9. August 2024

Es geht um viel mehr als die Auskofferung der Giftschlammgrube Brüchau



Veranlasst durch den Antrag der Landtagsfraktion der LINKEN "Auskofferung der Giftschlammgrube ist nicht verhandelbar - bei Weigerung der Neptune Energy, keine Eignung für Lithiumabbau" befasste sich gestern der Wirtschaftsausschuss mit der Giftschlammgrube Brüchau.

Der TOP 1 "Verständigung zum Verfahren" war öffentlich. Hier ging es um den Versuch einer Begründung, weshalb die Öffentlichkeit von der im TOP 2 vorgesehenen inhaltlichen Diskussionen ausgeschlossen werde. Dies sei nötig, da es um juristische Fragen gehe, hieß es.

Anwesende Vertreter der BI "Saubere Umwelt & Energie Altmark" überzeugte das nicht. Sie hatten bereits im Vorfeld auf Indizien verwiesen, wonach die vom  Landtag einstimmig beschlossene und vom  Bergamt angeordnete Auskofferung zurückgenommen werden soll. Dies peu à peu einzuleiten, sei der eigentliche Grund für die Nichtöffentlichkeit des TOP 2.

Das für Besucher geltende Schweigegebot wurde durchbrochen. Der Frust durch die seit Jahrzehnten geduldig, detailgenau und immer wieder neu, aber letztlich vergeblich erarbeitete Aufdeckung von Lügen und Tricksereien entlud sich in einem lautstarken Lügner-Vorwurf an den anwesenden Wirtschaftsminister Schulze. Dieser war bei der Bürgerversammlung am 28. Juni 2024 in Salzwedel (zur beabsichtigter Lithium-Förderung in der Altmark und zur Giftschlammgrube Brüchau) anwesend gewesen, hatte aber kein einziges Mal das Wort ergriffen. In einem persönlichen Gespräch war er aufgefordert worden, das seinem Ministerium unterstellte Bergamt in die richtige Spur zu bringen. Das hatte er von sich gewiesen, er sei nicht der Chef.

Die Geschichte der Giftschlammgrube Brüchau ist ein Konglomerat aus Unwahrheiten:
  • Spätestens seit 1990 ist offiziell bekannt, dass die Grube undicht ist.
  • Bergbauunternehmen und Landesbergamt bewerten die Emissionen ins Grundwasser als minimal  und harmlos
  • Mehr als zwei Jahrzehnte lang kämpft das Umweltamt des Altmarkkreises Salzwedel heftig, hartnäckig, aber vergeblich gegen die Kontamination von Boden und Grundwasser
  • Eine neue EU-Vorschrift ermöglicht dem Altmarkkreis 2012, den Stopp des Einlagerungsbetriebs zu bewirken
  • Unternehmen und Bergamt wehren sich dagegen bis zur letzten Minute
  • Nun geht es um die Sanierung: reicht es, die Grube gegen Niederschläge abzudecken (Kosten: mittlerer einstelliger Millionenbetrag) oder muss der Inhalt ausgekoffert und auf geeignete Deponien verbracht werden (Kosten: >20 Millionen).
  • Maßgeblich für die Entscheidung: Wenn die Grube undicht ist, muss ausgekoffert werden, wenn sie dicht ist, kann man abdecken.
  • Jürgen Stadelmann (Leiter der Landesanstalt für Altlastenfreistellung, von 1998-2006 bei Gaz de France Leiter der Abteilung Umweltanalytik/Labor und zuständig u.a. für Probenahme und Analytik der Grube Brüchau) plädiert für Abdeckung. Begründung: die Grube habe sich in der Zwischenzeit "von selber abgedichtet".
  • Diese Behauptung wird von Umweltministerin Dalbert (Grüne) übernommen und verbreitet. Allenfalls habe man es mit einer harmlosen "Salzfahne" zu tun. Ihr Staatssekretär Rehda identifizierte diese sogar als "Kochsalz".
  • Neue Untersuchungsergebnisse erweisen 2020 alle derartigen Behauptungen als Lügengespinst: Die angeblich abdichtende Schicht aus Geschiebemergel ist in mehreren Bereichen nicht vorhanden oder weniger als 30 cm mächtig.
  • Stadelmann will die - nur zufällig und ohne umfassende Untersuchung entdeckten - Fehlstellen mit Hilfe von Spundwandtechnik jeweils separat abdichten und dann an der Abdeckungslösung festhalten.
  • Wirtschaftsminister Willingmann lehnt eine derartige Flickschusterei jedoch ab und handelt konsequent: Die Undichtigkeit ist eindeutig nachgewiesen und erheblich. Das bedeutet Auskofferung.
  • Der Landtag unterstützt dies einstimmig, und das LAGB ordnet die Auskofferung an.
  • Das Unternehmen Neptune hält die zeitlichen Vorgaben zur Vorbereitung der Auskofferung ein.
  • Die am 15. Mai 2024 fällige Vorlage sämtlicher Entsorgungswege wird jedoch verweigert.
  • Neptune: Für die Entsorgung quecksilberhaltiger und leicht radioaktiver Stoffe hat sich eine Firma beworben. Diese ist jedoch nicht im Besitz einer Befreiung von Strahlungsschutz-Vorschriften für den Straßentransport. Das LAGB ist die Behörde, die die Genehmigung erteilen kann - macht es aber nicht.
  • LAGB: Die Genehmigung wurde nicht beantragt und kann deswegen nicht erteilt werden.
  • Neptune: Hat mit LAGB-Präsident Schaar vereinbart, dass der Antrag bis 31. Oktober 2024 gestellt wird.

UND NUN DER PFERDEFUß: Bis 30. September 2024 wird der "Plan B" (Einhüllung des Materials in Plastikfolien vor Ort) zur Genehmigung eingereicht. Hierzu wurde Neptune seitens LAGB ermuntert, was einer Vorabgenehmigung gleich kommt. - Auch unabhängig davon, ob der Plan B genehmigt wird oder nicht, bedeutet allein die Zulassung der Einreichung, dass das LAGB seine Anordnung der Auskofferung und seine Genehmigung des entsprechenden Betriebsplanes fallen lässt, sein eigenes Handeln also disqualifiziert.

Je tiefer man in die Problematik einsteigt, umso deutlicher wird, dass wir es nicht nur mit der Giftschlammgrube Brüchau zu tun haben, sondern mit grundsätzlichen Fragen wie Sachbezogenheit,  Wahrheitsliebe, Menschenwohl,  Schutz der Lebensvoraussetzungen und Realität von Demokratie. 

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