30. September 2014

EU muss gemeinsam Verantwortung für die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer übernehmen



Generalsekretärin Selmin Çalışkan besuchte Lampedusa und Sizilien. Neuer Bericht von Amnesty zur dramatischen Situation im Mittelmeer 

BERLIN, 30.09.2014 – Ein Jahr nach der Bootstragödie von Lampedusa mit mehr als 380 Toten prangert Amnesty die Untätigkeit der Europäischen Union an, durch die die Zahl der Todesopfer weiter nach oben getrieben wird. „Es sterben weiter Tausende von Flüchtlingen und Migranten bei dem verzweifelten Versuch, Europas Küsten zu erreichen“, sagt die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Selmin Çalışkan.

Gemeinsam mit dem Schauspieler Benno Fürmann und Vertretern der französischen und italienischen Amnesty-Sektionen ist Çalışkan soeben von einer knapp einwöchigen Reise nach Rom, Lampedusa und Sizilien wiedergekommen. Dort haben sie sich ein Bild der Lage vor Ort gemacht und Solidarität gezeigt. Die Ergebnisse einer bereits im Sommer stattgefundenen Recherchemission nach Italien und Malta dokumentiert ein neuer Bericht von Amnesty „Lives adrift: Refugee and migrants in peril in the central Mediterranean”, der am Dienstag veröffentlicht wurde.
Weil die Landrouten über Griechenland und Bulgarien mittlerweile unter anderem durch meterhohe Zäune abgeschottet sind, versuchen Flüchtlinge zunehmend über das Mittelmeer Europa zu erreichen. „Hunderte schweben jede Woche zwischen Leben und Tod, zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Sie werden von skrupellosen Menschenschmugglern auf schäbige Boote gepfercht“, sagt Çalışkan.

Seit dem Schiffsunglück am 3. Oktober im vergangenen Jahr rettet die italienische Marine mit der Operation "Mare Nostrum" Menschen aus Seenot. Über 140.000 Menschen konnten auf diese Weise gerettet werden. Trotzdem starben auch in diesem Jahr über 2.500 im Mittelmeer bei der Flucht nach Europa. „Mit Mare Nostrum finanziert Italien im Alleingang einen humanitären Einsatz, der ganz Europa etwas angeht. Mare Nostrum ist aber keine Dauerlösung. Alle europäischen Mitgliedstaaten müssen endliche Verantwortung für die Seenotrettung im Mittelmeer übernehmen, auch Deutschland“, sagt Çalışkan, die in Rom und auf Sizilien mit hochrangigen Vertretern der italienischen Marine sprechen konnte.

Pläne, wonach eine „Frontex Plus“ genannte Operation Mare Nostrum ablösen soll, gehen nach Ansicht von Amnesty International am Kern des Problems vorbei. „Solange nicht genügend Gelder von allen EU-Staaten bewilligt und der Fokus von Frontex Plus ganz klar auf der Seenotrettung liegt, werden wieder mehr Menschen auf dem Weg nach Europa sterben“, sagt Çalışkan. Auch das Einsatzgebiet einer Nachfolge-Operation müsse vergleichbar mit dem von Mare Nostrum sein. Mit Blick auf die EU mahnt Çalışkan: „Wenn die EU weiterhin zu ihren ureigenen Werten, nämlich den Menschenrechten, stehen will, darf sie das Sterben im Mittelmeer nicht weiter hinnehmen.“

Der neue Bericht dokumentiert die Ergebnisse einer im Sommer stattgefundenen Recherchemission nach Italien und Malta. Die Rechercheure sprachen mit mehr als 50 Flüchtlingen und Migranten. In dem Bericht enthalten sind Interviews mit Überlebenden, Experten und Behördenvertretern.

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