehemalige Justizministerin der Slowakei und Ideengeberin für die Veröffentlichung von Verträgen im Internet. Seit Januar 2011 müssen in der Slowakei sämtliche Verträge, die die Regierung schließt, im Internet veröffentlicht werden. 

Prof. Dr. Johannes Caspar, Hamburgs Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit

Dr. Manfred Redelfs, Gründungsmitglied der Journalistenorganisation Netzwerk Recherche und dort im Vorstand zuständig für Informationsfreiheit

Renate Mitterhuber, Stellv. Leiterin E-Government und IT-Steuerung (CIO) Finanzbehörde Hamburg
(angefragt)

Am 06.10.2014 von 19.00 bis 21.00 Uhr im betahaus hamburg, Eifflerstraße 43, 22769 Hamburg

Anschließend wird zum Umtrunk geladen. Notieren Sie schon jetzt den Termin!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...