WideBlick - Potential-Entwicklungs-Magazin für junges Denken: Themen, die diskussionswürdig sind. Musik, die hörenswert ist. Filme, die sehenswert sind. Fakten, die wissenswert sind. (Musik, Aphorismen, Politik, Umwelt, Filme, Kunst, Pädagogik, Termine). Thematisch gibt es fast keine Begrenzungen. (Kein Mainstream!)
3. Oktober 2015
Nicht nur „Chlorhühnchen“ sondern „Co-Gesetzgeber“
„Freihandelsabkommen TTIP, CETA et cetera – Jobs und Wohlstand oder Abschaffung der Demokratie?“
BI „Kein CO2-Endlager Altmark“ führte Veranstaltung durch
Dass durch Chlorbad haltbar gemachtes Hühnchenfleisch aus den USA laut TTIP (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen USA und EU) auch in Europa gegessen werden soll, ist bereits bekannt. Doch es geht um mehr. Der gesamte Verbraucherschutz soll von dem in Europa geltenden Vorsorge-Prinzip auf das amerikanische „evidenzbasierte“ System umgestellt werden: In Europa muss die Unschädlichkeit einer Ware nachgewiesen sein, bevor sie in den Handel kommt, in den USA muss die Schädlichkeit nachgewiesen werden, nachdem sie sich im Handel befindet.
Um die beabsichtigte Absenkung von Standards im Umweltschutz, Gesundheitsschutz, im sozialen Bereich etc. gegen in Europa geltende Bestimmungen durchzusetzen, sollen „Schiedsgerichte“ oder „Investitionsgerichte“ eingeführt werden. Vor ihnen kann ein Konzern den Staat auf Entschädigung verklagen, wenn er meint, z.B. durch Umweltschutzauflagen Gewinneinbußen zu erleiden. Durch eine solche private Parallelgerichtsbarkeit würde das gesamte demokratisch legitimierte staatliche Rechtswesen unterhöhlt und letztlich bedeutungslos.
Eine weitere Institution soll dafür sorgen, dass auch die Legislative auf Konzerninteressen ausgerichtet wird: der „Regulatorische Rat“. In ihm sitzen Wirtschaftsvertreter, denen Gesetzesvorhaben oder beabsichtigte Verordnungen zwecks Überprüfung auf Wirtschaftskonformität vorzulegen sind, bevor die demokratisch eingesetzten Beschlussorgane davon Kenntnis erhalten. In Positionspapieren erklären die Arbeitgeberverbände „US-Chamber of Commerce“ und „Business Europe“ wortwörtlich „Wir wollen diese Verhandlungen nutzen, um Co-Gesetzgeber zu werden.“
Das bereits fertig verhandelte CETA-Abkommen („Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen“), das zwischen Kanada und der EU abgeschlossen werden soll (wobei Kanada verlängerter Arm der dort durch zahlreiche Niederlassungen präsenten und aktiven USA ist) räumt Konzernen weitere regelrecht diktatorische Rechte ein: CETA kann nämlich, bevor es in den nationalen Parlamenten auch nur behandelt wurde, „vorläufig angewendet“ werden, was die Klagemöglichkeit vor dem Schiedsgericht einschließt. Selbst im Fall der Verhinderung von CETA durch Nichtratifizierung im Parlament würde dieses Klagerecht nach dem ablehnenden Parlamentsbeschluss noch drei Jahre lang erhalten bleiben. - Auch sämtliche sonstigen während der „vorläufigen Anwendung“ getätigten Maßnahmen würden völkerrechtlich wirksam bleiben.
NAFTA (Freihandelsvertrag der USA mit Kanada und Mexiko) ist seit 1994 in Kraft. Es gilt als „Blaupause“ für CETA und TTIP. Die zwanzigjährige Erfahrung zeigt, dass die anfangs gegebenen Versprechungen, wie mehr Arbeitsplätze und Wohlstand nicht gehalten wurden, sondern ins Gegeneil umschlugen: In den USA gingen 1 Mill. Arbeitsplätze verloren, in Mexiko 2 Mill. In Kanada sank die Produktivität, es wurde wieder zum Rohstoffexporteur, hauptsächlich für Öl aus der extrem umweltschädliche Ölsandförderung.
Jeff Faux vom Economic Policy Institute in Washington resümiert: „Naftas Hauptanliegen war nicht der befreite Handel, sondern die Befreiung multinationaler Konzerne von öffentlichen Verpflichtungen in den USA, in Mexiko, in Kanada und letztendlich auf der ganzen Welt.“
Gleiches gilt für die sich an NAFTA anlehnenden Abkommen CETA und TTIP sowie für weitere Abkommen, die sich gegenwärtig in geheimen Verhandlungen befinden:
TiSA (Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) zwischen USA, EU und 20 weiteren Staaten (es wurde im Bayerischen Rundfunk am 26.08.2015 als „Der große bösere Bruder von TTIP“ bezeichnet) und
TPP (Transpazifische Partnerschaft), womit die USA die Vorherrschaft auch über den gesamten pazifischen Raum anstreben.
Trotz Vielzahl der Abkommen sind die Anliegen immer gleich: Es geht um Absenkung von Standards, um dadurch Profite einer auf unbegrenztes Wachstum angewiesenen Wirtschaftsweise zu erhalten und zu erhöhen. Da die Ressourcen unseres Planeten begrenzt sind, kommt es zum Widerspruch. Ein profitorientiertes Wirtschaften ist mit der Lebensmöglichkeit der Menschheit nicht auf Dauer vereinbar.
Viele der Teilnehmer der Veranstaltung wollen daher am 10.10. in Berlin demonstrieren:
STOPP TTIP UND CETA!
Sie unterstützen außerdem die von Prof. Dr. Andreas Fisahn (Direktor des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Umwelt- und Technikrecht, Rechtstheorie an der Uni Bielefeld) vorbereitete Verfassungsbeschwerde gegen die Ratifizierung des CETA-Abkommens.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen