Berlin, 10. Juli 2014. Nach dem letzte Woche bekannt gewordenen Wechsel
des ehemaligen Entwicklungsministers Dirk Niebel zum Rüstungskonzern
Rheinmetall bekräftigt die zivilgesellschaftliche Organisation
LobbyControl ihre Forderung nach einer dreijährigen Karenzzeit für
Minister, Staatssekretäre und Abteilungsleiter.
Die von der Bundeskanzlerin in Aussicht gestellte Karenzzeit hält
LobbyControl für nicht ausreichend. Zum einen seien zwölf Monate
deutlich zu kurz. Zum anderen erfasse eine Beschränkung auf
Interessenkonflikte nur die Hälfte des Problems: Viele Wechsel in
Lobbytätigkeiten blieben dann weiterhin möglich.
Dazu erklärt Timo Lange aus dem Berliner LobbyControl-Büro:
„Eine wirksame Karenzzeit-Regelung muss mindestens folgende Kriterien
erfüllen:
1. Innerhalb der Karenzzeit sind Lobbytätigkeiten generell und
unabhängig vom vorherigen politischen Tätigkeitsbereich des
Seitenwechslers untersagt.
Derzeit diskutieren die Fraktionen des Bundestages eine Regelung, die
nur für Fälle gelten soll, bei denen eine Interessenverflechtung mit dem
vorherigen Amt vorliegt, etwa wenn ein Minister mit einer Entscheidung
zu Gunsten seines späteren Arbeitgebers befasst war. Dies ist richtig,
aber erfasst einen wichtigen Teil der Seitenwechsel nicht: Ehemalige
Spitzenpolitiker werden häufig als Türöffner angeheuert und verfügen
auch jenseits ihres letzten Zuständigkeitsbereichs über ein
verlässliches Netzwerk. Wenn etwa in eine Lobby-Dienstleistungsagentur
gewechselt wird, ist diese Problematik besonders sichtbar.
Während der Karenzzeit muss daher zusätzlich explizit ausgeschlossen
sein, dass Lobbytätigkeiten angenommen werden – und zwar unabhängig vom
vorherigen politischen Verantwortungsbereich.
2. Die Karenzzeit muss länger als zwölf Monate gelten. LobbyControl
fordert drei Jahre.
Nach zwölf Monaten kann nicht davon ausgegangen werden, dass laufende
politische Verfahren abgeschlossen sind. Auch ist das politische
Kontaktnetzwerk nicht ausreichend abgekühlt. Bei Beamten liegt der
Zeitraum, in dem eine Anschlusstätigkeit im dienstlichen Interesse
untersagt werden kann, bei mindestens drei Jahren. Die Karenzzeit für
EU-Kommissare wurde auf 18 Monate verlängert, nachdem deutlich wurde,
dass zwölf Monate nicht ausreichen.
3. Verhandlungen über mögliche Folgebeschäftigungen noch während der
Amtszeit müssen untersagt sein.
4. Die Karenzzeit muss auf gesetzlicher Grundlage verankert werden,
damit die Regelung auch umfassend durchgesetzt werden kann.
5. Das Bundeskabinett darf nicht diejenige Instanz sein, die im
Einzelfall entscheidet, ob die Aufnahme einer Tätigkeit nach Ausscheiden
aus der Regierung auf Grund von Interessenkonflikten oder
Lobbytätigkeiten untersagt werden muss. Notwendig ist ein von der
Regierung unabhängiges Gremium mit eigenen Untersuchungsbefugnissen und
angemessener personeller Ausstattung.
Eine Karenzzeit-Regelung, die diesen Kriterien entspricht wirkt:
*korruptionspräventiv*, da eine Beeinflussung von Amtshandlungen durch
lukrative Jobangebote durch den zeitlichen Abstand deutlich weniger
attraktiv ist,
*demokratiestärkend*, da bereits der Anschein einer unzulässigen
Beeinflussung politischer Entscheidungen durch Jobangebote mit einem
massiven und berechtigten Vertrauensverlust in die demokratischen
Institutionen und die gewählten Volksvertreter einhergeht,
*Machtungleichgewichten entgegen*, da von Seitenwechseln vor allem
ohnehin schon finanz- und lobbystarke Akteure profitieren, indem sie
sich weitere privilegierte Zugänge sichern.“
Eine ausführliche Begründung zur Ausgestaltung der Karenzzeit finden Sie
hier:
https://www.lobbycontrol.de/wp-content/uploads/Niebel-Pofalla-Karenzzeit-Argumente.pdf
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11. Juli 2014
*LobbyControl: Fünf Eckpunkte für eine wirksame Karenzzeit* "Zwölf Monate Karenzzeit sind nicht ausreichend"
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