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BERLIN, 9.12.2019 – Ägypten, Hongkong, Iran, Sudan oder Venezuela: Die
Bilder von Millionen Menschen, die demonstriert haben, sind um die Welt
gegangen. „Wir haben in den vergangenen Monaten eindrucksvoll erlebt,
wie die Bevölkerung mit friedlichem Protest auf Angriffe durch
Regierungen und Unternehmen auf ihre Menschenrechte reagiert hat“, sagt
Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in
Deutschland, im Rückblick anlässlich des Tags der Menschenrechte am 10.
Dezember. Doch während die Menschen ihr Recht auf Versammlungsfreiheit
ausübten, zeigten Regierungen auch, wie gefährlich friedlicher Protest
sein kann. „Mit teilweise erschreckender und tödlicher
Menschenverachtung sind Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten
in Ägypten, Hongkong, Iran, Irak oder auch in Venezuela vorgegangen“,
sagt Beeko. „Dies verdeutlicht, wie wichtig weltweite Solidarität und
die wirksame Durchsetzung internationalen Rechts und des internationalen
Menschenrechtsschutzes sind – auf nationaler und internationaler
Ebene.“
Die deutsche Bundesregierung besetzt im Jahr 2020 drei
Schlüsselrollen der internationalen Bühne: Sie ist Mitglied im
UN-Sicherheitsrat, wird einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat haben und
übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft. „Die internationale Rolle, die
Deutschland im kommenden Jahr zukommt, ermöglicht der Bundesregierung,
ihrer Ankündigung einer an Menschenrechten orientierten Außenpolitik
auch Taten folgen zu lassen“, sagt Beeko.
Dazu gehört auch ein
entschiedenes Auftreten der EU gegenüber China, das u.a. geschätzt mehr
als eine Million Uiguren in der Provinz Xinjiang interniert hat. „In
Zeiten systematischer Angriffe auf die Menschenrechte, darf es auch für
die EU kein business as usual geben. Das Wegschauen und das Tolerieren
schwerer Menschenrechtsverletzungen untergraben unsere internationale
Ordnung. Ganz konkret sollte sich Berlin jetzt weiter für den
ungehinderten Zugang internationaler Beobachter nach Xinjiang
einsetzen“, so Beeko. Eine konsequent an den Menschenrechten orientierte
Politik befürwortet auch eine absolute Mehrheit der deutschen
Bevölkerung, wie eine repräsentative Umfrage im Auftrag von Amnesty
Deutschland ergeben hat. 77 Prozent der Befragten wünschen sich mehr
Druck der Bundesregierung auf Staaten, die Menschenrechte verletzen.
Ein
entschlossenes Vorgehen ist auch im Umgang mit den großen
Digital-Konzernen notwendig. „Unternehmen wie Google oder Facebook
betreiben ein Geschäftsmodell auf Kosten des Rechts auf Privatsphäre von
Millionen Menschen“, sagt Beeko. „Die Teilnahme am digitalen Leben darf
aber nicht davon abhängig gemacht werden, dass wir irgendjemand die
umfassende Erfassung, Überwachung und individualisierte Auswertung
unserer persönlichen Daten erlauben müssen. Amnesty fordert die EU und
die Bundesregierung dazu auf, ihre Bürgerinnen und Bürger wirksam vor
Eingriffen der Tech-Konzerne in ihre Grundrechte zu schützen.“
Deutschland
ist auch gefragt, bei der problematischen EU-Migrationspolitik auf
konkrete Verbesserungen beim Flüchtlingsschutz hinzuwirken. „Menschen
ertrinken im Mittelmeer, private Helfer werden kriminalisiert und
diffamiert“, kritisiert Beeko. „Die Europäische Union als
Friedensnobelpreisträger und einer der stärksten Wirtschaftsräume der
Welt muss zu ihrer internationalen Verpflichtung stehen,
schutzbedürftigen Menschen Zuflucht zu gewähren. Es braucht umgehend
eine staatliche Seenotrettung im Mittelmeer. Schutzsuchende Menschen
dürfen nicht nach Libyen gebracht werden.“ Die Amnesty-Umfrage zeigt,
dass fast zwei Drittel der deutschen Bevölkerung (65 Prozent) die
Einführung staatlicher Seenotrettung befürworten.
Innenpolitisch
fehlen sichtbare und wirkungsvolle Schritte der Bundes- und
Landesregierungen, um tatsächlich konsequent gegen täglichen Rassismus
und Diskriminierung sowie rassistische, antisemitische und islamophobe
Gewalt in Deutschland vorzugehen. „Der Mord am Kasseler
Regierungspräsidenten Walter Lübcke und der Anschlag auf die Synagoge in
Halle mit zwei Toten zeigen, dass der Schutz vor Rassismus und
Diskriminierung eine Frage der inneren Sicherheit ist“, sagt Beeko.
„Dass rechtsextreme Gewalt oben auf der Agenda der
Innenministerkonferenz vergangene Woche stand, ist ein Anfang. Jetzt
müssen konkrete Schritte folgen: Der Nationale Aktionsplan gegen
Rassismus muss endlich umgesetzt werden. Ebenso braucht es ein
konsequentes Vorgehen gegen rassistische Netzwerke in Ermittlungs- und
Sicherheitsbehörden.“ Die Bundesregierung hat hier einen klaren Auftrag,
das sieht auch eine Mehrheit der Bevölkerung so: 60 Prozent der
Befragten finden, dass die Bundesregierung nicht genug tut, um die
Menschen vor rassistischer und antisemitischer Gewalt zu schützen. 60
Prozent sind der Meinung, dass menschenrechtsfeindliche Einstellungen in
der politischen Debatte eher zunehmen, 55 Prozent sagen dies über die
mediale Berichterstattung. |
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