DUH
reicht Grundsatzklage für „Sauberes Wasser“ gegen die Bundesrepublik
Deutschland ein – Nitrat-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter an 27,7
Prozent der
Messstationen deutlich überschritten –2017 geändertes Düngerecht reicht
nicht aus, die zu hohe Nitratbelastung des Grund- und
Oberflächenwassers ausreichend zu reduzieren – Europäischer Gerichtshof
bestätigt durch sein Urteil vom 21. Juni 2018 die Versäumnisse
der deutschen Agrarpolitik
Berlin,
17.7.2018:
Unter allen 28 EU-Staaten weist
Deutschland die zweithöchste
Belastung des Grundwassers durch Nitrat auf. Nur Malta hat mehr
Nitrat im Grundwasser als Deutschland. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH)
kritisiert das seit über 25 Jahre bestehende Versagen der deutschen
Politik und fordert den Schutz des durch die industrielle
Landwirtschaft belasteten Grund- und Trinkwassers.
Um die Politik zum Handeln zu zwingen, hat die DUH am 31. Mai 2018 Klage
gegen die Bundesrepublik, vertreten durch das Bundeslandwirtschaftsministerium,
beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereicht (Aktenzeichen OVG 11 A 1. 18).
Mit
Schriftsatz vom 16. Juli 2018 wurde die Klage nun ausführlich
begründet. Die Klage richtet sich gegen das 2017 novellierte, aktuell
geltende „Nationale Aktionsprogramm zum
Schutz von Gewässern vor Verunreinigung durch Nitrat aus
landwirtschaftlichen Quellen“. Deutschland ist verpflichtet, ein solches
Aktionsprogramm aufzustellen und hat dies auf der Basis von Paragraph
3a des Düngesetzes (DüngeG) durch verschiedene gesetzliche
Regelungen im Düngerecht getan. Nach Ansicht der DUH ist das geltende
Düngerecht aber auch nach der Novelle ungeeignet, die zu hohe
Nitratbelastung des Grundwassers und der Gewässer so weit zu reduzieren,
dass die Ziele der Nitrat-Richtlinie 91/676/EWG eingehalten
werden.
So
wird der Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter auch nach dem letzten
Nitratbericht der Bundesregierung
von 2016 immer noch an knapp einem Drittel der Messstationen teilweise
deutlich überschritten. Durch die im Jahr 2017 geänderten gesetzlichen
Regelungen ist mit keiner durchgreifenden Änderung dieses Zustands zu
rechnen. Ziel der Klage ist es, so schnell wie
möglich einen rechtmäßigen Zustand zu schaffen. Dazu bedarf es einer
Überarbeitung des nationalen Aktionsprogramms und damit des deutschen
Düngerechts.
„Wir
haben uns entschlossen, nach der ‚Sauberen Luft‘ auch das ‚Saubere
Wasser‘ auf dem Klageweg durchzusetzen. Die DUH setzt sich seit
ihrer Gründung für saubere Luft und sauberes Wasser ein. Das Beispiel
Luftreinhaltung und die von der DUH gewählte Klagestrategie zeigen
eindrucksvoll, dass die notwendigen Schritte zur Durchsetzung der
Luftqualitätsgrenzwerte nur gerichtlich erzwungen werden
können. Während Deutschland vor der Kanzlerschaft von Angela Merkel ein
Vorbild für andere Staaten im Umweltschutz war und regelmäßig die
EU-Normen übererfüllt hat, laufen heute gegen kaum einen anderen
EU-Staat so viele Vertragsverletzungsverfahren wegen
des Verstoßes gegen EU-Vorschriften wie gegen Deutschland“, so
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen Deutschland vom 21. Juni 2018 wegen unzureichender
Umsetzung der Nitrat-Richtlinie dokumentiert die jahrzehntelangen Versäumnisse der deutschen Agrarpolitik.
„Die deutsche Agrarpolitik hat auf Intensivierung der industriellen
Tierhaltung statt auf eine flächengebundene naturnahe Landwirtschaft
gesetzt. Zu den dramatischen Folgen gehören der massiv gestiegene
Eintrag von Stickstoff aus Düngung, Gülle und Massentierhaltung
in Grund- und Oberflächengewässer. Die Konsequenzen sind die Schließung
von Brunnen zur Trinkwassergewinnung, ein ständig steigender
technischer und finanzieller Aufwand zur Trinkwasseraufbereitung und die
Überdüngung sensibler Ökosysteme wie Seen, Flüsse
und Küstengewässer“, so Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Bei
einer zu hohen Aufnahme von Nitrat über das Trinkwasser kann sich im
Körper gesundheitsgefährdendes
Nitrit bilden. Bei Kleinkindern und Säuglingen kann dies zu einer
Verminderung der Sauerstofftransportkapazität und damit zur
lebensgefährdenden sogenannten Blausucht führen.
Das
Urteil des EuGH bestätigt, dass Deutschland seinen Verpflichtungen zur
Nitratminderung nicht gerecht wird. Aus prozessrechtlichen Gründen
konnte der Gerichtshof aber nur
die bis zum Jahr 2014 geltende Rechtslage berücksichtigen. Mit der
Änderung des Düngerechts im Jahr 2017
versichert das Bundeslandwirtschaftsministerium gegenüber der EU, alle
Maßnahmen ergriffen zu haben, welche nunmehr zu einem rechtskonformen
Zustand führen. Die DUH kritisiert jedoch, dass die
geänderte Gesetzgebung zahlreiche Ausnahmen enthält, so dass die
europarechtlichen Vorgaben der Nitrat-Richtlinie 91/676/EWG zum Trink-
und Grundwasserschutz auch weiterhin nicht eingehalten werden.
„Auch
das novellierte Recht bringt keinen rechtskonformen Zustand. So wird
der Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter über unabsehbare
Zeit nicht an allen deutschen Messstationen eingehalten. Ebenso wird
die erhebliche Eutrophierung unserer Gewässer nicht beseitigt. Das neue
Düngerecht wird keine Verbesserungen bringen. Selbst viele durch das
EU-Recht vorgesehenen Mindestanforderungen sind
im novellierten Düngerecht immer noch nicht umgesetzt“, sagt Rechtsanwalt
Remo Klinger, der die DUH in der Klage vertritt. „Entsprechend
der ständigen Rechtsprechung des EuGH zum europäischen Luftqualitäts-
und Gewässerschutzrecht haben die Ziele der Nitratrichtlinie nicht bloß
programmatischen Charakter, sondern stellen strikte
Ergebnisverpflichtungen dar, die den Mitgliedsstaaten keinerlei
Umsetzungsermessen verleihen. Diese Ziele werden in Deutschland auch
mehr als 25 Jahre nach Inkrafttreten der Nitratrichtlinie verfehlt“,
so Klinger weiter. An 27,7 Prozent der Messstellen an
landwirtschaftlichen Einzugsgebieten wird der Nitrat-Grenzwert auch nach
dem letzten Nitratbericht der Bundesregierung von 2016 überschritten.
Die Bevölkerung muss erneut Mehrkosten tragen: für Subventionen
in eine industrielle Landwirtschaft, steigende Wasserkosten für die
Trinkwasseraufbereitung sowie gegebenenfalls sogar noch Strafzahlungen
an die EU.
Hintergrund:
Das
Grund- und Oberflächenwasser in Deutschland ist zu stark mit Nitrat
belastet. Hauptursache hierfür ist die stickstoffhaltige Düngung in der
Landwirtschaft.
Neben Mineraldünger werden Gülle aus Mastställen oder Biogasanlagen auf
den Feldern ausgebracht. Durch unzureichende Pufferzonen gelangen diese
in die Oberflächengewässer. Die ökologischen Folgen: trübes Wasser,
übermäßiges Algenwachstum und Sauerstoffmangel,
welches dann zu Fischsterben führt. Der Stickstoffgehalt auf den
Ackerflächen übersteigt die Aufnahmefähigkeit der Pflanzen und Böden,
sodass Nitrat auch ins Grundwasser versickert.
Die
Nitrat-Richtlinie 91/676/EG bestimmt in ihrem Anhang I, dass
Grundwasser verunreinigt ist, wenn es mehr als 50 Milligramm Nitrat pro
Liter enthält. Dieser
Wert gilt einheitlich im EU-recht, so auch in der
EU-Grundwasserrichtlinie 2006/118/EG (GWRL). Die europaweit einheitlich
festgelegte Qualitätsnorm von 50 Milligramm Nitrat pro Liter wurde in
der deutschen Grundwasserverordnung (GrwV) als Schwellenwert in
derselben Höhe verankert. Diese Grenzwerte hält Deutschland jedoch
schon seit 25 Jahren nicht ein. An Messstellen, in deren Einzugsgebiet
viele landwirtschaftliche Nutzungen vorkommen, überschreiten circa 28
Prozent der Messstellen den Grenzwert für Nitrat
(Nitratbericht 2016). Auch bei der Bewertung des Grundwasserzustands
nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie/GWRL sind 27,1 Prozent der 1200
deutschen Grundwasserkörper in einem schlechten chemischen Zustand.
Die
Trinkwasserfilterung wird in naher Zukunft an ihre Grenzen kommen und
teure technische Lösungen erfordern. Die hohe Nitratbelastung hat auch
Auswirkungen
auf die biologische Vielfalt. Fast die Hälfte der Pflanzenarten der
„Roten Liste“ ist durch erhöhte Nährstoffeinträge gefährdet. Die hohen
Nährstoffeinträge verändern die Artenzusammensetzung zugunsten
nährstoffliebender Pflanzen. In Folge dessen kommt es
zu einer Vereinheitlichung der Vegetation und dem Verlust von
Lebensräumen und Nahrungsangeboten. Aus diesen Gründen muss die
Nitratbelastung konsequent reduziert werden. Besonders für die Regionen
mit einer hohen Viehdichte müssen zügig schärfere Vorgaben
formuliert werden. Zu den Maßnahmen gehören stärkere zeitliche
Begrenzungen sowie eine Obergrenze für die Düngung von 130 Kilogramm pro
Hektar (bisher 170 Kilogramm pro Hektar), strengere Regeln zur
Kontrolle der Landwirte bei der Ausgabe und dem Ausbringen
von Dünger, kürzere Einarbeitungsfristen für Wirtschaftsdünger, ein
flächenabhängiger Viehbesatz sowie die Einrichtung von mindestens fünf
Meter breiten Pufferstreifen zu Gewässern.
Links:
Die Klageschrift finden Sie unter:
http://l.duh.de/p180717
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